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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833.

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ten Adern -- aus dem Meere hoben die Griechen ihre
Liebesgöttin, die strahlende Aphrodite. Das Wasser ist
ein geistigeres Element als die Erde, man fühlt sich
höher, edler, wenn man die Glieder aus den Fluthen
hebt. Drum lob' ich die mehr und mehr überhandneh¬
menden Schwimmanstalten in Teutschland. Die Poli¬
zei sollte an den Thoren darauf sehen, daß die Ein¬
passirenden erst in den Fluß gingen, ehe sie in die Stadt
kämen; statt die im Zimmer verkümmernden teutschen
Bürger allsonntäglich wie die Heerde zum nutzlosen Ge¬
schwätz eines Pfaffen zu schicken, würd' ich sie ins Was¬
ser jagen, damit sie die trägen Flügel schütteln lernten
wie die Vögel, die sich auch baden, obwohl sie in rei¬
nerem Elemente verkehren als wir. Teutschland hat die
gründlichste Aesthetik edirt und die Aesthetiker holen die
Regeln aus dem Bücherstaube und schreiben ungewaschen
über Schönheit. Es hat mir den Anblick manches zärt¬
lichen Liebespaares verleidet, wenn ich daran dachte,
daß Beide vom Baden nichts wüßten. Man soll den
Körper pflegen wie die Frucht, deren Saft unsere
physischen und geistigen Theile stärkt und nährt. Man
schmeidige und stähle die Nerven, dann weiß man
muthiger zu lieben, zu denken, zu leben. Natürliche

ten Adern — aus dem Meere hoben die Griechen ihre
Liebesgöttin, die ſtrahlende Aphrodite. Das Waſſer iſt
ein geiſtigeres Element als die Erde, man fühlt ſich
höher, edler, wenn man die Glieder aus den Fluthen
hebt. Drum lob' ich die mehr und mehr überhandneh¬
menden Schwimmanſtalten in Teutſchland. Die Poli¬
zei ſollte an den Thoren darauf ſehen, daß die Ein¬
paſſirenden erſt in den Fluß gingen, ehe ſie in die Stadt
kämen; ſtatt die im Zimmer verkümmernden teutſchen
Bürger allſonntäglich wie die Heerde zum nutzloſen Ge¬
ſchwätz eines Pfaffen zu ſchicken, würd' ich ſie ins Waſ¬
ſer jagen, damit ſie die trägen Flügel ſchütteln lernten
wie die Vögel, die ſich auch baden, obwohl ſie in rei¬
nerem Elemente verkehren als wir. Teutſchland hat die
gründlichſte Aeſthetik edirt und die Aeſthetiker holen die
Regeln aus dem Bücherſtaube und ſchreiben ungewaſchen
über Schönheit. Es hat mir den Anblick manches zärt¬
lichen Liebespaares verleidet, wenn ich daran dachte,
daß Beide vom Baden nichts wüßten. Man ſoll den
Körper pflegen wie die Frucht, deren Saft unſere
phyſiſchen und geiſtigen Theile ſtärkt und nährt. Man
ſchmeidige und ſtähle die Nerven, dann weiß man
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[131/0141] ten Adern — aus dem Meere hoben die Griechen ihre Liebesgöttin, die ſtrahlende Aphrodite. Das Waſſer iſt ein geiſtigeres Element als die Erde, man fühlt ſich höher, edler, wenn man die Glieder aus den Fluthen hebt. Drum lob' ich die mehr und mehr überhandneh¬ menden Schwimmanſtalten in Teutſchland. Die Poli¬ zei ſollte an den Thoren darauf ſehen, daß die Ein¬ paſſirenden erſt in den Fluß gingen, ehe ſie in die Stadt kämen; ſtatt die im Zimmer verkümmernden teutſchen Bürger allſonntäglich wie die Heerde zum nutzloſen Ge¬ ſchwätz eines Pfaffen zu ſchicken, würd' ich ſie ins Waſ¬ ſer jagen, damit ſie die trägen Flügel ſchütteln lernten wie die Vögel, die ſich auch baden, obwohl ſie in rei¬ nerem Elemente verkehren als wir. Teutſchland hat die gründlichſte Aeſthetik edirt und die Aeſthetiker holen die Regeln aus dem Bücherſtaube und ſchreiben ungewaſchen über Schönheit. Es hat mir den Anblick manches zärt¬ lichen Liebespaares verleidet, wenn ich daran dachte, daß Beide vom Baden nichts wüßten. Man ſoll den Körper pflegen wie die Frucht, deren Saft unſere phyſiſchen und geiſtigen Theile ſtärkt und nährt. Man ſchmeidige und ſtähle die Nerven, dann weiß man muthiger zu lieben, zu denken, zu leben. Natürliche

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0101_1833/141>, abgerufen am 23.11.2024.