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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792.

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hätte, welches ich weiterhin berichten werde; so
wäre ich längst Pfaffe, und Lorchen wäre meine
Frau geworden. Aber so wollte mein Misgeschick
das nicht. Und wenn ichs so recht bedenke, ärgere ich
mich auch darüber nicht. Wer weis, wie unglücklich
ich mich mit meiner Familie noch gemacht hätte!
Zum Pfaffen war ich verdorben, und würde gewiß
über kurz oder lang wegen Ketzerei seyn kassirt wor-
den. Wenn ich also im Unglück bin -- und ich bin
meiner Meinung und meiner Empfindung zu Folge
nicht ganz darin -- so bin ich allein darin.

Ich habe bei meiner Biographie gar den Zweck
nicht, dem Leser eine mitleidige Thräne abzulocken,
und dem Publikum so was vorzuwinseln: nein, mei-
ne Begebenheiten sollen nur den Beweis erneuern:
"daß man bei sehr guter Anlage und
"recht gutem Herzen ein kreuzliederli-
"cher Kerl werden und sein ganzes Glück
"ruiniren kann." Da wird nun vielleicht Man-
cher, der das ließt, vorsichtiger in der Welt handeln,
damit er nicht auch anrenne, wie ich angerennet
bin!

Der Pastor Neuner besuchte uns fleißig in
Wendelsheim, und da ich mehrmals Gelegenheit
hatte, mit ihm allein zu sprechen; so ermangelte er
nicht, mir vorzustellen, daß es bald Zeit wäre, das
große Vorhaben des Katholischwerdens auszuführen.

haͤtte, welches ich weiterhin berichten werde; ſo
waͤre ich laͤngſt Pfaffe, und Lorchen waͤre meine
Frau geworden. Aber ſo wollte mein Misgeſchick
das nicht. Und wenn ichs ſo recht bedenke, aͤrgere ich
mich auch daruͤber nicht. Wer weis, wie ungluͤcklich
ich mich mit meiner Familie noch gemacht haͤtte!
Zum Pfaffen war ich verdorben, und wuͤrde gewiß
uͤber kurz oder lang wegen Ketzerei ſeyn kaſſirt wor-
den. Wenn ich alſo im Ungluͤck bin — und ich bin
meiner Meinung und meiner Empfindung zu Folge
nicht ganz darin — ſo bin ich allein darin.

Ich habe bei meiner Biographie gar den Zweck
nicht, dem Leſer eine mitleidige Thraͤne abzulocken,
und dem Publikum ſo was vorzuwinſeln: nein, mei-
ne Begebenheiten ſollen nur den Beweis erneuern:
daß man bei ſehr guter Anlage und
recht gutem Herzen ein kreuzliederli-
cher Kerl werden und ſein ganzes Gluͤck
ruiniren kann.“ Da wird nun vielleicht Man-
cher, der das ließt, vorſichtiger in der Welt handeln,
damit er nicht auch anrenne, wie ich angerennet
bin!

Der Paſtor Neuner beſuchte uns fleißig in
Wendelsheim, und da ich mehrmals Gelegenheit
hatte, mit ihm allein zu ſprechen; ſo ermangelte er
nicht, mir vorzuſtellen, daß es bald Zeit waͤre, das
große Vorhaben des Katholiſchwerdens auszufuͤhren.

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[176/0190] haͤtte, welches ich weiterhin berichten werde; ſo waͤre ich laͤngſt Pfaffe, und Lorchen waͤre meine Frau geworden. Aber ſo wollte mein Misgeſchick das nicht. Und wenn ichs ſo recht bedenke, aͤrgere ich mich auch daruͤber nicht. Wer weis, wie ungluͤcklich ich mich mit meiner Familie noch gemacht haͤtte! Zum Pfaffen war ich verdorben, und wuͤrde gewiß uͤber kurz oder lang wegen Ketzerei ſeyn kaſſirt wor- den. Wenn ich alſo im Ungluͤck bin — und ich bin meiner Meinung und meiner Empfindung zu Folge nicht ganz darin — ſo bin ich allein darin. Ich habe bei meiner Biographie gar den Zweck nicht, dem Leſer eine mitleidige Thraͤne abzulocken, und dem Publikum ſo was vorzuwinſeln: nein, mei- ne Begebenheiten ſollen nur den Beweis erneuern: „daß man bei ſehr guter Anlage und „recht gutem Herzen ein kreuzliederli- „cher Kerl werden und ſein ganzes Gluͤck „ruiniren kann.“ Da wird nun vielleicht Man- cher, der das ließt, vorſichtiger in der Welt handeln, damit er nicht auch anrenne, wie ich angerennet bin! Der Paſtor Neuner beſuchte uns fleißig in Wendelsheim, und da ich mehrmals Gelegenheit hatte, mit ihm allein zu ſprechen; ſo ermangelte er nicht, mir vorzuſtellen, daß es bald Zeit waͤre, das große Vorhaben des Katholiſchwerdens auszufuͤhren.

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/190>, abgerufen am 18.05.2024.