Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833.

Bild:
<< vorherige Seite
25.
Constantin an Valerius.

Ich weiß es Freund, Du wirst außer Dir sein
über meinen Brief, Du wirst mich dumm, albern, ver¬
rückt nennen. Vergieb mir meine Albernheit, ich will
wenigstens wahr sein, und Dir alles geben, was sich
mir durch den Kopf bewegt. Ich fühl' es daß ich auf
einer Grenzlinie angekommen bin und plötzlich ein an¬
drer Mensch werde, ich fühl' es, daß Dir dieser neue
Mensch weniger behagen wird als der alte mit seinen
Fehlern. Aber gestatte mir, daß ich Euch allmählig Al¬
les, was sich in mir bewegt, darlege. Daß ich viel¬
leicht mehrere Monate nur rhapsodisch zu schreiben im
Stande bin, kann Euch nicht wundern, wo soll ich
die Ordnung hernehmen, da ich eben in eine Krisis
trete, die nach Ordnung lechzt. Die Welt mit ihrer
Unordnung ist mir plötzlich auf die Brust gefallen, ich
will sie allmählig herunterwerfen, Gott weiß, was mir
dann übrig bleibt. Ob ich reicher oder ärmer werde!
Wenn auch ärmer, ich will aufräumen. Ich glaube
Dir schon einmal etwas Aehnliches geschrieben zu haben,
es ist nicht dasselbe gewesen, was ich jetzt denke, viel¬

25.
Constantin an Valerius.

Ich weiß es Freund, Du wirſt außer Dir ſein
über meinen Brief, Du wirſt mich dumm, albern, ver¬
rückt nennen. Vergieb mir meine Albernheit, ich will
wenigſtens wahr ſein, und Dir alles geben, was ſich
mir durch den Kopf bewegt. Ich fühl' es daß ich auf
einer Grenzlinie angekommen bin und plötzlich ein an¬
drer Menſch werde, ich fühl' es, daß Dir dieſer neue
Menſch weniger behagen wird als der alte mit ſeinen
Fehlern. Aber geſtatte mir, daß ich Euch allmählig Al¬
les, was ſich in mir bewegt, darlege. Daß ich viel¬
leicht mehrere Monate nur rhapſodiſch zu ſchreiben im
Stande bin, kann Euch nicht wundern, wo ſoll ich
die Ordnung hernehmen, da ich eben in eine Kriſis
trete, die nach Ordnung lechzt. Die Welt mit ihrer
Unordnung iſt mir plötzlich auf die Bruſt gefallen, ich
will ſie allmählig herunterwerfen, Gott weiß, was mir
dann übrig bleibt. Ob ich reicher oder ärmer werde!
Wenn auch ärmer, ich will aufräumen. Ich glaube
Dir ſchon einmal etwas Aehnliches geſchrieben zu haben,
es iſt nicht daſſelbe geweſen, was ich jetzt denke, viel¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0082" n="70"/>
      </div>
      <div n="1">
        <head>25.<lb/><hi rendition="#b #g">Constantin an Valerius</hi><hi rendition="#b">.</hi><lb/></head>
        <p>Ich weiß es Freund, Du wir&#x017F;t außer Dir &#x017F;ein<lb/>
über meinen Brief, Du wir&#x017F;t mich dumm, albern, ver¬<lb/>
rückt nennen. Vergieb mir meine Albernheit, ich will<lb/>
wenig&#x017F;tens wahr &#x017F;ein, und Dir alles geben, was &#x017F;ich<lb/>
mir durch den Kopf bewegt. Ich fühl' es daß ich auf<lb/>
einer Grenzlinie angekommen bin und plötzlich ein an¬<lb/>
drer Men&#x017F;ch werde, ich fühl' es, daß Dir die&#x017F;er neue<lb/>
Men&#x017F;ch weniger behagen wird als der alte mit &#x017F;einen<lb/>
Fehlern. Aber ge&#x017F;tatte mir, daß ich Euch allmählig Al¬<lb/>
les, was &#x017F;ich in mir bewegt, darlege. Daß ich viel¬<lb/>
leicht mehrere Monate nur rhap&#x017F;odi&#x017F;ch zu &#x017F;chreiben im<lb/>
Stande bin, kann Euch nicht wundern, wo &#x017F;oll ich<lb/>
die Ordnung hernehmen, da ich eben in eine Kri&#x017F;is<lb/>
trete, die nach Ordnung lechzt. Die Welt mit ihrer<lb/>
Unordnung i&#x017F;t mir plötzlich auf die Bru&#x017F;t gefallen, ich<lb/>
will &#x017F;ie allmählig herunterwerfen, Gott weiß, was mir<lb/>
dann übrig bleibt. Ob ich reicher oder ärmer werde!<lb/>
Wenn auch ärmer, ich will aufräumen. Ich glaube<lb/>
Dir &#x017F;chon einmal etwas Aehnliches ge&#x017F;chrieben zu haben,<lb/>
es i&#x017F;t nicht da&#x017F;&#x017F;elbe gewe&#x017F;en, was ich jetzt denke, viel¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[70/0082] 25. Constantin an Valerius. Ich weiß es Freund, Du wirſt außer Dir ſein über meinen Brief, Du wirſt mich dumm, albern, ver¬ rückt nennen. Vergieb mir meine Albernheit, ich will wenigſtens wahr ſein, und Dir alles geben, was ſich mir durch den Kopf bewegt. Ich fühl' es daß ich auf einer Grenzlinie angekommen bin und plötzlich ein an¬ drer Menſch werde, ich fühl' es, daß Dir dieſer neue Menſch weniger behagen wird als der alte mit ſeinen Fehlern. Aber geſtatte mir, daß ich Euch allmählig Al¬ les, was ſich in mir bewegt, darlege. Daß ich viel¬ leicht mehrere Monate nur rhapſodiſch zu ſchreiben im Stande bin, kann Euch nicht wundern, wo ſoll ich die Ordnung hernehmen, da ich eben in eine Kriſis trete, die nach Ordnung lechzt. Die Welt mit ihrer Unordnung iſt mir plötzlich auf die Bruſt gefallen, ich will ſie allmählig herunterwerfen, Gott weiß, was mir dann übrig bleibt. Ob ich reicher oder ärmer werde! Wenn auch ärmer, ich will aufräumen. Ich glaube Dir ſchon einmal etwas Aehnliches geſchrieben zu haben, es iſt nicht daſſelbe geweſen, was ich jetzt denke, viel¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833/82
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833/82>, abgerufen am 21.11.2024.