in die Brust getroffen stürzte der stolze Leib Hippolyt's nieder, mit furchtbarem Geheul schlug die Menge über ihm zusammen. --
Es war Abend geworden, als sich die Rotte zerstreut hatte, der Regen goß, der schöne Leib Hippolyt's war zertreten, und nur an den Kleider- fetzen war er vom nackten Negerleichnam zu unter- scheiden. Jch habe die ganze Nacht bei ihm gesessen und geweint, dort, die Raubvögel scheuchend von seinen verstümmelten Resten, hab' ich's wie Dolch- stiche empfunden, daß ich ihn geliebt habe bis zur Raserei, auch da, wo ich ihn morden wollte.
Jch werde in die Wälder hinüber gehn. Kann solch ein großes Menschenbild nicht bestehen in dieser Welt, was thut's, ob ein verloren Mädchen unter den Weißen oder unter den Rothhäuten oder in der Einsamkeit zu Grunde geht -- Klöster giebt's nicht mehr, aber der Urwald ist noch nicht besiegt, dort ist noch Raum zum Sterben.
in die Bruſt getroffen ſtürzte der ſtolze Leib Hippolyt’s nieder, mit furchtbarem Geheul ſchlug die Menge über ihm zuſammen. —
Es war Abend geworden, als ſich die Rotte zerſtreut hatte, der Regen goß, der ſchöne Leib Hippolyt’s war zertreten, und nur an den Kleider- fetzen war er vom nackten Negerleichnam zu unter- ſcheiden. Jch habe die ganze Nacht bei ihm geſeſſen und geweint, dort, die Raubvögel ſcheuchend von ſeinen verſtümmelten Reſten, hab’ ich’s wie Dolch- ſtiche empfunden, daß ich ihn geliebt habe bis zur Raſerei, auch da, wo ich ihn morden wollte.
Jch werde in die Wälder hinüber gehn. Kann ſolch ein großes Menſchenbild nicht beſtehen in dieſer Welt, was thut’s, ob ein verloren Mädchen unter den Weißen oder unter den Rothhäuten oder in der Einſamkeit zu Grunde geht — Klöſter giebt’s nicht mehr, aber der Urwald iſt noch nicht beſiegt, dort iſt noch Raum zum Sterben.
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in die Bruſt getroffen ſtürzte der ſtolze Leib Hippolyt’s
nieder, mit furchtbarem Geheul ſchlug die Menge
über ihm zuſammen. —
Es war Abend geworden, als ſich die Rotte
zerſtreut hatte, der Regen goß, der ſchöne Leib
Hippolyt’s war zertreten, und nur an den Kleider-
fetzen war er vom nackten Negerleichnam zu unter-
ſcheiden. Jch habe die ganze Nacht bei ihm geſeſſen
und geweint, dort, die Raubvögel ſcheuchend von
ſeinen verſtümmelten Reſten, hab’ ich’s wie Dolch-
ſtiche empfunden, daß ich ihn geliebt habe bis zur
Raſerei, auch da, wo ich ihn morden wollte.
Jch werde in die Wälder hinüber gehn. Kann
ſolch ein großes Menſchenbild nicht beſtehen in dieſer
Welt, was thut’s, ob ein verloren Mädchen unter
den Weißen oder unter den Rothhäuten oder in der
Einſamkeit zu Grunde geht — Klöſter giebt’s nicht
mehr, aber der Urwald iſt noch nicht beſiegt, dort
iſt noch Raum zum Sterben.
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/296>, abgerufen am 22.11.2024.
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