mich in ein grünes, stilles Thal gerettet; aber ich bin auch verarmt; mein Herz ist nicht erkaltet, aber es hüpft nicht mehr, kein Blick, keine Hoff- nung entzündet es mehr, ich baue mir eine neue Welt, wie traurig ist das! Die Menschen, die ich gewinne, wissen nichts von meiner untergegan- genen Welt, sie sind neu für mich, die kennen nur den kahlen Valerius, der von vorne anfängt, die tausend Klammern gemeinschaftlicher Geschichte feh- len uns, ich bin ein Besuch. Gott weiß es, wenn man nicht großes Glück hat, so ist das Leben schwer, schwer.
Und doch bin ich still-heiter, wenn ich nicht Deiner gedenke, wenn ich nicht an Dich schreibe.
Mein Besitzthum gedeiht, die Leute suchen mich, mein Haus wächs't und seine Ecken werden weich -- ja, Freund, ich gestehe mir's selbst, manches Philisterkorn fängt schon an, in mir zu wuchern. Retten will ich, so lange ich's vermag, aber die Ursache, die Ursache ist so herb, und ich fürchte, es ist ihr nicht mehr abzuhelfen: ich kann nicht mehr lieben! Jene Bewegung und Theilnahme, ohne daß gefragt wurde, warum? jenes Wachsthum
mich in ein grünes, ſtilles Thal gerettet; aber ich bin auch verarmt; mein Herz iſt nicht erkaltet, aber es hüpft nicht mehr, kein Blick, keine Hoff- nung entzündet es mehr, ich baue mir eine neue Welt, wie traurig iſt das! Die Menſchen, die ich gewinne, wiſſen nichts von meiner untergegan- genen Welt, ſie ſind neu für mich, die kennen nur den kahlen Valerius, der von vorne anfängt, die tauſend Klammern gemeinſchaftlicher Geſchichte feh- len uns, ich bin ein Beſuch. Gott weiß es, wenn man nicht großes Glück hat, ſo iſt das Leben ſchwer, ſchwer.
Und doch bin ich ſtill-heiter, wenn ich nicht Deiner gedenke, wenn ich nicht an Dich ſchreibe.
Mein Beſitzthum gedeiht, die Leute ſuchen mich, mein Haus wächſ’t und ſeine Ecken werden weich — ja, Freund, ich geſtehe mir’s ſelbſt, manches Philiſterkorn fängt ſchon an, in mir zu wuchern. Retten will ich, ſo lange ich’s vermag, aber die Urſache, die Urſache iſt ſo herb, und ich fürchte, es iſt ihr nicht mehr abzuhelfen: ich kann nicht mehr lieben! Jene Bewegung und Theilnahme, ohne daß gefragt wurde, warum? jenes Wachsthum
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mich in ein grünes, ſtilles Thal gerettet; aber ich
bin auch verarmt; mein Herz iſt nicht erkaltet,
aber es hüpft nicht mehr, kein Blick, keine Hoff-
nung entzündet es mehr, ich baue mir eine neue
Welt, wie traurig iſt das! Die Menſchen, die
ich gewinne, wiſſen nichts von meiner untergegan-
genen Welt, ſie ſind neu für mich, die kennen nur
den kahlen Valerius, der von vorne anfängt, die
tauſend Klammern gemeinſchaftlicher Geſchichte feh-
len uns, ich bin ein Beſuch. Gott weiß es, wenn
man nicht großes Glück hat, ſo iſt das Leben
ſchwer, ſchwer.
Und doch bin ich ſtill-heiter, wenn ich nicht
Deiner gedenke, wenn ich nicht an Dich ſchreibe.
Mein Beſitzthum gedeiht, die Leute ſuchen mich,
mein Haus wächſ’t und ſeine Ecken werden weich
— ja, Freund, ich geſtehe mir’s ſelbſt, manches
Philiſterkorn fängt ſchon an, in mir zu wuchern.
Retten will ich, ſo lange ich’s vermag, aber die
Urſache, die Urſache iſt ſo herb, und ich fürchte,
es iſt ihr nicht mehr abzuhelfen: ich kann nicht
mehr lieben! Jene Bewegung und Theilnahme,
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/286>, abgerufen am 22.11.2024.
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