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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833.

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an den Stamm des Baumes, die alte Turngeschicklichkeit
brachte mich bald hinauf, wie staunend sah mir unten
der Hund nach. Der Mond schien geisterhaft, ich stand
im Dunkel der Aeste und übersah mein Terrain. Clara
lag halb entkleidet auf dem Sopha, ihr dunkelbraunes
Haar war zur Hälfte aufgelöst und schmiegte sich schmei¬
chelnd wie ein sehnsüchtiger Trieb, dem man Gewährung
gestattet, um Hals und Busen, ihre weiße Hand und
der schöne, zur Hälfte entblößte Arm spielten damit.
Sie sah träumend vor sich hin -- ich habe nie etwas
Reizenderes gesehen. Sie trug sonst immer ein weites
faltiges schwarz seidnes oder sammtnes Kleid, es schmiegte
sich dies zwar liebend an die schönen Formen, aber das
warme Leben war immer verhüllt -- zum ersten Mal
sah ich's entfesselt und eine göttliche Sinnlichkeit, die
sich mir selbst in ihrem Arm nie so klar angekündigt,
kam über mich. Ich hätte zu ihr gemußt und hätte
es mich tausend Leben gekostet. Wie Käthchen unter
dem Hollunderbaum mit dem Mondschein buhlend lag
sie da, der kleine Fuß, des Schuhes ledig, spielte tän¬
delnd in der Luft, der auf den Busen vorgebeugte Kopf
trug den Ausdruck einer glückseligen, heimlichen Erwar¬
tung. Eben wollte ich auf ihren Fensterbogen treten,

an den Stamm des Baumes, die alte Turngeſchicklichkeit
brachte mich bald hinauf, wie ſtaunend ſah mir unten
der Hund nach. Der Mond ſchien geiſterhaft, ich ſtand
im Dunkel der Aeſte und überſah mein Terrain. Clara
lag halb entkleidet auf dem Sopha, ihr dunkelbraunes
Haar war zur Hälfte aufgelöſt und ſchmiegte ſich ſchmei¬
chelnd wie ein ſehnſüchtiger Trieb, dem man Gewährung
geſtattet, um Hals und Buſen, ihre weiße Hand und
der ſchöne, zur Hälfte entblößte Arm ſpielten damit.
Sie ſah träumend vor ſich hin — ich habe nie etwas
Reizenderes geſehen. Sie trug ſonſt immer ein weites
faltiges ſchwarz ſeidnes oder ſammtnes Kleid, es ſchmiegte
ſich dies zwar liebend an die ſchönen Formen, aber das
warme Leben war immer verhüllt — zum erſten Mal
ſah ich's entfeſſelt und eine göttliche Sinnlichkeit, die
ſich mir ſelbſt in ihrem Arm nie ſo klar angekündigt,
kam über mich. Ich hätte zu ihr gemußt und hätte
es mich tauſend Leben gekoſtet. Wie Käthchen unter
dem Hollunderbaum mit dem Mondſchein buhlend lag
ſie da, der kleine Fuß, des Schuhes ledig, ſpielte tän¬
delnd in der Luft, der auf den Buſen vorgebeugte Kopf
trug den Ausdruck einer glückſeligen, heimlichen Erwar¬
tung. Eben wollte ich auf ihren Fenſterbogen treten,

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[59/0069] an den Stamm des Baumes, die alte Turngeſchicklichkeit brachte mich bald hinauf, wie ſtaunend ſah mir unten der Hund nach. Der Mond ſchien geiſterhaft, ich ſtand im Dunkel der Aeſte und überſah mein Terrain. Clara lag halb entkleidet auf dem Sopha, ihr dunkelbraunes Haar war zur Hälfte aufgelöſt und ſchmiegte ſich ſchmei¬ chelnd wie ein ſehnſüchtiger Trieb, dem man Gewährung geſtattet, um Hals und Buſen, ihre weiße Hand und der ſchöne, zur Hälfte entblößte Arm ſpielten damit. Sie ſah träumend vor ſich hin — ich habe nie etwas Reizenderes geſehen. Sie trug ſonſt immer ein weites faltiges ſchwarz ſeidnes oder ſammtnes Kleid, es ſchmiegte ſich dies zwar liebend an die ſchönen Formen, aber das warme Leben war immer verhüllt — zum erſten Mal ſah ich's entfeſſelt und eine göttliche Sinnlichkeit, die ſich mir ſelbſt in ihrem Arm nie ſo klar angekündigt, kam über mich. Ich hätte zu ihr gemußt und hätte es mich tauſend Leben gekoſtet. Wie Käthchen unter dem Hollunderbaum mit dem Mondſchein buhlend lag ſie da, der kleine Fuß, des Schuhes ledig, ſpielte tän¬ delnd in der Luft, der auf den Buſen vorgebeugte Kopf trug den Ausdruck einer glückſeligen, heimlichen Erwar¬ tung. Eben wollte ich auf ihren Fenſterbogen treten,

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0101_1833/69>, abgerufen am 26.11.2024.