Laube, Heinrich: Die Bernsteinhexe. Leipzig, 1846.Einleitung. sehbar langen, nur von einem Lämpchen oder dem Mond-lichte erhellten Raum dünstender Getraidehaufen den Kopf hineinzustecken. Jch klapperte gewöhnlich mit der Klinke und begnügte mich, durch's Schlüsselloch und in die Höhe nach der Bodenthür zu kucken. Zu dieser Malz- bodenthür führte eine hölzerne, von Rauch ganz ge- schwärzte Freitreppe, und oben auf dem altanartigen Ab- satze derselben pflegte der gefürchtete Brauer zu erschei- nen. Hörte ich nichts von dem Schlürfen seiner Pantoffeln und sah ich nichts von ihm, so schlüpfte ich wieder in's Loch hinab und versicherte die Mutter Schönknechten: der Hexenmeister sei nicht in der Nähe. -- Nicht doch, erwi- derte sie, ein Hexenmeister ist er nicht, kaum ein Lehr- junge; er nascht nur davon, weil er sein Weib zum Mäl- zen braucht. -- Und ist die Brauer-Lene wirklich eine Hexe, Mutter Schönknechten? -- Stille, so was darf man nicht laut sagen! Oben in den offnen Fenstern sitzen die Fledermäuse, die hier in's Brauhaus nicht her- ein dürfen, denen wir aber das Horchen nicht wehren können, und die der Lene Alles zu wissen thun. Wenn Du die Lene gesehn hättest vor zwanzig Jahren, Du wür- dest gar nicht fragen. Damals war sie schön wie ein Engel und an den blauen Kuckaugen hatte der heikelste Bursch nichts auszusetzen. Jetzt sind die Augenränder dick geschwollen und roth. Das kommt nur vom Wach- holderfeuer auf dem Blocksberge in der Walpurgisnacht -- Du hast doch die zwei abgekehrten Besen wieder kreuz- Einleitung. ſehbar langen, nur von einem Laͤmpchen oder dem Mond-lichte erhellten Raum duͤnſtender Getraidehaufen den Kopf hineinzuſtecken. Jch klapperte gewoͤhnlich mit der Klinke und begnuͤgte mich, durch’s Schluͤſſelloch und in die Hoͤhe nach der Bodenthuͤr zu kucken. Zu dieſer Malz- bodenthuͤr fuͤhrte eine hoͤlzerne, von Rauch ganz ge- ſchwaͤrzte Freitreppe, und oben auf dem altanartigen Ab- ſatze derſelben pflegte der gefuͤrchtete Brauer zu erſchei- nen. Hoͤrte ich nichts von dem Schluͤrfen ſeiner Pantoffeln und ſah ich nichts von ihm, ſo ſchluͤpfte ich wieder in’s Loch hinab und verſicherte die Mutter Schoͤnknechten: der Hexenmeiſter ſei nicht in der Naͤhe. — Nicht doch, erwi- derte ſie, ein Hexenmeiſter iſt er nicht, kaum ein Lehr- junge; er naſcht nur davon, weil er ſein Weib zum Maͤl- zen braucht. — Und iſt die Brauer-Lene wirklich eine Hexe, Mutter Schoͤnknechten? — Stille, ſo was darf man nicht laut ſagen! Oben in den offnen Fenſtern ſitzen die Fledermaͤuſe, die hier in’s Brauhaus nicht her- ein duͤrfen, denen wir aber das Horchen nicht wehren koͤnnen, und die der Lene Alles zu wiſſen thun. Wenn Du die Lene geſehn haͤtteſt vor zwanzig Jahren, Du wuͤr- deſt gar nicht fragen. Damals war ſie ſchoͤn wie ein Engel und an den blauen Kuckaugen hatte der heikelſte Burſch nichts auszuſetzen. Jetzt ſind die Augenraͤnder dick geſchwollen und roth. Das kommt nur vom Wach- holderfeuer auf dem Blocksberge in der Walpurgisnacht — Du haſt doch die zwei abgekehrten Beſen wieder kreuz- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0020" n="14"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Einleitung</hi>.