Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

er schwelgte in diesem halbkriegerischen Triumphzuge.
Fast Alles war im Kriegskostüm, die meisten pol-
nischen Tänze wurden von den Männern mit Sporen
getanzt, und in der Polonaise fehlte auch der klir-
rende Säbel nicht. Die schlanken Gestalten, das
pulsirende Leben in den kleinsten Bewegungen, der
Glanz der Augen, das Blendende in der freien
Schönheit der lebhaften Frauen, die rauschende Mu-
sik, -- Alles das versetzte den sonst so trüben Deut-
schen in eine Art von Rausch. "Es wäre entsetz-
lich" -- wendete er sich zu Stanislaus -- "wenn
diese Nation wieder unterläge." --

Sie tanzen bis zum Grabe, erwiderte dieser mit
trauriger Stimme.

Valerius Augen folgten dem leichten Schritte der
schönen Hedwig, und wie von einem Schrecken ge-
troffen, dachte sein Herz plötzlich an Joel: "Jn
welcher dunklen Judenstube mag der Arme jetzt sitzen
mit dem alten Manasse! Welch ein düstrer Gegensatz
zu diesen in Licht und Glanz schimmernden Sälen! --
O, können sie denn nie aufhören, diese grellen Kon-
traste der bürgerlichen Gesellschaft!"

er ſchwelgte in dieſem halbkriegeriſchen Triumphzuge.
Faſt Alles war im Kriegskoſtüm, die meiſten pol-
niſchen Tänze wurden von den Männern mit Sporen
getanzt, und in der Polonaiſe fehlte auch der klir-
rende Säbel nicht. Die ſchlanken Geſtalten, das
pulſirende Leben in den kleinſten Bewegungen, der
Glanz der Augen, das Blendende in der freien
Schönheit der lebhaften Frauen, die rauſchende Mu-
ſik, — Alles das verſetzte den ſonſt ſo trüben Deut-
ſchen in eine Art von Rauſch. „Es wäre entſetz-
lich“ — wendete er ſich zu Stanislaus — „wenn
dieſe Nation wieder unterläge.“ —

Sie tanzen bis zum Grabe, erwiderte dieſer mit
trauriger Stimme.

Valerius Augen folgten dem leichten Schritte der
ſchönen Hedwig, und wie von einem Schrecken ge-
troffen, dachte ſein Herz plötzlich an Joel: „Jn
welcher dunklen Judenſtube mag der Arme jetzt ſitzen
mit dem alten Manaſſe! Welch ein düſtrer Gegenſatz
zu dieſen in Licht und Glanz ſchimmernden Sälen! —
O, können ſie denn nie aufhören, dieſe grellen Kon-
traſte der bürgerlichen Geſellſchaft!“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0167" n="157"/>
er &#x017F;chwelgte in die&#x017F;em halbkriegeri&#x017F;chen Triumphzuge.<lb/>
Fa&#x017F;t Alles war im Kriegsko&#x017F;tüm, die mei&#x017F;ten pol-<lb/>
ni&#x017F;chen Tänze wurden von den Männern mit Sporen<lb/>
getanzt, und in der Polonai&#x017F;e fehlte auch der klir-<lb/>
rende Säbel nicht. Die &#x017F;chlanken Ge&#x017F;talten, das<lb/>
pul&#x017F;irende Leben in den klein&#x017F;ten Bewegungen, der<lb/>
Glanz der Augen, das Blendende in der freien<lb/>
Schönheit der lebhaften Frauen, die rau&#x017F;chende Mu-<lb/>
&#x017F;ik, &#x2014; Alles das ver&#x017F;etzte den &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;o trüben Deut-<lb/>
&#x017F;chen in eine Art von Rau&#x017F;ch. &#x201E;Es wäre ent&#x017F;etz-<lb/>
lich&#x201C; &#x2014; wendete er &#x017F;ich zu Stanislaus &#x2014; &#x201E;wenn<lb/>
die&#x017F;e Nation wieder unterläge.&#x201C; &#x2014;</p><lb/>
          <p>Sie tanzen bis zum Grabe, erwiderte die&#x017F;er mit<lb/>
trauriger Stimme.</p><lb/>
          <p>Valerius Augen folgten dem leichten Schritte der<lb/>
&#x017F;chönen Hedwig, und wie von einem Schrecken ge-<lb/>
troffen, dachte &#x017F;ein Herz plötzlich an Joel: &#x201E;Jn<lb/>
welcher dunklen Juden&#x017F;tube mag der Arme jetzt &#x017F;itzen<lb/>
mit dem alten Mana&#x017F;&#x017F;e! Welch ein dü&#x017F;trer Gegen&#x017F;atz<lb/>
zu die&#x017F;en in Licht und Glanz &#x017F;chimmernden Sälen! &#x2014;<lb/>
O, können &#x017F;ie denn nie aufhören, die&#x017F;e grellen Kon-<lb/>
tra&#x017F;te der bürgerlichen Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft!&#x201C;</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[157/0167] er ſchwelgte in dieſem halbkriegeriſchen Triumphzuge. Faſt Alles war im Kriegskoſtüm, die meiſten pol- niſchen Tänze wurden von den Männern mit Sporen getanzt, und in der Polonaiſe fehlte auch der klir- rende Säbel nicht. Die ſchlanken Geſtalten, das pulſirende Leben in den kleinſten Bewegungen, der Glanz der Augen, das Blendende in der freien Schönheit der lebhaften Frauen, die rauſchende Mu- ſik, — Alles das verſetzte den ſonſt ſo trüben Deut- ſchen in eine Art von Rauſch. „Es wäre entſetz- lich“ — wendete er ſich zu Stanislaus — „wenn dieſe Nation wieder unterläge.“ — Sie tanzen bis zum Grabe, erwiderte dieſer mit trauriger Stimme. Valerius Augen folgten dem leichten Schritte der ſchönen Hedwig, und wie von einem Schrecken ge- troffen, dachte ſein Herz plötzlich an Joel: „Jn welcher dunklen Judenſtube mag der Arme jetzt ſitzen mit dem alten Manaſſe! Welch ein düſtrer Gegenſatz zu dieſen in Licht und Glanz ſchimmernden Sälen! — O, können ſie denn nie aufhören, dieſe grellen Kon- traſte der bürgerlichen Geſellſchaft!“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837/167
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837/167>, abgerufen am 04.12.2024.