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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837.

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losen öden Formeln herrscht ein tyrannischer Fana-
tismus, wie ihn die Puritaner für ihr Holz und
ihr Leder nur haben konnten. Die Puritaner hatten
aber doch wenigstens den Kampf für sich, den Kampf
auf Leben und Tod, als Vermittelung zum Fanatis-
mus, jetzt erhitzt man sich förmlich nur für die
dürre Ruthe. Und dies ist Atmosphäre des ganzen
Landes, des freisten Landes von Europa, was mir
entgegentritt wie eine große, traurige Dorfschule,
in welcher der abgeschabte Präceptor seinen Stock
schwingt, daß alle Köpfe scheu und stumm nach
dem Boden gesenkt werden und kein Laut sich reget.
Ein Sonntag hier in England hat das Ansehn, als
ob Bann und Jnterdikt auf der Erde lastete, furcht-
same Stille schleicht über Straße und Feld und
Wald, der Wind erschreckt, wenn er Blätter bewegt,
die trübe, neblige Luft kommt zu Hilfe, daß ich
meine in Dante's Hölle zu wandeln und Deine
traurigen Gefängnißworte zu hören: "Laßt draußen
die Hoffnung!"

Jst das jener Gott, welcher die Sonne ge-
schaffen, den lustigen Wald, das springende Reh,
den jubelnden Vogel, die Schönheit und die Freude?!

loſen oͤden Formeln herrſcht ein tyranniſcher Fana-
tismus, wie ihn die Puritaner fuͤr ihr Holz und
ihr Leder nur haben konnten. Die Puritaner hatten
aber doch wenigſtens den Kampf fuͤr ſich, den Kampf
auf Leben und Tod, als Vermittelung zum Fanatis-
mus, jetzt erhitzt man ſich foͤrmlich nur fuͤr die
duͤrre Ruthe. Und dies iſt Atmoſphaͤre des ganzen
Landes, des freiſten Landes von Europa, was mir
entgegentritt wie eine große, traurige Dorfſchule,
in welcher der abgeſchabte Praͤceptor ſeinen Stock
ſchwingt, daß alle Koͤpfe ſcheu und ſtumm nach
dem Boden geſenkt werden und kein Laut ſich reget.
Ein Sonntag hier in England hat das Anſehn, als
ob Bann und Jnterdikt auf der Erde laſtete, furcht-
ſame Stille ſchleicht uͤber Straße und Feld und
Wald, der Wind erſchreckt, wenn er Blaͤtter bewegt,
die truͤbe, neblige Luft kommt zu Hilfe, daß ich
meine in Dante’s Hoͤlle zu wandeln und Deine
traurigen Gefaͤngnißworte zu hoͤren: „Laßt draußen
die Hoffnung!“

Jſt das jener Gott, welcher die Sonne ge-
ſchaffen, den luſtigen Wald, das ſpringende Reh,
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[205/0213] loſen oͤden Formeln herrſcht ein tyranniſcher Fana- tismus, wie ihn die Puritaner fuͤr ihr Holz und ihr Leder nur haben konnten. Die Puritaner hatten aber doch wenigſtens den Kampf fuͤr ſich, den Kampf auf Leben und Tod, als Vermittelung zum Fanatis- mus, jetzt erhitzt man ſich foͤrmlich nur fuͤr die duͤrre Ruthe. Und dies iſt Atmoſphaͤre des ganzen Landes, des freiſten Landes von Europa, was mir entgegentritt wie eine große, traurige Dorfſchule, in welcher der abgeſchabte Praͤceptor ſeinen Stock ſchwingt, daß alle Koͤpfe ſcheu und ſtumm nach dem Boden geſenkt werden und kein Laut ſich reget. Ein Sonntag hier in England hat das Anſehn, als ob Bann und Jnterdikt auf der Erde laſtete, furcht- ſame Stille ſchleicht uͤber Straße und Feld und Wald, der Wind erſchreckt, wenn er Blaͤtter bewegt, die truͤbe, neblige Luft kommt zu Hilfe, daß ich meine in Dante’s Hoͤlle zu wandeln und Deine traurigen Gefaͤngnißworte zu hoͤren: „Laßt draußen die Hoffnung!“ Jſt das jener Gott, welcher die Sonne ge- ſchaffen, den luſtigen Wald, das ſpringende Reh, den jubelnden Vogel, die Schoͤnheit und die Freude?!

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/213>, abgerufen am 26.11.2024.