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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833.

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lichkeit, nicht wie ein Mephisto, aber wie ein Weiser
der kühlen Stoa -- sieh, das macht Dich mir so lie¬
benswerth, daß ich immer wieder meine heiße Brust an
Dein kühles Haupt lege: Du gewährst ja der Persön¬
lichkeit ihr Recht. Ich lasse mich nur von Dir gern
schelten. William dagegen erbittert mich.

Nun horch, was mich hier so unsäglich beglückt.
Der Graf hat eine Tochter, Alberta, schön wie Diana,
spröde wie Diana, göttlich wie Diana -- jeder Gedanke
in mir liebt sie, und jeder Gedanke an sie ist Poesie.
Ihr Kopf ist der einer Madonna, die ihre Verklärung
ahnt, die noch nicht geliebt hat, aber auf den Lippen,
auf den Augenwimpern die schalkhaften Liebesgötter hebt
und wiegt, die ihr zuflüstern, daß sie unendlich lieben
werde. Der Ausdruck ihrer Züge ist ein seliges, träume¬
risches Aufwachen, ihr wie ein Blumenkelch sich auf¬
schließendes Ganze lispelt zauberisch: ich fühl's, ich
werde lieben. Wie über der Blume schimmert der Thau
der Sehnsucht, der frische Morgen -- ach es ist ein un¬
beschreiblich liebes Mädchenbild und ich muß mir die
Augen zuhalten, um ungestört mit ihr kosen zu können.
Sie ist fein, aber rund und voll gewachsen. Trotz ihrer
sonstigen Sanftmuth trägt sie den Kopf keck und stolz,

lichkeit, nicht wie ein Mephiſto, aber wie ein Weiſer
der kühlen Stoa — ſieh, das macht Dich mir ſo lie¬
benswerth, daß ich immer wieder meine heiße Bruſt an
Dein kühles Haupt lege: Du gewährſt ja der Perſön¬
lichkeit ihr Recht. Ich laſſe mich nur von Dir gern
ſchelten. William dagegen erbittert mich.

Nun horch, was mich hier ſo unſäglich beglückt.
Der Graf hat eine Tochter, Alberta, ſchön wie Diana,
ſpröde wie Diana, göttlich wie Diana — jeder Gedanke
in mir liebt ſie, und jeder Gedanke an ſie iſt Poeſie.
Ihr Kopf iſt der einer Madonna, die ihre Verklärung
ahnt, die noch nicht geliebt hat, aber auf den Lippen,
auf den Augenwimpern die ſchalkhaften Liebesgötter hebt
und wiegt, die ihr zuflüſtern, daß ſie unendlich lieben
werde. Der Ausdruck ihrer Züge iſt ein ſeliges, träume¬
riſches Aufwachen, ihr wie ein Blumenkelch ſich auf¬
ſchließendes Ganze liſpelt zauberiſch: ich fühl's, ich
werde lieben. Wie über der Blume ſchimmert der Thau
der Sehnſucht, der friſche Morgen — ach es iſt ein un¬
beſchreiblich liebes Mädchenbild und ich muß mir die
Augen zuhalten, um ungeſtört mit ihr koſen zu können.
Sie iſt fein, aber rund und voll gewachſen. Trotz ihrer
ſonſtigen Sanftmuth trägt ſie den Kopf keck und ſtolz,

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[44/0054] lichkeit, nicht wie ein Mephiſto, aber wie ein Weiſer der kühlen Stoa — ſieh, das macht Dich mir ſo lie¬ benswerth, daß ich immer wieder meine heiße Bruſt an Dein kühles Haupt lege: Du gewährſt ja der Perſön¬ lichkeit ihr Recht. Ich laſſe mich nur von Dir gern ſchelten. William dagegen erbittert mich. Nun horch, was mich hier ſo unſäglich beglückt. Der Graf hat eine Tochter, Alberta, ſchön wie Diana, ſpröde wie Diana, göttlich wie Diana — jeder Gedanke in mir liebt ſie, und jeder Gedanke an ſie iſt Poeſie. Ihr Kopf iſt der einer Madonna, die ihre Verklärung ahnt, die noch nicht geliebt hat, aber auf den Lippen, auf den Augenwimpern die ſchalkhaften Liebesgötter hebt und wiegt, die ihr zuflüſtern, daß ſie unendlich lieben werde. Der Ausdruck ihrer Züge iſt ein ſeliges, träume¬ riſches Aufwachen, ihr wie ein Blumenkelch ſich auf¬ ſchließendes Ganze liſpelt zauberiſch: ich fühl's, ich werde lieben. Wie über der Blume ſchimmert der Thau der Sehnſucht, der friſche Morgen — ach es iſt ein un¬ beſchreiblich liebes Mädchenbild und ich muß mir die Augen zuhalten, um ungeſtört mit ihr koſen zu können. Sie iſt fein, aber rund und voll gewachſen. Trotz ihrer ſonſtigen Sanftmuth trägt ſie den Kopf keck und ſtolz,

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0101_1833/54>, abgerufen am 27.11.2024.