Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

mich in ein grünes, stilles Thal gerettet; aber ich
bin auch verarmt; mein Herz ist nicht erkaltet,
aber es hüpft nicht mehr, kein Blick, keine Hoff-
nung entzündet es mehr, ich baue mir eine neue
Welt, wie traurig ist das! Die Menschen, die
ich gewinne, wissen nichts von meiner untergegan-
genen Welt, sie sind neu für mich, die kennen nur
den kahlen Valerius, der von vorne anfängt, die
tausend Klammern gemeinschaftlicher Geschichte feh-
len uns, ich bin ein Besuch. Gott weiß es, wenn
man nicht großes Glück hat, so ist das Leben
schwer, schwer.

Und doch bin ich still-heiter, wenn ich nicht
Deiner gedenke, wenn ich nicht an Dich schreibe.

Mein Besitzthum gedeiht, die Leute suchen mich,
mein Haus wächs't und seine Ecken werden weich
-- ja, Freund, ich gestehe mir's selbst, manches
Philisterkorn fängt schon an, in mir zu wuchern.
Retten will ich, so lange ich's vermag, aber die
Ursache, die Ursache ist so herb, und ich fürchte,
es ist ihr nicht mehr abzuhelfen: ich kann nicht
mehr lieben! Jene Bewegung und Theilnahme,
ohne daß gefragt wurde, warum? jenes Wachsthum

mich in ein grünes, ſtilles Thal gerettet; aber ich
bin auch verarmt; mein Herz iſt nicht erkaltet,
aber es hüpft nicht mehr, kein Blick, keine Hoff-
nung entzündet es mehr, ich baue mir eine neue
Welt, wie traurig iſt das! Die Menſchen, die
ich gewinne, wiſſen nichts von meiner untergegan-
genen Welt, ſie ſind neu für mich, die kennen nur
den kahlen Valerius, der von vorne anfängt, die
tauſend Klammern gemeinſchaftlicher Geſchichte feh-
len uns, ich bin ein Beſuch. Gott weiß es, wenn
man nicht großes Glück hat, ſo iſt das Leben
ſchwer, ſchwer.

Und doch bin ich ſtill-heiter, wenn ich nicht
Deiner gedenke, wenn ich nicht an Dich ſchreibe.

Mein Beſitzthum gedeiht, die Leute ſuchen mich,
mein Haus wächſ’t und ſeine Ecken werden weich
— ja, Freund, ich geſtehe mir’s ſelbſt, manches
Philiſterkorn fängt ſchon an, in mir zu wuchern.
Retten will ich, ſo lange ich’s vermag, aber die
Urſache, die Urſache iſt ſo herb, und ich fürchte,
es iſt ihr nicht mehr abzuhelfen: ich kann nicht
mehr lieben! Jene Bewegung und Theilnahme,
ohne daß gefragt wurde, warum? jenes Wachsthum

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0286" n="278"/>
mich in ein grünes, &#x017F;tilles Thal gerettet; aber ich<lb/>
bin auch verarmt; mein Herz i&#x017F;t nicht erkaltet,<lb/>
aber es hüpft nicht mehr, kein Blick, keine Hoff-<lb/>
nung entzündet es mehr, ich baue mir eine neue<lb/>
Welt, wie traurig i&#x017F;t das! Die Men&#x017F;chen, die<lb/>
ich gewinne, wi&#x017F;&#x017F;en nichts von meiner untergegan-<lb/>
genen Welt, &#x017F;ie &#x017F;ind neu für mich, die kennen nur<lb/>
den kahlen Valerius, der von vorne anfängt, die<lb/>
tau&#x017F;end Klammern gemein&#x017F;chaftlicher Ge&#x017F;chichte feh-<lb/>
len uns, ich bin ein Be&#x017F;uch. Gott weiß es, wenn<lb/>
man nicht großes Glück hat, &#x017F;o i&#x017F;t das Leben<lb/>
&#x017F;chwer, &#x017F;chwer.</p><lb/>
          <p>Und doch bin ich &#x017F;till-heiter, wenn ich nicht<lb/>
Deiner gedenke, wenn ich nicht an Dich &#x017F;chreibe.</p><lb/>
          <p>Mein Be&#x017F;itzthum gedeiht, die Leute &#x017F;uchen mich,<lb/>
mein Haus wäch&#x017F;&#x2019;t und &#x017F;eine Ecken werden weich<lb/>
&#x2014; ja, Freund, ich ge&#x017F;tehe mir&#x2019;s &#x017F;elb&#x017F;t, manches<lb/>
Phili&#x017F;terkorn fängt &#x017F;chon an, in mir zu wuchern.<lb/>
Retten will ich, &#x017F;o lange ich&#x2019;s vermag, aber die<lb/>
Ur&#x017F;ache, die Ur&#x017F;ache i&#x017F;t &#x017F;o herb, und ich fürchte,<lb/>
es i&#x017F;t ihr nicht mehr abzuhelfen: ich kann nicht<lb/>
mehr lieben! Jene Bewegung und Theilnahme,<lb/>
ohne daß gefragt wurde, warum? jenes Wachsthum<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[278/0286] mich in ein grünes, ſtilles Thal gerettet; aber ich bin auch verarmt; mein Herz iſt nicht erkaltet, aber es hüpft nicht mehr, kein Blick, keine Hoff- nung entzündet es mehr, ich baue mir eine neue Welt, wie traurig iſt das! Die Menſchen, die ich gewinne, wiſſen nichts von meiner untergegan- genen Welt, ſie ſind neu für mich, die kennen nur den kahlen Valerius, der von vorne anfängt, die tauſend Klammern gemeinſchaftlicher Geſchichte feh- len uns, ich bin ein Beſuch. Gott weiß es, wenn man nicht großes Glück hat, ſo iſt das Leben ſchwer, ſchwer. Und doch bin ich ſtill-heiter, wenn ich nicht Deiner gedenke, wenn ich nicht an Dich ſchreibe. Mein Beſitzthum gedeiht, die Leute ſuchen mich, mein Haus wächſ’t und ſeine Ecken werden weich — ja, Freund, ich geſtehe mir’s ſelbſt, manches Philiſterkorn fängt ſchon an, in mir zu wuchern. Retten will ich, ſo lange ich’s vermag, aber die Urſache, die Urſache iſt ſo herb, und ich fürchte, es iſt ihr nicht mehr abzuhelfen: ich kann nicht mehr lieben! Jene Bewegung und Theilnahme, ohne daß gefragt wurde, warum? jenes Wachsthum

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/286
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/286>, abgerufen am 22.11.2024.