Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

und suchte den Boden, seinem Lieblingsthiere, dem
muthigen Rosse, wich er scheu aus dem Wege. Ach!
Es war ein trüber regnerischer Tag, als ich mein
Herz so bewegt fühlte vor Mitleid und Weh, daß
ich zu ihm hinantrat, meinen Schleier zurückschlug,
und sagte: Hippolyt, ich bin versöhnt, kann ich
Dir helfen, kann ich Dich trösten? Er schrack zu-
sammen, dann nahm er meine Hand, küßte sie,
und es fielen Thränen darauf, vielleicht die einzigen,
welche er in seinem Leben geweint hat. Es war
später Nachmittag, die Arbeiter kehrten heim, plötz-
lich drang Geschrei aus einem Zugange der nahen
Stadt, ein Neger stürzte wie ein Pfeil heraus, eine
Schaar Weißer hinter ihm drein; der Schwarze
hatte den Vorsprung, und flog wie ein Hirsch dem
nahen Wäldchen zu, schon war er dicht daran, da
fielen zwei, drei Schüsse, der arme Flüchtling sprang
hoch in die Höhe, dann stürzte er lang hin an den
Boden. Mit wildem Freudengeschrei stürzte die
immer größer werdende Menge nach dem Opfer hin,
an uns vorüber. Mit Entsetzen erkannte ich unter
denen, die ein Gewehr trugen, was noch rauchte,
Tallon, den Verhaßten. Jch warf eilig meinen

und ſuchte den Boden, ſeinem Lieblingsthiere, dem
muthigen Roſſe, wich er ſcheu aus dem Wege. Ach!
Es war ein trüber regneriſcher Tag, als ich mein
Herz ſo bewegt fühlte vor Mitleid und Weh, daß
ich zu ihm hinantrat, meinen Schleier zurückſchlug,
und ſagte: Hippolyt, ich bin verſöhnt, kann ich
Dir helfen, kann ich Dich tröſten? Er ſchrack zu-
ſammen, dann nahm er meine Hand, küßte ſie,
und es fielen Thränen darauf, vielleicht die einzigen,
welche er in ſeinem Leben geweint hat. Es war
ſpäter Nachmittag, die Arbeiter kehrten heim, plötz-
lich drang Geſchrei aus einem Zugange der nahen
Stadt, ein Neger ſtürzte wie ein Pfeil heraus, eine
Schaar Weißer hinter ihm drein; der Schwarze
hatte den Vorſprung, und flog wie ein Hirſch dem
nahen Wäldchen zu, ſchon war er dicht daran, da
fielen zwei, drei Schüſſe, der arme Flüchtling ſprang
hoch in die Höhe, dann ſtürzte er lang hin an den
Boden. Mit wildem Freudengeſchrei ſtürzte die
immer größer werdende Menge nach dem Opfer hin,
an uns vorüber. Mit Entſetzen erkannte ich unter
denen, die ein Gewehr trugen, was noch rauchte,
Tallon, den Verhaßten. Jch warf eilig meinen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0294" n="286"/>
und &#x017F;uchte den Boden, &#x017F;einem Lieblingsthiere, dem<lb/>
muthigen Ro&#x017F;&#x017F;e, wich er &#x017F;cheu aus dem Wege. Ach!<lb/>
Es war ein trüber regneri&#x017F;cher Tag, als ich mein<lb/>
Herz &#x017F;o bewegt fühlte vor Mitleid und Weh, daß<lb/>
ich zu ihm hinantrat, meinen Schleier zurück&#x017F;chlug,<lb/>
und &#x017F;agte: Hippolyt, ich bin ver&#x017F;öhnt, kann ich<lb/>
Dir helfen, kann ich Dich trö&#x017F;ten? Er &#x017F;chrack zu-<lb/>
&#x017F;ammen, dann nahm er meine Hand, küßte &#x017F;ie,<lb/>
und es fielen Thränen darauf, vielleicht die einzigen,<lb/>
welche er in &#x017F;einem Leben geweint hat. Es war<lb/>
&#x017F;päter Nachmittag, die Arbeiter kehrten heim, plötz-<lb/>
lich drang Ge&#x017F;chrei aus einem Zugange der nahen<lb/>
Stadt, ein Neger &#x017F;türzte wie ein Pfeil heraus, eine<lb/>
Schaar Weißer hinter ihm drein; der Schwarze<lb/>
hatte den Vor&#x017F;prung, und flog wie ein Hir&#x017F;ch dem<lb/>
nahen Wäldchen zu, &#x017F;chon war er dicht daran, da<lb/>
fielen zwei, drei Schü&#x017F;&#x017F;e, der arme Flüchtling &#x017F;prang<lb/>
hoch in die Höhe, dann &#x017F;türzte er lang hin an den<lb/>
Boden. Mit wildem Freudenge&#x017F;chrei &#x017F;türzte die<lb/>
immer größer werdende Menge nach dem Opfer hin,<lb/>
an uns vorüber. Mit Ent&#x017F;etzen erkannte ich unter<lb/>
denen, die ein Gewehr trugen, was noch rauchte,<lb/>
Tallon, den Verhaßten. Jch warf eilig meinen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[286/0294] und ſuchte den Boden, ſeinem Lieblingsthiere, dem muthigen Roſſe, wich er ſcheu aus dem Wege. Ach! Es war ein trüber regneriſcher Tag, als ich mein Herz ſo bewegt fühlte vor Mitleid und Weh, daß ich zu ihm hinantrat, meinen Schleier zurückſchlug, und ſagte: Hippolyt, ich bin verſöhnt, kann ich Dir helfen, kann ich Dich tröſten? Er ſchrack zu- ſammen, dann nahm er meine Hand, küßte ſie, und es fielen Thränen darauf, vielleicht die einzigen, welche er in ſeinem Leben geweint hat. Es war ſpäter Nachmittag, die Arbeiter kehrten heim, plötz- lich drang Geſchrei aus einem Zugange der nahen Stadt, ein Neger ſtürzte wie ein Pfeil heraus, eine Schaar Weißer hinter ihm drein; der Schwarze hatte den Vorſprung, und flog wie ein Hirſch dem nahen Wäldchen zu, ſchon war er dicht daran, da fielen zwei, drei Schüſſe, der arme Flüchtling ſprang hoch in die Höhe, dann ſtürzte er lang hin an den Boden. Mit wildem Freudengeſchrei ſtürzte die immer größer werdende Menge nach dem Opfer hin, an uns vorüber. Mit Entſetzen erkannte ich unter denen, die ein Gewehr trugen, was noch rauchte, Tallon, den Verhaßten. Jch warf eilig meinen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/294
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/294>, abgerufen am 22.11.2024.