Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

im Wagen zu sein und diesen lockenden Leib zu
küssen. Eine magere Brüsselerin, die viel mehr
Spitzen als Reiz bei sich trug, tippte meiner Dame
den Nacken an, und belehrte sie lächelnd, daß an
der Schultereinfassung hinten etwas zerrissen wäre,
ihre Kammerjungfer müsse sehr leidenschaftlich sein.

Ja, Wertheste, das ist sie, erwiderte lächelnd
meine Dame, und wir gingen, dem Zuschnitte der
Gesellschaft nach ungewöhnlich früh; aber die Zeit
war lang bis zum andern Tage und mein Blut
heiß und mein Giacomo kannte Brüssel so gut, daß
wir erst nach einer guten Stunde vor Wälens
Hause ankamen.



Morgen ist morgen, verstehst Du, nach Leopold's
Rechnung; zwischen dem Uebermorgen, wo sie nach
Waterloo fahren, liegt also noch ein Tag und eine
Nacht -- nun Adieu, der Schlaf soll mich suchen.



Jch schreibe Dir weiter nach mehrern Tagen,
und zwar aus Ostende, Angesichts des Meeres.
Höre, wie sich's begab.

im Wagen zu ſein und dieſen lockenden Leib zu
küſſen. Eine magere Brüſſelerin, die viel mehr
Spitzen als Reiz bei ſich trug, tippte meiner Dame
den Nacken an, und belehrte ſie lächelnd, daß an
der Schultereinfaſſung hinten etwas zerriſſen wäre,
ihre Kammerjungfer müſſe ſehr leidenſchaftlich ſein.

Ja, Wertheſte, das iſt ſie, erwiderte lächelnd
meine Dame, und wir gingen, dem Zuſchnitte der
Geſellſchaft nach ungewöhnlich früh; aber die Zeit
war lang bis zum andern Tage und mein Blut
heiß und mein Giacomo kannte Brüſſel ſo gut, daß
wir erſt nach einer guten Stunde vor Wälens
Hauſe ankamen.



Morgen iſt morgen, verſtehſt Du, nach Leopold’s
Rechnung; zwiſchen dem Uebermorgen, wo ſie nach
Waterloo fahren, liegt alſo noch ein Tag und eine
Nacht — nun Adieu, der Schlaf ſoll mich ſuchen.



Jch ſchreibe Dir weiter nach mehrern Tagen,
und zwar aus Oſtende, Angeſichts des Meeres.
Höre, wie ſich’s begab.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0062" n="54"/>
im Wagen zu &#x017F;ein und die&#x017F;en lockenden Leib zu<lb/>&#x017F;&#x017F;en. Eine magere Brü&#x017F;&#x017F;elerin, die viel mehr<lb/>
Spitzen als Reiz bei &#x017F;ich trug, tippte meiner Dame<lb/>
den Nacken an, und belehrte &#x017F;ie lächelnd, daß an<lb/>
der Schultereinfa&#x017F;&#x017F;ung hinten etwas zerri&#x017F;&#x017F;en wäre,<lb/>
ihre Kammerjungfer mü&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ehr leiden&#x017F;chaftlich &#x017F;ein.</p><lb/>
          <p>Ja, Werthe&#x017F;te, das i&#x017F;t &#x017F;ie, erwiderte lächelnd<lb/>
meine Dame, und wir gingen, dem Zu&#x017F;chnitte der<lb/>
Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft nach ungewöhnlich früh; aber die Zeit<lb/>
war lang bis zum andern Tage und mein Blut<lb/>
heiß und mein Giacomo kannte Brü&#x017F;&#x017F;el &#x017F;o gut, daß<lb/>
wir er&#x017F;t nach einer guten Stunde vor Wälens<lb/>
Hau&#x017F;e ankamen.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Morgen i&#x017F;t morgen, ver&#x017F;teh&#x017F;t Du, nach Leopold&#x2019;s<lb/>
Rechnung; zwi&#x017F;chen dem Uebermorgen, wo &#x017F;ie nach<lb/>
Waterloo fahren, liegt al&#x017F;o noch ein Tag und eine<lb/>
Nacht &#x2014; nun Adieu, der Schlaf &#x017F;oll mich &#x017F;uchen.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Jch &#x017F;chreibe Dir weiter nach mehrern Tagen,<lb/>
und zwar aus O&#x017F;tende, Ange&#x017F;ichts des Meeres.<lb/>
Höre, wie &#x017F;ich&#x2019;s begab.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[54/0062] im Wagen zu ſein und dieſen lockenden Leib zu küſſen. Eine magere Brüſſelerin, die viel mehr Spitzen als Reiz bei ſich trug, tippte meiner Dame den Nacken an, und belehrte ſie lächelnd, daß an der Schultereinfaſſung hinten etwas zerriſſen wäre, ihre Kammerjungfer müſſe ſehr leidenſchaftlich ſein. Ja, Wertheſte, das iſt ſie, erwiderte lächelnd meine Dame, und wir gingen, dem Zuſchnitte der Geſellſchaft nach ungewöhnlich früh; aber die Zeit war lang bis zum andern Tage und mein Blut heiß und mein Giacomo kannte Brüſſel ſo gut, daß wir erſt nach einer guten Stunde vor Wälens Hauſe ankamen. Morgen iſt morgen, verſtehſt Du, nach Leopold’s Rechnung; zwiſchen dem Uebermorgen, wo ſie nach Waterloo fahren, liegt alſo noch ein Tag und eine Nacht — nun Adieu, der Schlaf ſoll mich ſuchen. Jch ſchreibe Dir weiter nach mehrern Tagen, und zwar aus Oſtende, Angeſichts des Meeres. Höre, wie ſich’s begab.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/62
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/62>, abgerufen am 23.11.2024.