Frau und Tochter eines reichen, vornehmen Advoka- ten von Waelen. Die Familie ist sehr angesehn und rühmt sich mit spanischen Granden vermischt zu sein. Leopold hatte mich mit seiner schnellen Gewandtheit unter dem alten spanischen Namen vorgestellt, den ich seit Jahren beinahe vergessen hatte. Der gute Junge dachte nicht daran, wie dieser klangvolle Name ihm gefährlich werden könne. Er empfahl mich so vortrefflich bei dieser Familie, daß ich in wenig Tagen ein hochangesehener Hausfreund war. Frau van Wae- len ist dreißig Jahr alt und eine strotzende flamän- dische Schönheit von hohem, vollem Wuchse, feu- rigem Auge, sie ist schweigsamen und dennoch inner- lich lebhaften Temperamentes. Die besten, üppigsten Formen für einen Rubens, eine Frau für Prome- nade, Haus und Bett, wie sie ein Advokat nur wünschen kann. Stolz auf sich selbst, eitel auf ihre Tochter kommt sie in die wunderliche Verlegenheit, ob sie die nahenden Liebhaber sich oder der Tochter wünschen soll. Denn Herr van Waelen ist ein lan- ger, trockner Gesell mit einem buschigen Backenbarte, seiner einzigen Schönheit. Es war wirklich ein ganz neues Element, in dem ich mich beim Eintritte in
Frau und Tochter eines reichen, vornehmen Advoka- ten von Waelen. Die Familie iſt ſehr angeſehn und rühmt ſich mit ſpaniſchen Granden vermiſcht zu ſein. Leopold hatte mich mit ſeiner ſchnellen Gewandtheit unter dem alten ſpaniſchen Namen vorgeſtellt, den ich ſeit Jahren beinahe vergeſſen hatte. Der gute Junge dachte nicht daran, wie dieſer klangvolle Name ihm gefährlich werden könne. Er empfahl mich ſo vortrefflich bei dieſer Familie, daß ich in wenig Tagen ein hochangeſehener Hausfreund war. Frau van Wae- len iſt dreißig Jahr alt und eine ſtrotzende flamän- diſche Schönheit von hohem, vollem Wuchſe, feu- rigem Auge, ſie iſt ſchweigſamen und dennoch inner- lich lebhaften Temperamentes. Die beſten, üppigſten Formen für einen Rubens, eine Frau für Prome- nade, Haus und Bett, wie ſie ein Advokat nur wünſchen kann. Stolz auf ſich ſelbſt, eitel auf ihre Tochter kommt ſie in die wunderliche Verlegenheit, ob ſie die nahenden Liebhaber ſich oder der Tochter wünſchen ſoll. Denn Herr van Waelen iſt ein lan- ger, trockner Geſell mit einem buſchigen Backenbarte, ſeiner einzigen Schönheit. Es war wirklich ein ganz neues Element, in dem ich mich beim Eintritte in
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0026"n="18"/>
Frau und Tochter eines reichen, vornehmen Advoka-<lb/>
ten von Waelen. Die Familie iſt ſehr angeſehn und<lb/>
rühmt ſich mit ſpaniſchen Granden vermiſcht zu ſein.<lb/>
Leopold hatte mich mit ſeiner ſchnellen Gewandtheit<lb/>
unter dem alten ſpaniſchen Namen vorgeſtellt, den<lb/>
ich ſeit Jahren beinahe vergeſſen hatte. Der gute<lb/>
Junge dachte nicht daran, wie dieſer klangvolle Name<lb/>
ihm gefährlich werden könne. Er empfahl mich ſo<lb/>
vortrefflich bei dieſer Familie, daß ich in wenig Tagen<lb/>
ein hochangeſehener Hausfreund war. Frau van Wae-<lb/>
len iſt dreißig Jahr alt und eine ſtrotzende flamän-<lb/>
diſche Schönheit von hohem, vollem Wuchſe, feu-<lb/>
rigem Auge, ſie iſt ſchweigſamen und dennoch inner-<lb/>
lich lebhaften Temperamentes. Die beſten, üppigſten<lb/>
Formen für einen Rubens, eine Frau für Prome-<lb/>
nade, Haus und Bett, wie ſie ein Advokat nur<lb/>
wünſchen kann. Stolz auf ſich ſelbſt, eitel auf ihre<lb/>
Tochter kommt ſie in die wunderliche Verlegenheit,<lb/>
ob ſie die nahenden Liebhaber ſich oder der Tochter<lb/>
wünſchen ſoll. Denn Herr van Waelen iſt ein lan-<lb/>
ger, trockner Geſell mit einem buſchigen Backenbarte,<lb/>ſeiner einzigen Schönheit. Es war wirklich ein ganz<lb/>
neues Element, in dem ich mich beim Eintritte in<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[18/0026]
Frau und Tochter eines reichen, vornehmen Advoka-
ten von Waelen. Die Familie iſt ſehr angeſehn und
rühmt ſich mit ſpaniſchen Granden vermiſcht zu ſein.
Leopold hatte mich mit ſeiner ſchnellen Gewandtheit
unter dem alten ſpaniſchen Namen vorgeſtellt, den
ich ſeit Jahren beinahe vergeſſen hatte. Der gute
Junge dachte nicht daran, wie dieſer klangvolle Name
ihm gefährlich werden könne. Er empfahl mich ſo
vortrefflich bei dieſer Familie, daß ich in wenig Tagen
ein hochangeſehener Hausfreund war. Frau van Wae-
len iſt dreißig Jahr alt und eine ſtrotzende flamän-
diſche Schönheit von hohem, vollem Wuchſe, feu-
rigem Auge, ſie iſt ſchweigſamen und dennoch inner-
lich lebhaften Temperamentes. Die beſten, üppigſten
Formen für einen Rubens, eine Frau für Prome-
nade, Haus und Bett, wie ſie ein Advokat nur
wünſchen kann. Stolz auf ſich ſelbſt, eitel auf ihre
Tochter kommt ſie in die wunderliche Verlegenheit,
ob ſie die nahenden Liebhaber ſich oder der Tochter
wünſchen ſoll. Denn Herr van Waelen iſt ein lan-
ger, trockner Geſell mit einem buſchigen Backenbarte,
ſeiner einzigen Schönheit. Es war wirklich ein ganz
neues Element, in dem ich mich beim Eintritte in
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/26>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.