Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite
2.
Hippolyt an Valerius.

Schreiben und sagen könnt Jhr Alles, aber ob ein
einziges Wort von aller Weisheit der Menschen wahr
ist, das weiß der Himmel. Wenn man einmal zu.
zweifeln anfängt, so muß man Alles bezweifeln. Du
weißt, es ist sonst nicht meine Sache, skeptisch zu
sein, aber wenn mir einmal solch eine Stunde kommt,
dann ist alle Welt für mich fraglich. Lieber Gott,
ist irgend ein Satz, eine Wahrheit in der Welt,
von welchen nicht auch das Gegentheil plausibel ge-
macht werden kann? Das ist ein schrecklicher Triumph
der Bildung, der immer wieder einmal deutlich her-
vortritt, wenn ein Volk seine Vollendung erreicht
zu haben glaubt, um ihm begreiflich zu machen, die
Welt sei mehr als unser Geist. Jn diesen letzten

2.
Hippolyt an Valerius.

Schreiben und ſagen könnt Jhr Alles, aber ob ein
einziges Wort von aller Weisheit der Menſchen wahr
iſt, das weiß der Himmel. Wenn man einmal zu.
zweifeln anfängt, ſo muß man Alles bezweifeln. Du
weißt, es iſt ſonſt nicht meine Sache, ſkeptiſch zu
ſein, aber wenn mir einmal ſolch eine Stunde kommt,
dann iſt alle Welt für mich fraglich. Lieber Gott,
iſt irgend ein Satz, eine Wahrheit in der Welt,
von welchen nicht auch das Gegentheil plauſibel ge-
macht werden kann? Das iſt ein ſchrecklicher Triumph
der Bildung, der immer wieder einmal deutlich her-
vortritt, wenn ein Volk ſeine Vollendung erreicht
zu haben glaubt, um ihm begreiflich zu machen, die
Welt ſei mehr als unſer Geiſt. Jn dieſen letzten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0029" n="[21]"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#fr">2.<lb/>
Hippolyt an Valerius.</hi> </head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">S</hi>chreiben und &#x017F;agen könnt Jhr Alles, aber ob ein<lb/>
einziges Wort von aller Weisheit der Men&#x017F;chen wahr<lb/>
i&#x017F;t, das weiß der Himmel. Wenn man einmal zu.<lb/>
zweifeln anfängt, &#x017F;o muß man Alles bezweifeln. Du<lb/>
weißt, es i&#x017F;t &#x017F;on&#x017F;t nicht meine Sache, &#x017F;kepti&#x017F;ch zu<lb/>
&#x017F;ein, aber wenn mir einmal &#x017F;olch eine Stunde kommt,<lb/>
dann i&#x017F;t alle Welt für mich fraglich. Lieber Gott,<lb/>
i&#x017F;t irgend ein Satz, eine Wahrheit in der Welt,<lb/>
von welchen nicht auch das Gegentheil plau&#x017F;ibel ge-<lb/>
macht werden kann? Das i&#x017F;t ein &#x017F;chrecklicher Triumph<lb/>
der Bildung, der immer wieder einmal deutlich her-<lb/>
vortritt, wenn ein Volk &#x017F;eine Vollendung erreicht<lb/>
zu haben glaubt, um ihm begreiflich zu machen, die<lb/>
Welt &#x017F;ei mehr als un&#x017F;er Gei&#x017F;t. Jn die&#x017F;en letzten<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[21]/0029] 2. Hippolyt an Valerius. Schreiben und ſagen könnt Jhr Alles, aber ob ein einziges Wort von aller Weisheit der Menſchen wahr iſt, das weiß der Himmel. Wenn man einmal zu. zweifeln anfängt, ſo muß man Alles bezweifeln. Du weißt, es iſt ſonſt nicht meine Sache, ſkeptiſch zu ſein, aber wenn mir einmal ſolch eine Stunde kommt, dann iſt alle Welt für mich fraglich. Lieber Gott, iſt irgend ein Satz, eine Wahrheit in der Welt, von welchen nicht auch das Gegentheil plauſibel ge- macht werden kann? Das iſt ein ſchrecklicher Triumph der Bildung, der immer wieder einmal deutlich her- vortritt, wenn ein Volk ſeine Vollendung erreicht zu haben glaubt, um ihm begreiflich zu machen, die Welt ſei mehr als unſer Geiſt. Jn dieſen letzten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/29
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. [21]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/29>, abgerufen am 29.04.2024.