Als die Ruhe wiederkam, und ich mich umsah, da graute mir vor diesem neuen Wesen in Frank- reich. Die Lüge hatte den Kampfplatz behauptet, in lauter Täuschungen ließ sich das leichtsinnige, thörichte Volk herumschaukeln, und es schnitt mir durch's Herz, wenn ich den Jubel ansah, welchen sie beim Anblick ihres neuen Königs erhoben. Dieser Bürgerkönig Ludwig Philipp ist der größte Reprä- sentant unsrer jetzigen Tage, Gott geb' es, nicht der neuen Zeit. Er ist wirklich der Held einer Durch- gangsepoche, welche die Winde beflügeln mögen, und man darf ihm den Ruhm einer gewissen Größe nicht versagen. Er hat nicht nur das alte Bour- bonenthum, und Alles, was um und dran war, bezwungen, nicht nur die Jakobiner unterworfen, sondern allen Liberalismus bewältiget. Man kann ihn Ludwig den Vierzehnten des neuen Jahrhunderts nennen: jener hat die Aristokratie gestürzt und ward der Abgott des Adels, dieser hat die Demokratie unterdrückt und heißt der Bürgerkönig. Er besitzt alle Eigenschaften, die zu einem Helden dieser neu- sten Art nöthig sind, er ist klug, sehr klug, und zwar beinahe so klug als Talleyrand, denn er hat's
Als die Ruhe wiederkam, und ich mich umſah, da graute mir vor dieſem neuen Weſen in Frank- reich. Die Lüge hatte den Kampfplatz behauptet, in lauter Täuſchungen ließ ſich das leichtſinnige, thörichte Volk herumſchaukeln, und es ſchnitt mir durch’s Herz, wenn ich den Jubel anſah, welchen ſie beim Anblick ihres neuen Königs erhoben. Dieſer Bürgerkönig Ludwig Philipp iſt der größte Reprä- ſentant unſrer jetzigen Tage, Gott geb’ es, nicht der neuen Zeit. Er iſt wirklich der Held einer Durch- gangsepoche, welche die Winde beflügeln mögen, und man darf ihm den Ruhm einer gewiſſen Größe nicht verſagen. Er hat nicht nur das alte Bour- bonenthum, und Alles, was um und dran war, bezwungen, nicht nur die Jakobiner unterworfen, ſondern allen Liberalismus bewältiget. Man kann ihn Ludwig den Vierzehnten des neuen Jahrhunderts nennen: jener hat die Ariſtokratie geſtürzt und ward der Abgott des Adels, dieſer hat die Demokratie unterdrückt und heißt der Bürgerkönig. Er beſitzt alle Eigenſchaften, die zu einem Helden dieſer neu- ſten Art nöthig ſind, er iſt klug, ſehr klug, und zwar beinahe ſo klug als Talleyrand, denn er hat’s
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Als die Ruhe wiederkam, und ich mich umſah,
da graute mir vor dieſem neuen Weſen in Frank-
reich. Die Lüge hatte den Kampfplatz behauptet,
in lauter Täuſchungen ließ ſich das leichtſinnige,
thörichte Volk herumſchaukeln, und es ſchnitt mir
durch’s Herz, wenn ich den Jubel anſah, welchen
ſie beim Anblick ihres neuen Königs erhoben. Dieſer
Bürgerkönig Ludwig Philipp iſt der größte Reprä-
ſentant unſrer jetzigen Tage, Gott geb’ es, nicht der
neuen Zeit. Er iſt wirklich der Held einer Durch-
gangsepoche, welche die Winde beflügeln mögen, und
man darf ihm den Ruhm einer gewiſſen Größe
nicht verſagen. Er hat nicht nur das alte Bour-
bonenthum, und Alles, was um und dran war,
bezwungen, nicht nur die Jakobiner unterworfen,
ſondern allen Liberalismus bewältiget. Man kann
ihn Ludwig den Vierzehnten des neuen Jahrhunderts
nennen: jener hat die Ariſtokratie geſtürzt und ward
der Abgott des Adels, dieſer hat die Demokratie
unterdrückt und heißt der Bürgerkönig. Er beſitzt
alle Eigenſchaften, die zu einem Helden dieſer neu-
ſten Art nöthig ſind, er iſt klug, ſehr klug, und
zwar beinahe ſo klug als Talleyrand, denn er hat’s
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/15>, abgerufen am 03.12.2024.
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