Möge hie und da ein einzelner Mensch Deiner Gattung übrig bleiben, wie man für Wissenschaft und Kunst eine Urpflanze, ein Urgeschöpf aufbewahrt, um stets ein ächtes Bild vor sich zu haben, wor- nach die Ausbildung geregelt werde; möge einem Geiste wie dem meinigen noch oft eine Erquickung, ein Spekulationswecker aufstehen in einem Menschen wie Du, in einem theilnahmsvollen Verhältnisse, wie zwischen uns -- aber die civilisirte Welt muß Dich vernichten, wie ganze Gegenden ausziehn, um einen Wolf zu erlegen. Fahre wohl! Jch werde Deiner gedenken, und zwar mit einer Liebe, wie ich sie vielleicht allein auf der Welt für Dich haben kann, weil ich allein Deine innerlichste Menschen- bedeutung erkenne.
Wundre Dich nicht, beklage Dich nicht! Wer keine Beschränkung duldet, der duldet auch keine Liebe; Du vereinsamst Dich für Deine Lust, und so wirst Du auch vereinsamt und vogelfrei für jeden Schützen, der auf Dich zielen will, so vereinsamst Du Dich auch zum Tode. Fahre wohl! Jch sehe Dich einsam erschlagen am Meeresstrande eines fernen Welttheils liegen; Deine zornige Seele ringt sich
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Möge hie und da ein einzelner Menſch Deiner Gattung übrig bleiben, wie man für Wiſſenſchaft und Kunſt eine Urpflanze, ein Urgeſchöpf aufbewahrt, um ſtets ein ächtes Bild vor ſich zu haben, wor- nach die Ausbildung geregelt werde; möge einem Geiſte wie dem meinigen noch oft eine Erquickung, ein Spekulationswecker aufſtehen in einem Menſchen wie Du, in einem theilnahmsvollen Verhältniſſe, wie zwiſchen uns — aber die civiliſirte Welt muß Dich vernichten, wie ganze Gegenden ausziehn, um einen Wolf zu erlegen. Fahre wohl! Jch werde Deiner gedenken, und zwar mit einer Liebe, wie ich ſie vielleicht allein auf der Welt für Dich haben kann, weil ich allein Deine innerlichſte Menſchen- bedeutung erkenne.
Wundre Dich nicht, beklage Dich nicht! Wer keine Beſchränkung duldet, der duldet auch keine Liebe; Du vereinſamſt Dich für Deine Luſt, und ſo wirſt Du auch vereinſamt und vogelfrei für jeden Schützen, der auf Dich zielen will, ſo vereinſamſt Du Dich auch zum Tode. Fahre wohl! Jch ſehe Dich einſam erſchlagen am Meeresſtrande eines fernen Welttheils liegen; Deine zornige Seele ringt ſich
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Möge hie und da ein einzelner Menſch Deiner
Gattung übrig bleiben, wie man für Wiſſenſchaft
und Kunſt eine Urpflanze, ein Urgeſchöpf aufbewahrt,
um ſtets ein ächtes Bild vor ſich zu haben, wor-
nach die Ausbildung geregelt werde; möge einem
Geiſte wie dem meinigen noch oft eine Erquickung,
ein Spekulationswecker aufſtehen in einem Menſchen
wie Du, in einem theilnahmsvollen Verhältniſſe,
wie zwiſchen uns — aber die civiliſirte Welt muß
Dich vernichten, wie ganze Gegenden ausziehn, um
einen Wolf zu erlegen. Fahre wohl! Jch werde
Deiner gedenken, und zwar mit einer Liebe, wie
ich ſie vielleicht allein auf der Welt für Dich haben
kann, weil ich allein Deine innerlichſte Menſchen-
bedeutung erkenne.
Wundre Dich nicht, beklage Dich nicht! Wer
keine Beſchränkung duldet, der duldet auch keine
Liebe; Du vereinſamſt Dich für Deine Luſt, und
ſo wirſt Du auch vereinſamt und vogelfrei für jeden
Schützen, der auf Dich zielen will, ſo vereinſamſt
Du Dich auch zum Tode. Fahre wohl! Jch ſehe
Dich einſam erſchlagen am Meeresſtrande eines fernen
Welttheils liegen; Deine zornige Seele ringt ſich
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/257>, abgerufen am 22.11.2024.
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