Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

Sätze, die ich noch so vom Hören-sagen hatte, und
eben darum nur halb vertheidigen konnte, aller Or-
ten vor: man widersprach mir mächtig; ich war aber
immer glücklich genug, meine Gegner in die Enge
zu treiben, und freute mich allemal in der Seele,
wenn so ein Herr Pastor nicht weiter fortkonnte,
und seine Zuflucht zu Machtsprüchen, und Schim-
pfereien nehmen mußte. Herr Pfarrer Mach-
wirth von Morschheim wurde einst über Tische
gleich nach der Suppe, so über mich erboßt, als ich
behauptete, das Hohelied des Salomo sey nichts,
als eine Sammlung von Fragmenten aus Liebeslie-
dern, und sey noch obendrein schmutziges Inhalts,
wenn man es nach unsern Zeiten betrachtete, --
daß er keinen Bissen weiter zu sich nehmen konnte:
so sehr hatte ihn der Eifer für die reine Lehre er-
griffen!

Mein Vater sah mit Vergnügen, daß ich nach
seinem Ausdruck, anfing zu erkennen, wo Barthel
Most hohlt. Er empfahl mir zugleich das Büchel-
chen des Samuel Crellius de uno Deo Patre,
welches er mir mit nach Gießen gab, das ich ihm
aber nach einigen Monaten zurückschicken mußte.
Ich habe diesem Buche wahrlich zu verdanken, daß
ich anfing, über die von der Kirche und den Theolo-
gen geheiligten Fratzen ganz anders zu denken, als
man so gewöhnlich denkt. Crellius hat das soge-

Saͤtze, die ich noch ſo vom Hoͤren-ſagen hatte, und
eben darum nur halb vertheidigen konnte, aller Or-
ten vor: man widerſprach mir maͤchtig; ich war aber
immer gluͤcklich genug, meine Gegner in die Enge
zu treiben, und freute mich allemal in der Seele,
wenn ſo ein Herr Paſtor nicht weiter fortkonnte,
und ſeine Zuflucht zu Machtſpruͤchen, und Schim-
pfereien nehmen mußte. Herr Pfarrer Mach-
wirth von Morſchheim wurde einſt uͤber Tiſche
gleich nach der Suppe, ſo uͤber mich erboßt, als ich
behauptete, das Hohelied des Salomo ſey nichts,
als eine Sammlung von Fragmenten aus Liebeslie-
dern, und ſey noch obendrein ſchmutziges Inhalts,
wenn man es nach unſern Zeiten betrachtete, —
daß er keinen Biſſen weiter zu ſich nehmen konnte:
ſo ſehr hatte ihn der Eifer fuͤr die reine Lehre er-
griffen!

