Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

tiefer allmählig seine Ueberzeugung Wurzel geschlagen
hatte, so fehlte ihm doch in kritischen Momenten
jener schwärmerische Fanatismus, der alle Zweifel
überflügelt und mit bunten Farben die blasse Wirk-
lichkeit übertüncht. Jenes begeisternde Element
Alexanders des Großen ging ihm ab, was dieser
von seiner exaltirten Mutter Olympia geerbt hatte.

Man erzählt von dieser, daß sie die mildeste
unter den Frauen gewesen sei, welche mit aufge-
lös'tem Haar und brennenden Fackeln und Augen
in dunkler Nacht zum Opfer der Götter schritten.
Jn der Nacht, bevor sie Alexander empfing, hatte
sie geträumt, Jupiters Blitz schlüge in ihren Schooß.

Dieser Blitz des Jupiter, der die zweifellosen
Helden und Verbrecher schafft, der Blitz des Fana-
tismus, fehlte dem Valerius. Sein Wesen war fern
von der schwanken Unentschlossenheit, von dem charak-
terlosen Umhertappen. Es war eben im Gegentheil
zu viel Charakter in ihm, als daß er hätte gerade
fortschreiten können, ohne wiederholt zu prüfen; es
war zu viel Humanität in ihm, als daß eine ent-
schiedene, unerschütterliche Feindschaft in seinem
Herzen hätte entstehen können. Die Humanität

tiefer allmählig ſeine Ueberzeugung Wurzel geſchlagen
hatte, ſo fehlte ihm doch in kritiſchen Momenten
jener ſchwärmeriſche Fanatismus, der alle Zweifel
überflügelt und mit bunten Farben die blaſſe Wirk-
lichkeit übertüncht. Jenes begeiſternde Element
Alexanders des Großen ging ihm ab, was dieſer
von ſeiner exaltirten Mutter Olympia geerbt hatte.

Man erzählt von dieſer, daß ſie die mildeſte
unter den Frauen geweſen ſei, welche mit aufge-
löſ’tem Haar und brennenden Fackeln und Augen
in dunkler Nacht zum Opfer der Götter ſchritten.
Jn der Nacht, bevor ſie Alexander empfing, hatte
ſie geträumt, Jupiters Blitz ſchlüge in ihren Schooß.

Dieſer Blitz des Jupiter, der die zweifelloſen
Helden und Verbrecher ſchafft, der Blitz des Fana-
tismus, fehlte dem Valerius. Sein Weſen war fern
von der ſchwanken Unentſchloſſenheit, von dem charak-
terloſen Umhertappen. Es war eben im Gegentheil
zu viel Charakter in ihm, als daß er hätte gerade
fortſchreiten können, ohne wiederholt zu prüfen; es
war zu viel Humanität in ihm, als daß eine ent-
ſchiedene, unerſchütterliche Feindſchaft in ſeinem
Herzen hätte entſtehen können. Die Humanität

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0065" n="55"/>
tiefer allmählig &#x017F;eine Ueberzeugung Wurzel ge&#x017F;chlagen<lb/>
hatte, &#x017F;o fehlte ihm doch in kriti&#x017F;chen Momenten<lb/>
jener &#x017F;chwärmeri&#x017F;che Fanatismus, der alle Zweifel<lb/>
überflügelt und mit bunten Farben die bla&#x017F;&#x017F;e Wirk-<lb/>
lichkeit übertüncht. Jenes begei&#x017F;ternde Element<lb/>
Alexanders des Großen ging ihm ab, was die&#x017F;er<lb/>
von &#x017F;einer exaltirten Mutter Olympia geerbt hatte.</p><lb/>
          <p>Man erzählt von die&#x017F;er, daß &#x017F;ie die milde&#x017F;te<lb/>
unter den Frauen gewe&#x017F;en &#x017F;ei, welche mit aufge-<lb/>&#x017F;&#x2019;tem Haar und brennenden Fackeln und Augen<lb/>
in dunkler Nacht zum Opfer der Götter &#x017F;chritten.<lb/>
Jn der Nacht, bevor &#x017F;ie Alexander empfing, hatte<lb/>
&#x017F;ie geträumt, Jupiters Blitz &#x017F;chlüge in ihren Schooß.</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;er Blitz des Jupiter, der die zweifello&#x017F;en<lb/>
Helden und Verbrecher &#x017F;chafft, der Blitz des Fana-<lb/>
tismus, fehlte dem Valerius. Sein We&#x017F;en war fern<lb/>
von der &#x017F;chwanken Unent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enheit, von dem charak-<lb/>
terlo&#x017F;en Umhertappen. Es war eben im Gegentheil<lb/>
zu viel Charakter in ihm, als daß er hätte gerade<lb/>
fort&#x017F;chreiten können, ohne wiederholt zu prüfen; es<lb/>
war zu viel Humanität in ihm, als daß eine ent-<lb/>
&#x017F;chiedene, uner&#x017F;chütterliche Feind&#x017F;chaft in &#x017F;einem<lb/>
Herzen hätte ent&#x017F;tehen können. Die Humanität<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[55/0065] tiefer allmählig ſeine Ueberzeugung Wurzel geſchlagen hatte, ſo fehlte ihm doch in kritiſchen Momenten jener ſchwärmeriſche Fanatismus, der alle Zweifel überflügelt und mit bunten Farben die blaſſe Wirk- lichkeit übertüncht. Jenes begeiſternde Element Alexanders des Großen ging ihm ab, was dieſer von ſeiner exaltirten Mutter Olympia geerbt hatte. Man erzählt von dieſer, daß ſie die mildeſte unter den Frauen geweſen ſei, welche mit aufge- löſ’tem Haar und brennenden Fackeln und Augen in dunkler Nacht zum Opfer der Götter ſchritten. Jn der Nacht, bevor ſie Alexander empfing, hatte ſie geträumt, Jupiters Blitz ſchlüge in ihren Schooß. Dieſer Blitz des Jupiter, der die zweifelloſen Helden und Verbrecher ſchafft, der Blitz des Fana- tismus, fehlte dem Valerius. Sein Weſen war fern von der ſchwanken Unentſchloſſenheit, von dem charak- terloſen Umhertappen. Es war eben im Gegentheil zu viel Charakter in ihm, als daß er hätte gerade fortſchreiten können, ohne wiederholt zu prüfen; es war zu viel Humanität in ihm, als daß eine ent- ſchiedene, unerſchütterliche Feindſchaft in ſeinem Herzen hätte entſtehen können. Die Humanität

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837/65
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837/65>, abgerufen am 04.12.2024.