</fw><lb/> ſehbar langen, nur von einem Laͤmpchen oder dem Mond-<lb/> lichte erhellten Raum duͤnſtender Getraidehaufen den<lb/> Kopf hineinzuſtecken. Jch klapperte gewoͤhnlich mit der<lb/> Klinke und begnuͤgte mich, durch’s Schluͤſſelloch und in<lb/> die Hoͤhe nach der Bodenthuͤr zu kucken. Zu dieſer Malz-<lb/> bodenthuͤr fuͤhrte eine hoͤlzerne, von Rauch ganz ge-<lb/> ſchwaͤrzte Freitreppe, und oben auf dem altanartigen Ab-<lb/> ſatze derſelben pflegte der gefuͤrchtete Brauer zu erſchei-<lb/> nen. Hoͤrte ich nichts von dem Schluͤrfen ſeiner Pantoffeln<lb/> und ſah ich nichts von ihm, ſo ſchluͤpfte ich wieder in’s<lb/> Loch hinab und verſicherte die Mutter Schoͤnknechten: der<lb/> Hexenmeiſter ſei nicht in der Naͤhe. — Nicht doch, erwi-<lb/> derte ſie, ein Hexenmeiſter iſt er nicht, kaum ein Lehr-<lb/> junge; er naſcht nur davon, weil er ſein Weib zum Maͤl-<lb/> zen braucht. — Und iſt die Brauer-Lene wirklich eine<lb/> Hexe, Mutter Schoͤnknechten? — Stille, ſo was darf<lb/> man nicht laut ſagen! Oben in den offnen Fenſtern<lb/> ſitzen die Fledermaͤuſe, die hier in’s Brauhaus nicht her-<lb/> ein duͤrfen, denen wir aber das Horchen nicht wehren<lb/> koͤnnen, und die der Lene Alles zu wiſſen thun. Wenn<lb/> Du die Lene geſehn haͤtteſt vor zwanzig Jahren, Du wuͤr-<lb/> deſt gar nicht fragen. Damals war ſie ſchoͤn wie ein<lb/> Engel und an den blauen Kuckaugen hatte der heikelſte<lb/> Burſch nichts auszuſetzen. Jetzt ſind die Augenraͤnder<lb/> dick geſchwollen und roth. Das kommt nur vom Wach-<lb/> holderfeuer auf dem Blocksberge in der Walpurgisnacht<lb/> — Du haſt doch die zwei abgekehrten Beſen wieder kreuz-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [14/0020]
Einleitung.
ſehbar langen, nur von einem Laͤmpchen oder dem Mond-
lichte erhellten Raum duͤnſtender Getraidehaufen den
Kopf hineinzuſtecken. Jch klapperte gewoͤhnlich mit der
Klinke und begnuͤgte mich, durch’s Schluͤſſelloch und in
die Hoͤhe nach der Bodenthuͤr zu kucken. Zu dieſer Malz-
bodenthuͤr fuͤhrte eine hoͤlzerne, von Rauch ganz ge-
ſchwaͤrzte Freitreppe, und oben auf dem altanartigen Ab-
ſatze derſelben pflegte der gefuͤrchtete Brauer zu erſchei-
nen. Hoͤrte ich nichts von dem Schluͤrfen ſeiner Pantoffeln
und ſah ich nichts von ihm, ſo ſchluͤpfte ich wieder in’s
Loch hinab und verſicherte die Mutter Schoͤnknechten: der
Hexenmeiſter ſei nicht in der Naͤhe. — Nicht doch, erwi-
derte ſie, ein Hexenmeiſter iſt er nicht, kaum ein Lehr-
junge; er naſcht nur davon, weil er ſein Weib zum Maͤl-
zen braucht. — Und iſt die Brauer-Lene wirklich eine
Hexe, Mutter Schoͤnknechten? — Stille, ſo was darf
man nicht laut ſagen! Oben in den offnen Fenſtern
ſitzen die Fledermaͤuſe, die hier in’s Brauhaus nicht her-
ein duͤrfen, denen wir aber das Horchen nicht wehren
koͤnnen, und die der Lene Alles zu wiſſen thun. Wenn
Du die Lene geſehn haͤtteſt vor zwanzig Jahren, Du wuͤr-
deſt gar nicht fragen. Damals war ſie ſchoͤn wie ein
Engel und an den blauen Kuckaugen hatte der heikelſte
Burſch nichts auszuſetzen. Jetzt ſind die Augenraͤnder
dick geſchwollen und roth. Das kommt nur vom Wach-
holderfeuer auf dem Blocksberge in der Walpurgisnacht
— Du haſt doch die zwei abgekehrten Beſen wieder kreuz-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |