Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833.

Bild:
<< vorherige Seite
7.
Valerius an Constantin.

Du wirst Dich wundern, wie ich aus meiner stillen
Zelle plötzlich hierher gekommen bin, was mit mir vor¬
gegangen ist. Ich gestehe Dir, daß mich die letzten Tage
etwas übereilt und verwirrt haben, ihre Bewegung hat
an meinem ruhigen Gleichgewichte gerüttelt, es ist mir
Erholung, Bedürfniß, mich ausführlich auszusprechen,
mich selbst auf's Reine zu bringen. Wie einen ungeübten
Novellenschreiber beunruhigt mich der Faktenstoff, der
in der Hand herumspringt und Ort und Stelle und
Ordnung erheischt. Wirst Du aber auch Zeit dazu ha¬
ben, mein lieber Freund? Du hast einen leichten Ro¬
man angesponnen und hast Dir die Kraft zugetraut,
Held und Dichter und Publikum zugleich zu sein, Du
hast versucht Dir einen kleinen Freudenplaneten zu schaf¬
fen, in ihm zu genießen, und von außen her ihn zu
bewegen, zu regieren. Nach Deinem letzten Briefe ist
Dir der Scepter schon klirrend an den Boden gefallen,
der falsche griechische Kaiser hat nur seinen Ornat noch

7.
Valerius an Constantin.

Du wirſt Dich wundern, wie ich aus meiner ſtillen
Zelle plötzlich hierher gekommen bin, was mit mir vor¬
gegangen iſt. Ich geſtehe Dir, daß mich die letzten Tage
etwas übereilt und verwirrt haben, ihre Bewegung hat
an meinem ruhigen Gleichgewichte gerüttelt, es iſt mir
Erholung, Bedürfniß, mich ausführlich auszuſprechen,
mich ſelbſt auf's Reine zu bringen. Wie einen ungeübten
Novellenſchreiber beunruhigt mich der Faktenſtoff, der
in der Hand herumſpringt und Ort und Stelle und
Ordnung erheiſcht. Wirſt Du aber auch Zeit dazu ha¬
ben, mein lieber Freund? Du haſt einen leichten Ro¬
man angeſponnen und haſt Dir die Kraft zugetraut,
Held und Dichter und Publikum zugleich zu ſein, Du
haſt verſucht Dir einen kleinen Freudenplaneten zu ſchaf¬
fen, in ihm zu genießen, und von außen her ihn zu
bewegen, zu regieren. Nach Deinem letzten Briefe iſt
Dir der Scepter ſchon klirrend an den Boden gefallen,
der falſche griechiſche Kaiſer hat nur ſeinen Ornat noch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0062" n="52"/>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>7.<lb/><hi rendition="#b #g">Valerius an Constantin.</hi><lb/></head>
        <div n="2">
          <dateline rendition="#right">Grün&#x017F;chloß, Anfang Juni.<lb/></dateline>
          <p>Du wir&#x017F;t Dich wundern, wie ich aus meiner &#x017F;tillen<lb/>
Zelle plötzlich hierher gekommen bin, was mit mir vor¬<lb/>
gegangen i&#x017F;t. Ich ge&#x017F;tehe Dir, daß mich die letzten Tage<lb/>
etwas übereilt und verwirrt haben, ihre Bewegung hat<lb/>
an meinem ruhigen Gleichgewichte gerüttelt, es i&#x017F;t mir<lb/>
Erholung, Bedürfniß, mich ausführlich auszu&#x017F;prechen,<lb/>
mich &#x017F;elb&#x017F;t auf's Reine zu bringen. Wie einen ungeübten<lb/>
Novellen&#x017F;chreiber beunruhigt mich der Fakten&#x017F;toff, der<lb/>
in der Hand herum&#x017F;pringt und Ort und Stelle und<lb/>
Ordnung erhei&#x017F;cht. Wir&#x017F;t Du aber auch Zeit dazu ha¬<lb/>
ben, mein lieber Freund? Du ha&#x017F;t einen leichten Ro¬<lb/>
man ange&#x017F;ponnen und ha&#x017F;t Dir die Kraft zugetraut,<lb/>
Held und Dichter und Publikum zugleich zu &#x017F;ein, Du<lb/>
ha&#x017F;t ver&#x017F;ucht Dir einen kleinen Freudenplaneten zu &#x017F;chaf¬<lb/>
fen, in ihm zu genießen, und von außen her ihn zu<lb/>
bewegen, zu regieren. Nach Deinem letzten Briefe i&#x017F;t<lb/>
Dir der Scepter &#x017F;chon klirrend an den Boden gefallen,<lb/>
der fal&#x017F;che griechi&#x017F;che Kai&#x017F;er hat nur &#x017F;einen Ornat noch<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[52/0062] 7. Valerius an Constantin. Grünſchloß, Anfang Juni. Du wirſt Dich wundern, wie ich aus meiner ſtillen Zelle plötzlich hierher gekommen bin, was mit mir vor¬ gegangen iſt. Ich geſtehe Dir, daß mich die letzten Tage etwas übereilt und verwirrt haben, ihre Bewegung hat an meinem ruhigen Gleichgewichte gerüttelt, es iſt mir Erholung, Bedürfniß, mich ausführlich auszuſprechen, mich ſelbſt auf's Reine zu bringen. Wie einen ungeübten Novellenſchreiber beunruhigt mich der Faktenſtoff, der in der Hand herumſpringt und Ort und Stelle und Ordnung erheiſcht. Wirſt Du aber auch Zeit dazu ha¬ ben, mein lieber Freund? Du haſt einen leichten Ro¬ man angeſponnen und haſt Dir die Kraft zugetraut, Held und Dichter und Publikum zugleich zu ſein, Du haſt verſucht Dir einen kleinen Freudenplaneten zu ſchaf¬ fen, in ihm zu genießen, und von außen her ihn zu bewegen, zu regieren. Nach Deinem letzten Briefe iſt Dir der Scepter ſchon klirrend an den Boden gefallen, der falſche griechiſche Kaiſer hat nur ſeinen Ornat noch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0101_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0101_1833/62
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0101_1833/62>, abgerufen am 27.11.2024.