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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833.

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könnte. -- Erlauben Sie mir dies Wort; Ihr letzter
Brief berechtigt mich noch dazu. Aber ich schüttelte
lächelnd den Gedanken von den leichten Schwingen mei¬
nes Wesens; ich hoffte nichts als einen lieben, zuver¬
läßigen Freund in ihm zu gewinnen. Sein unwandel¬
barer Gleichmuth bestärkte mich darin. Wie ein Blitz¬
strahl traf mich das Wetter. Vor einiger Zeit such' ich
ihn und Alberta, die im Garten promenirten. Ich biege
um eine hohe Cypressenreihe und sehe in der Tiefe des
Gartens zwischen Bäumen eine Gruppe, die mich erstarren
machte, und mir eine traurige Gewißheit über mein In¬
neres brachte. Alberta ruht an der Brust des Valerius.
Heiße Thränen stürzten aus meinen Augen, ich fühlte,
daß ich Ihnen untreu geworden, daß ich jenen unglück¬
seligen Mann liebte. Keine Macht der Erde würde dies
Geständniß über meine Lippen gebracht haben; Ihnen
bin ich's schuldig. Vergeben Sie mir, vergessen Sie
mich. Denken Sie mit Theilnahme an unser grünes
Schloß, wo außer meinem Leid ein breites Feld von
Trauer sprießt.

"Ein Jüngling liebt ein Mädchen,
Das hat einen Andern erwählt;
Der Andre liebt eine Andre,
Und hat sich mit dieser vermählt."

könnte. — Erlauben Sie mir dies Wort; Ihr letzter
Brief berechtigt mich noch dazu. Aber ich ſchüttelte
lächelnd den Gedanken von den leichten Schwingen mei¬
nes Weſens; ich hoffte nichts als einen lieben, zuver¬
läßigen Freund in ihm zu gewinnen. Sein unwandel¬
barer Gleichmuth beſtärkte mich darin. Wie ein Blitz¬
ſtrahl traf mich das Wetter. Vor einiger Zeit ſuch' ich
ihn und Alberta, die im Garten promenirten. Ich biege
um eine hohe Cypreſſenreihe und ſehe in der Tiefe des
Gartens zwiſchen Bäumen eine Gruppe, die mich erſtarren
machte, und mir eine traurige Gewißheit über mein In¬
neres brachte. Alberta ruht an der Bruſt des Valerius.
Heiße Thränen ſtürzten aus meinen Augen, ich fühlte,
daß ich Ihnen untreu geworden, daß ich jenen unglück¬
ſeligen Mann liebte. Keine Macht der Erde würde dies
Geſtändniß über meine Lippen gebracht haben; Ihnen
bin ich's ſchuldig. Vergeben Sie mir, vergeſſen Sie
mich. Denken Sie mit Theilnahme an unſer grünes
Schloß, wo außer meinem Leid ein breites Feld von
Trauer ſprießt.

„Ein Jüngling liebt ein Mädchen,
Das hat einen Andern erwählt;
Der Andre liebt eine Andre,
Und hat ſich mit dieſer vermählt.“
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[37/0049] könnte. — Erlauben Sie mir dies Wort; Ihr letzter Brief berechtigt mich noch dazu. Aber ich ſchüttelte lächelnd den Gedanken von den leichten Schwingen mei¬ nes Weſens; ich hoffte nichts als einen lieben, zuver¬ läßigen Freund in ihm zu gewinnen. Sein unwandel¬ barer Gleichmuth beſtärkte mich darin. Wie ein Blitz¬ ſtrahl traf mich das Wetter. Vor einiger Zeit ſuch' ich ihn und Alberta, die im Garten promenirten. Ich biege um eine hohe Cypreſſenreihe und ſehe in der Tiefe des Gartens zwiſchen Bäumen eine Gruppe, die mich erſtarren machte, und mir eine traurige Gewißheit über mein In¬ neres brachte. Alberta ruht an der Bruſt des Valerius. Heiße Thränen ſtürzten aus meinen Augen, ich fühlte, daß ich Ihnen untreu geworden, daß ich jenen unglück¬ ſeligen Mann liebte. Keine Macht der Erde würde dies Geſtändniß über meine Lippen gebracht haben; Ihnen bin ich's ſchuldig. Vergeben Sie mir, vergeſſen Sie mich. Denken Sie mit Theilnahme an unſer grünes Schloß, wo außer meinem Leid ein breites Feld von Trauer ſprießt. „Ein Jüngling liebt ein Mädchen, Das hat einen Andern erwählt; Der Andre liebt eine Andre, Und hat ſich mit dieſer vermählt.“

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833/49>, abgerufen am 21.11.2024.