Mein Vater ſah mit Vergnuͤgen, daß ich nach
ſeinem Ausdruck, anfing zu erkennen, wo Barthel
Moſt hohlt. Er empfahl mir zugleich das Buͤchel-
chen des Samuel Crellius de uno Deo Patre,
welches er mir mit nach Gießen gab, das ich ihm
aber nach einigen Monaten zuruͤckſchicken mußte.
Ich habe dieſem Buche wahrlich zu verdanken, daß
ich anfing, uͤber die von der Kirche und den Theolo-
gen geheiligten Fratzen ganz anders zu denken, als
man ſo gewoͤhnlich denkt. Crellius hat das ſoge-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0168" n="154"/>
Sa&#x0364;tze, die ich noch &#x017F;o vom Ho&#x0364;ren-&#x017F;agen hatte, und<lb/>
eben darum nur halb vertheidigen konnte, aller Or-<lb/>
ten vor: man wider&#x017F;prach mir ma&#x0364;chtig; ich war aber<lb/>
immer glu&#x0364;cklich genug, meine Gegner in die Enge<lb/>
zu treiben, und freute mich allemal in der Seele,<lb/>
wenn &#x017F;o ein Herr Pa&#x017F;tor nicht weiter fortkonnte,<lb/>
und &#x017F;eine Zuflucht zu Macht&#x017F;pru&#x0364;chen, und Schim-<lb/>
pfereien nehmen mußte. Herr Pfarrer <hi rendition="#g">Mach</hi>-<lb/><hi rendition="#g">wirth</hi> von Mor&#x017F;chheim wurde ein&#x017F;t u&#x0364;ber Ti&#x017F;che<lb/>
gleich nach der Suppe, &#x017F;o u&#x0364;ber mich erboßt, als ich<lb/>
behauptete, das Hohelied des Salomo &#x017F;ey nichts,<lb/>
als eine Sammlung von Fragmenten aus Liebeslie-<lb/>
dern, und &#x017F;ey noch obendrein &#x017F;chmutziges Inhalts,<lb/>
wenn man es nach un&#x017F;ern Zeiten betrachtete, &#x2014;<lb/>
daß er keinen Bi&#x017F;&#x017F;en weiter zu &#x017F;ich nehmen konnte:<lb/>
&#x017F;o &#x017F;ehr hatte ihn der Eifer fu&#x0364;r die reine Lehre er-<lb/>
griffen!</p><lb/>
        <p>Mein Vater &#x017F;ah mit Vergnu&#x0364;gen, daß ich nach<lb/>
&#x017F;einem Ausdruck, anfing zu erkennen, wo Barthel<lb/>
Mo&#x017F;t hohlt. Er empfahl mir zugleich das Bu&#x0364;chel-<lb/>
chen des <hi rendition="#g">Samuel Crellius</hi> <hi rendition="#aq">de uno Deo Patre,</hi><lb/>
welches er mir mit nach Gießen gab, das ich ihm<lb/>
aber nach einigen Monaten zuru&#x0364;ck&#x017F;chicken mußte.<lb/>
Ich habe die&#x017F;em Buche wahrlich zu verdanken, daß<lb/>
ich anfing, u&#x0364;ber die von der Kirche und den Theolo-<lb/>
gen geheiligten Fratzen ganz anders zu denken, als<lb/>
man &#x017F;o gewo&#x0364;hnlich denkt. <hi rendition="#g">Crellius</hi> hat das &#x017F;oge-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[154/0168] Saͤtze, die ich noch ſo vom Hoͤren-ſagen hatte, und eben darum nur halb vertheidigen konnte, aller Or- ten vor: man widerſprach mir maͤchtig; ich war aber immer gluͤcklich genug, meine Gegner in die Enge zu treiben, und freute mich allemal in der Seele, wenn ſo ein Herr Paſtor nicht weiter fortkonnte, und ſeine Zuflucht zu Machtſpruͤchen, und Schim- pfereien nehmen mußte. Herr Pfarrer Mach- wirth von Morſchheim wurde einſt uͤber Tiſche gleich nach der Suppe, ſo uͤber mich erboßt, als ich behauptete, das Hohelied des Salomo ſey nichts, als eine Sammlung von Fragmenten aus Liebeslie- dern, und ſey noch obendrein ſchmutziges Inhalts, wenn man es nach unſern Zeiten betrachtete, — daß er keinen Biſſen weiter zu ſich nehmen konnte: ſo ſehr hatte ihn der Eifer fuͤr die reine Lehre er- griffen! Mein Vater ſah mit Vergnuͤgen, daß ich nach ſeinem Ausdruck, anfing zu erkennen, wo Barthel Moſt hohlt. Er empfahl mir zugleich das Buͤchel- chen des Samuel Crellius de uno Deo Patre, welches er mir mit nach Gießen gab, das ich ihm aber nach einigen Monaten zuruͤckſchicken mußte. Ich habe dieſem Buche wahrlich zu verdanken, daß ich anfing, uͤber die von der Kirche und den Theolo- gen geheiligten Fratzen ganz anders zu denken, als man ſo gewoͤhnlich denkt. Crellius hat das ſoge-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/168
Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/168>, abgerufen am 18.05.2024.