gen! Wer nie gefangen saß, der weiß es nicht zu schätzen, was Menschennähe sagen will. Jch liege jetzt den größten Theil des Tages auf meinem Bett, das Gesicht nach unten kehrend, weil ich in dieser Stellung, so unbequem sie auf die Länge ist, mei- nen Nachbar am Besten verstehen kann. Der Glück- liche hat drei Bücher, den Faust, Dr. Katzenberger's Badereise und die Gerichtsordnung seiner Heimath; er hat die Sachen schon fünfmal durchgelesen, und beginnt jetzt den sechsten Kursus, aber es ist doch ein Anhalt an gegebene Dinge, und der ist von so großem Werthe, wie es jener Punkt war, den Ar- chimedes außerhalb der Erde und seiner Umgebung suchte, um den Erdball in eine andre Bewegung zu setzen. Er lies't mir vor, und obwohl die Wand Manches verschlingt, und in je zwei Minuten eine Pause eintreten muß, wenn die Wache vorüber- schreitet, so genieß ich doch Manches davon. Frei- lich müssen wir sehr aufpassen, daß nicht einer der Wärter oder Aufseher nahen kann, ohne daß wir's bemerken, denn sonst hat unsre Herrlichkeit schnell ein Ende. Wir sind aber schon so eingeübt, wie ein Paar Wilde, die durch die stillen Urwälder
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gen! Wer nie gefangen ſaß, der weiß es nicht zu ſchätzen, was Menſchennähe ſagen will. Jch liege jetzt den größten Theil des Tages auf meinem Bett, das Geſicht nach unten kehrend, weil ich in dieſer Stellung, ſo unbequem ſie auf die Länge iſt, mei- nen Nachbar am Beſten verſtehen kann. Der Glück- liche hat drei Bücher, den Fauſt, Dr. Katzenberger’s Badereiſe und die Gerichtsordnung ſeiner Heimath; er hat die Sachen ſchon fünfmal durchgeleſen, und beginnt jetzt den ſechsten Kurſus, aber es iſt doch ein Anhalt an gegebene Dinge, und der iſt von ſo großem Werthe, wie es jener Punkt war, den Ar- chimedes außerhalb der Erde und ſeiner Umgebung ſuchte, um den Erdball in eine andre Bewegung zu ſetzen. Er lieſ’t mir vor, und obwohl die Wand Manches verſchlingt, und in je zwei Minuten eine Pauſe eintreten muß, wenn die Wache vorüber- ſchreitet, ſo genieß ich doch Manches davon. Frei- lich müſſen wir ſehr aufpaſſen, daß nicht einer der Wärter oder Aufſeher nahen kann, ohne daß wir’s bemerken, denn ſonſt hat unſre Herrlichkeit ſchnell ein Ende. Wir ſind aber ſchon ſo eingeübt, wie ein Paar Wilde, die durch die ſtillen Urwälder
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gen! Wer nie gefangen ſaß, der weiß es nicht zu
ſchätzen, was Menſchennähe ſagen will. Jch liege
jetzt den größten Theil des Tages auf meinem Bett,
das Geſicht nach unten kehrend, weil ich in dieſer
Stellung, ſo unbequem ſie auf die Länge iſt, mei-
nen Nachbar am Beſten verſtehen kann. Der Glück-
liche hat drei Bücher, den Fauſt, Dr. Katzenberger’s
Badereiſe und die Gerichtsordnung ſeiner Heimath;
er hat die Sachen ſchon fünfmal durchgeleſen, und
beginnt jetzt den ſechsten Kurſus, aber es iſt doch
ein Anhalt an gegebene Dinge, und der iſt von ſo
großem Werthe, wie es jener Punkt war, den Ar-
chimedes außerhalb der Erde und ſeiner Umgebung
ſuchte, um den Erdball in eine andre Bewegung
zu ſetzen. Er lieſ’t mir vor, und obwohl die Wand
Manches verſchlingt, und in je zwei Minuten eine
Pauſe eintreten muß, wenn die Wache vorüber-
ſchreitet, ſo genieß ich doch Manches davon. Frei-
lich müſſen wir ſehr aufpaſſen, daß nicht einer der
Wärter oder Aufſeher nahen kann, ohne daß wir’s
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ein Ende. Wir ſind aber ſchon ſo eingeübt, wie
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/153>, abgerufen am 31.10.2024.
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