tation eintritt; es ist über das ganze Mädchen noch jener lockende Höhenduft des Lebensmorgens ausge- gossen, wie man ihn auf fernen, ersehnten Bergen liegen sieht, daß ich dies süße Kind nur mit einer wohlthuenden Sehnsucht erblicken kann, mit einer Sehnsucht von so wunderlichem Gemisch, wie sie mir eigentlich fremd ist. Von jenem keuschen, un- schuldsvollen Element, was die Teutschen oft im Munde führen, und was auch gewiß nur ächt germanisch ist, mag etwas dabei sein; von meinen innigen, tiefen Liebesgedanken zu meinem gestorbenen Engel Desdemona regt sich auch wohl etwas in mir, wenn mich Margaretha mit ihren dunkelblauen Augen vertrauensvoll anblickt. Aber es sind doch Alles dies nur Theile und Anfänge, das unwiderstehliche Etwas, welches keine Wahl mehr überläßt, jenes psychische Mysterium der Liebe fehlt noch. Und so ist es immer nur ein beglückendes Wohlbehagen, was ich an der Seite des Mädchens empfinde, aber wenn ich mich ihm eine Stunde hingebe, dann sehe ich recht, wie dem Kinde die Flügel wachsen, und es wird das blaue Auge glänzender, und Wort und Wesen kühner, ich bemerke ein Wetterleuchten an
tation eintritt; es iſt über das ganze Mädchen noch jener lockende Höhenduft des Lebensmorgens ausge- goſſen, wie man ihn auf fernen, erſehnten Bergen liegen ſieht, daß ich dies ſüße Kind nur mit einer wohlthuenden Sehnſucht erblicken kann, mit einer Sehnſucht von ſo wunderlichem Gemiſch, wie ſie mir eigentlich fremd iſt. Von jenem keuſchen, un- ſchuldsvollen Element, was die Teutſchen oft im Munde führen, und was auch gewiß nur ächt germaniſch iſt, mag etwas dabei ſein; von meinen innigen, tiefen Liebesgedanken zu meinem geſtorbenen Engel Desdemona regt ſich auch wohl etwas in mir, wenn mich Margaretha mit ihren dunkelblauen Augen vertrauensvoll anblickt. Aber es ſind doch Alles dies nur Theile und Anfänge, das unwiderſtehliche Etwas, welches keine Wahl mehr überläßt, jenes pſychiſche Myſterium der Liebe fehlt noch. Und ſo iſt es immer nur ein beglückendes Wohlbehagen, was ich an der Seite des Mädchens empfinde, aber wenn ich mich ihm eine Stunde hingebe, dann ſehe ich recht, wie dem Kinde die Flügel wachſen, und es wird das blaue Auge glänzender, und Wort und Weſen kühner, ich bemerke ein Wetterleuchten an
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tation eintritt; es iſt über das ganze Mädchen noch
jener lockende Höhenduft des Lebensmorgens ausge-
goſſen, wie man ihn auf fernen, erſehnten Bergen
liegen ſieht, daß ich dies ſüße Kind nur mit einer
wohlthuenden Sehnſucht erblicken kann, mit einer
Sehnſucht von ſo wunderlichem Gemiſch, wie ſie
mir eigentlich fremd iſt. Von jenem keuſchen, un-
ſchuldsvollen Element, was die Teutſchen oft im
Munde führen, und was auch gewiß nur ächt
germaniſch iſt, mag etwas dabei ſein; von meinen
innigen, tiefen Liebesgedanken zu meinem geſtorbenen
Engel Desdemona regt ſich auch wohl etwas in mir,
wenn mich Margaretha mit ihren dunkelblauen Augen
vertrauensvoll anblickt. Aber es ſind doch Alles
dies nur Theile und Anfänge, das unwiderſtehliche
Etwas, welches keine Wahl mehr überläßt, jenes
pſychiſche Myſterium der Liebe fehlt noch. Und ſo
iſt es immer nur ein beglückendes Wohlbehagen,
was ich an der Seite des Mädchens empfinde, aber
wenn ich mich ihm eine Stunde hingebe, dann ſehe
ich recht, wie dem Kinde die Flügel wachſen, und
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/52>, abgerufen am 22.11.2024.
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