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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833.

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leicht für die Privatgesellschaft ein gewisser Adel des
Geistes und Gemüths. Viel gelernt haben Alle, zu reden
wissen sie Alle, wie die Bücher, Poeten sind sie auch Al¬
le, und meine schnurrige Gouvernante pflegte zu sagen, die
Poeten wären alle vom Adel. Unsere Gespräche sind jetzt
auch ganz andrer Art als früher, manchmal sind sie
mir sogar zu hochtrabend: über Völker, Länder, Sitten,
Religion, Staat, Stände, Poesie, Geschichte und was
dergleichen hochbeinige Dinge mehr sind. Gar nichts
mehr über unsere Nachbarschaft, kein Raisonniren, Mo¬
quiren mehr, und wenn mich manchmal der Schalk treibt,
ein wenig über diese oder jene zu lästern, so sieht mich
Herr Valerius mit seinem wunderlich vornehmen Lächeln
an, spricht "immer frisch -- 's ist noch zu wenig" u. dergl.,
daß ich still werde und mich schäme. Das ist überhaupt
der sonderbarste von Allen, Herr Valerius: er kommt
mir wie der gelehrte Napoleon vor, er herrscht über uns
Alle. Wenn ich Ihnen aber sagen soll, wie er das an¬
fängt, so bin ich wieder in Verlegenheit. Ich weiß es
nicht. Er ist einfach in Manier und Rede; er befiehlt
nicht etwa, Gott bewahre, er spricht oft nur ein paar
Worte, aber darin ruhen Napoleons Kanonen; er sieht
dabei mit seinen klaren bis ins Mark dringenden Blicken

leicht für die Privatgeſellſchaft ein gewiſſer Adel des
Geiſtes und Gemüths. Viel gelernt haben Alle, zu reden
wiſſen ſie Alle, wie die Bücher, Poeten ſind ſie auch Al¬
le, und meine ſchnurrige Gouvernante pflegte zu ſagen, die
Poeten wären alle vom Adel. Unſere Geſpräche ſind jetzt
auch ganz andrer Art als früher, manchmal ſind ſie
mir ſogar zu hochtrabend: über Völker, Länder, Sitten,
Religion, Staat, Stände, Poeſie, Geſchichte und was
dergleichen hochbeinige Dinge mehr ſind. Gar nichts
mehr über unſere Nachbarſchaft, kein Raiſonniren, Mo¬
quiren mehr, und wenn mich manchmal der Schalk treibt,
ein wenig über dieſe oder jene zu läſtern, ſo ſieht mich
Herr Valerius mit ſeinem wunderlich vornehmen Lächeln
an, ſpricht „immer friſch — 's iſt noch zu wenig“ u. dergl.,
daß ich ſtill werde und mich ſchäme. Das iſt überhaupt
der ſonderbarſte von Allen, Herr Valerius: er kommt
mir wie der gelehrte Napoleon vor, er herrſcht über uns
Alle. Wenn ich Ihnen aber ſagen ſoll, wie er das an¬
fängt, ſo bin ich wieder in Verlegenheit. Ich weiß es
nicht. Er iſt einfach in Manier und Rede; er befiehlt
nicht etwa, Gott bewahre, er ſpricht oft nur ein paar
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dabei mit ſeinen klaren bis ins Mark dringenden Blicken

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[76/0086] leicht für die Privatgeſellſchaft ein gewiſſer Adel des Geiſtes und Gemüths. Viel gelernt haben Alle, zu reden wiſſen ſie Alle, wie die Bücher, Poeten ſind ſie auch Al¬ le, und meine ſchnurrige Gouvernante pflegte zu ſagen, die Poeten wären alle vom Adel. Unſere Geſpräche ſind jetzt auch ganz andrer Art als früher, manchmal ſind ſie mir ſogar zu hochtrabend: über Völker, Länder, Sitten, Religion, Staat, Stände, Poeſie, Geſchichte und was dergleichen hochbeinige Dinge mehr ſind. Gar nichts mehr über unſere Nachbarſchaft, kein Raiſonniren, Mo¬ quiren mehr, und wenn mich manchmal der Schalk treibt, ein wenig über dieſe oder jene zu läſtern, ſo ſieht mich Herr Valerius mit ſeinem wunderlich vornehmen Lächeln an, ſpricht „immer friſch — 's iſt noch zu wenig“ u. dergl., daß ich ſtill werde und mich ſchäme. Das iſt überhaupt der ſonderbarſte von Allen, Herr Valerius: er kommt mir wie der gelehrte Napoleon vor, er herrſcht über uns Alle. Wenn ich Ihnen aber ſagen ſoll, wie er das an¬ fängt, ſo bin ich wieder in Verlegenheit. Ich weiß es nicht. Er iſt einfach in Manier und Rede; er befiehlt nicht etwa, Gott bewahre, er ſpricht oft nur ein paar Worte, aber darin ruhen Napoleons Kanonen; er ſieht dabei mit ſeinen klaren bis ins Mark dringenden Blicken

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0101_1833/86>, abgerufen am 24.11.2024.