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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837.

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von ihm, um in freier, rascher Bewegung Luft zu
schöpfen, ich ließ ein Pferd satteln und jagte um-
her bis tief in den Abend hinein.

Das hatte die wildeste Eifersucht von Neuem
in ihm erweckt: sein Gedanke war, ich könnte bei
Miß Mary sein, er ergreift eine Waffe, und eilt
nach den Zimmern der Meerseite, wo die Mädchen
wohnen, er dringt unbemerkt bis an ihre Gemächer,
er hört Anna und Mary sprechen; sie sind allein;
beruhigt schleicht er zurück in den Saal, da hört
er vom andern Eingange desselben die Lady kom-
men, um keinen Preis der Welt will er gesehen
sein, die Thür nach den Zimmern der Mädchen
hin ist noch offen, der Verdacht, die Jndiskretion,
dieser ganze Sittenbruch, ein Engländer empfindet
ihn wie eine Todsünde. Aber es ist kein Ausweg
übrig als durch die große Fensterthür nach dem
Meere, sie ist einige Ellen hoch von bergendem
Holze, hinter welchem man sich niederkauern kann
auf der schmalen Steinplatte, die draußen über dem
Meere hängt; die Nacht ist dunkel. Er ergreift
hastig diesen Ausweg und zieht die Thür leise an
sich, ohne sie in's Schloß zu werfen, denn wenn

von ihm, um in freier, raſcher Bewegung Luft zu
ſchöpfen, ich ließ ein Pferd ſatteln und jagte um-
her bis tief in den Abend hinein.

Das hatte die wildeſte Eiferſucht von Neuem
in ihm erweckt: ſein Gedanke war, ich könnte bei
Miß Mary ſein, er ergreift eine Waffe, und eilt
nach den Zimmern der Meerſeite, wo die Mädchen
wohnen, er dringt unbemerkt bis an ihre Gemächer,
er hört Anna und Mary ſprechen; ſie ſind allein;
beruhigt ſchleicht er zurück in den Saal, da hört
er vom andern Eingange deſſelben die Lady kom-
men, um keinen Preis der Welt will er geſehen
ſein, die Thür nach den Zimmern der Mädchen
hin iſt noch offen, der Verdacht, die Jndiskretion,
dieſer ganze Sittenbruch, ein Engländer empfindet
ihn wie eine Todſünde. Aber es iſt kein Ausweg
übrig als durch die große Fenſterthür nach dem
Meere, ſie iſt einige Ellen hoch von bergendem
Holze, hinter welchem man ſich niederkauern kann
auf der ſchmalen Steinplatte, die draußen über dem
Meere hängt; die Nacht iſt dunkel. Er ergreift
haſtig dieſen Ausweg und zieht die Thür leiſe an
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[236/0244] von ihm, um in freier, raſcher Bewegung Luft zu ſchöpfen, ich ließ ein Pferd ſatteln und jagte um- her bis tief in den Abend hinein. Das hatte die wildeſte Eiferſucht von Neuem in ihm erweckt: ſein Gedanke war, ich könnte bei Miß Mary ſein, er ergreift eine Waffe, und eilt nach den Zimmern der Meerſeite, wo die Mädchen wohnen, er dringt unbemerkt bis an ihre Gemächer, er hört Anna und Mary ſprechen; ſie ſind allein; beruhigt ſchleicht er zurück in den Saal, da hört er vom andern Eingange deſſelben die Lady kom- men, um keinen Preis der Welt will er geſehen ſein, die Thür nach den Zimmern der Mädchen hin iſt noch offen, der Verdacht, die Jndiskretion, dieſer ganze Sittenbruch, ein Engländer empfindet ihn wie eine Todſünde. Aber es iſt kein Ausweg übrig als durch die große Fenſterthür nach dem Meere, ſie iſt einige Ellen hoch von bergendem Holze, hinter welchem man ſich niederkauern kann auf der ſchmalen Steinplatte, die draußen über dem Meere hängt; die Nacht iſt dunkel. Er ergreift haſtig dieſen Ausweg und zieht die Thür leiſe an ſich, ohne ſie in’s Schloß zu werfen, denn wenn

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/244>, abgerufen am 23.11.2024.