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Laube, Heinrich: Die Bernsteinhexe. Leipzig, 1846.

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Die Bernsteinhexe.
Wittich.
Das würde ihr nur noch mehr schaden. Aussage
treibt zu neuer Frage, neue Frage treibt zu neuer Aus-
sage: so wird Eure Liebschaft stadt- und landkundig, und
der gute Ruf des Mädchens ist für immer vernichtet!
Rüdiger.
Der gute Ruf! Als ob Jhr nicht dafür gesorgt hät-
tet, daß durch einen skandalösen Hexenprozeß ihr guter
Ruf für immer vernichtet wäre!
Wittich.
Du irrst Dich! Jhr Prozeß steht sehr günstig, eine
glänzende Freisprechung ist ihr so gut wie gewiß, und er-
folgt wahrscheinlich schon nach dem nächsten Verhöre.
Und was einem alten Weibe schaden könnte, das nützt
einem jungen Mädchen. Ein junges Mädchen, das sieg-
reich aus einem Hexenprozesse hervorgeht, gilt für ein gott-
begabtes Wesen. Das alte Weib bleibt eine mißtrauisch
angesehene Hexe, das junge Mädchen wird ein Engel!
Rüdiger.
Und doch sagtet Jhr mir vor wenig Stunden: es wäre
unanständig, ein als Hexe kompromittirtes Mädchen zu
heirathen!
Wittich.
Für einen Edelmann, allerdings! Für unsre Kreise
ziemt sich das nicht, und Du sollst sie auch nicht heirathen.
Aber für ihren Kreis ist sie gerettet, wenn sie freigespro-
Die Bernſteinhexe.
Wittich.
Das wuͤrde ihr nur noch mehr ſchaden. Ausſage
treibt zu neuer Frage, neue Frage treibt zu neuer Aus-
ſage: ſo wird Eure Liebſchaft ſtadt- und landkundig, und
der gute Ruf des Maͤdchens iſt fuͤr immer vernichtet!
Rüdiger.
Der gute Ruf! Als ob Jhr nicht dafuͤr geſorgt haͤt-
tet, daß durch einen ſkandaloͤſen Hexenprozeß ihr guter
Ruf fuͤr immer vernichtet waͤre!
Wittich.
Du irrſt Dich! Jhr Prozeß ſteht ſehr guͤnſtig, eine
glaͤnzende Freiſprechung iſt ihr ſo gut wie gewiß, und er-
folgt wahrſcheinlich ſchon nach dem naͤchſten Verhoͤre.
Und was einem alten Weibe ſchaden koͤnnte, das nuͤtzt
einem jungen Maͤdchen. Ein junges Maͤdchen, das ſieg-
reich aus einem Hexenprozeſſe hervorgeht, gilt fuͤr ein gott-
begabtes Weſen. Das alte Weib bleibt eine mißtrauiſch
angeſehene Hexe, das junge Maͤdchen wird ein Engel!
Rüdiger.
Und doch ſagtet Jhr mir vor wenig Stunden: es waͤre
unanſtaͤndig, ein als Hexe kompromittirtes Maͤdchen zu
heirathen!
Wittich.
Fuͤr einen Edelmann, allerdings! Fuͤr unſre Kreiſe
ziemt ſich das nicht, und Du ſollſt ſie auch nicht heirathen.
Aber fuͤr ihren Kreis iſt ſie gerettet, wenn ſie freigeſpro-
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[181/0187] Die Bernſteinhexe. Wittich. Das wuͤrde ihr nur noch mehr ſchaden. Ausſage treibt zu neuer Frage, neue Frage treibt zu neuer Aus- ſage: ſo wird Eure Liebſchaft ſtadt- und landkundig, und der gute Ruf des Maͤdchens iſt fuͤr immer vernichtet! Rüdiger. Der gute Ruf! Als ob Jhr nicht dafuͤr geſorgt haͤt- tet, daß durch einen ſkandaloͤſen Hexenprozeß ihr guter Ruf fuͤr immer vernichtet waͤre! Wittich. Du irrſt Dich! Jhr Prozeß ſteht ſehr guͤnſtig, eine glaͤnzende Freiſprechung iſt ihr ſo gut wie gewiß, und er- folgt wahrſcheinlich ſchon nach dem naͤchſten Verhoͤre. Und was einem alten Weibe ſchaden koͤnnte, das nuͤtzt einem jungen Maͤdchen. Ein junges Maͤdchen, das ſieg- reich aus einem Hexenprozeſſe hervorgeht, gilt fuͤr ein gott- begabtes Weſen. Das alte Weib bleibt eine mißtrauiſch angeſehene Hexe, das junge Maͤdchen wird ein Engel! Rüdiger. Und doch ſagtet Jhr mir vor wenig Stunden: es waͤre unanſtaͤndig, ein als Hexe kompromittirtes Maͤdchen zu heirathen! Wittich. Fuͤr einen Edelmann, allerdings! Fuͤr unſre Kreiſe ziemt ſich das nicht, und Du ſollſt ſie auch nicht heirathen. Aber fuͤr ihren Kreis iſt ſie gerettet, wenn ſie freigeſpro-

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Die Bernsteinhexe. Leipzig, 1846, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_bernsteinhexe_1846/187>, abgerufen am 21.11.2024.