sichten, und Gelehrsamkeit, Sie müssen also schon finden, daß der Verfasser, einer der größten Philo- sophen unsrer Zeit, die Sache in das schönste Licht gesezt, und eine Menge von Wahrheiten aufgestellt hat, deren Beherzigung viel gutes stiften kann.
Nun hatte ich den Herrn Rath an der Ambi- tion angegriffen: er wurde sehr sanft, und war zu- frieden, daß ich ihn versicherte, ich sey kein Freigeist, und ihm versprach, nie wieder in Wirthshäusern von der Religion zu sprechen. Ich war froh, daß ich so weg kam; auch mein Vater freute sich über den Aus- gang der Sache: denn er befürchtete schon, man möchte mir das Predigen verbieten.
Sonntags drauf muste ich in Flonheim für den Pfarrer Stuber auftreten. Da nahm ich Gelegen- heit die Gottheit Christi zu beweisen, das heist, ich schrieb alle Beweise aus Schuberts Kompendium ab, brachte sie in Form einer Predigt, und warnte am Ende meine Zuhörer vor dem im finstern schlei- chenden Gift der Freigeister. So wollten es die Umstände! --
Nach der Kirche stellte mich der Kantor, Herr Herrmannc) mein guter Freund, zur Rede: wie
c) Dieser Herrmann ist ein recht guter Musiker, oder viel- mehr der einzige Kantor in der ganzen Gegend, welcher Musik versteht. Er hat einige Klaviersonaten drucken lassen, welche den Beifall der Kenner erhalten haben.
ſichten, und Gelehrſamkeit, Sie muͤſſen alſo ſchon finden, daß der Verfaſſer, einer der groͤßten Philo- ſophen unſrer Zeit, die Sache in das ſchoͤnſte Licht geſezt, und eine Menge von Wahrheiten aufgeſtellt hat, deren Beherzigung viel gutes ſtiften kann.
Nun hatte ich den Herrn Rath an der Ambi- tion angegriffen: er wurde ſehr ſanft, und war zu- frieden, daß ich ihn verſicherte, ich ſey kein Freigeiſt, und ihm verſprach, nie wieder in Wirthshaͤuſern von der Religion zu ſprechen. Ich war froh, daß ich ſo weg kam; auch mein Vater freute ſich uͤber den Aus- gang der Sache: denn er befuͤrchtete ſchon, man moͤchte mir das Predigen verbieten.
Sonntags drauf muſte ich in Flonheim fuͤr den Pfarrer Stuber auftreten. Da nahm ich Gelegen- heit die Gottheit Chriſti zu beweiſen, das heiſt, ich ſchrieb alle Beweiſe aus Schuberts Kompendium ab, brachte ſie in Form einer Predigt, und warnte am Ende meine Zuhoͤrer vor dem im finſtern ſchlei- chenden Gift der Freigeiſter. So wollten es die Umſtaͤnde! —
Nach der Kirche ſtellte mich der Kantor, Herr Herrmannc) mein guter Freund, zur Rede: wie
c) Dieſer Herrmann iſt ein recht guter Muſiker, oder viel- mehr der einzige Kantor in der ganzen Gegend, welcher Muſik verſteht. Er hat einige Klavierſonaten drucken laſſen, welche den Beifall der Kenner erhalten haben.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0320"n="306"/>ſichten, und Gelehrſamkeit, Sie muͤſſen alſo ſchon<lb/>
finden, daß der Verfaſſer, einer der groͤßten Philo-<lb/>ſophen unſrer Zeit, die Sache in das ſchoͤnſte Licht<lb/>
geſezt, und eine Menge von Wahrheiten aufgeſtellt<lb/>
hat, deren Beherzigung viel gutes ſtiften kann.</p><lb/><p>Nun hatte ich den Herrn Rath an der Ambi-<lb/>
tion angegriffen: er wurde ſehr ſanft, und war zu-<lb/>
frieden, daß ich ihn verſicherte, ich ſey kein Freigeiſt,<lb/>
und ihm verſprach, nie wieder in Wirthshaͤuſern von<lb/>
der Religion zu ſprechen. Ich war froh, daß ich ſo<lb/>
weg kam; auch mein Vater freute ſich uͤber den Aus-<lb/>
gang der Sache: denn er befuͤrchtete ſchon, man<lb/>
moͤchte mir das Predigen verbieten.</p><lb/><p>Sonntags drauf muſte ich in Flonheim fuͤr den<lb/>
Pfarrer Stuber auftreten. Da nahm ich Gelegen-<lb/>
heit die Gottheit Chriſti zu beweiſen, das heiſt, ich<lb/>ſchrieb alle Beweiſe aus <hirendition="#g">Schuberts</hi> Kompendium<lb/>
ab, brachte ſie in Form einer Predigt, und warnte<lb/>
am Ende meine Zuhoͤrer vor dem im finſtern ſchlei-<lb/>
chenden Gift der Freigeiſter. So wollten es die<lb/>
Umſtaͤnde! —</p><lb/><p>Nach der Kirche ſtellte mich der Kantor, Herr<lb/><hirendition="#g">Herrmann</hi><noteplace="foot"n="c)">Dieſer Herrmann iſt ein recht guter Muſiker, oder viel-<lb/>
mehr der einzige Kantor in der ganzen Gegend, welcher<lb/>
Muſik verſteht. Er hat einige Klavierſonaten drucken<lb/>
laſſen, welche den Beifall der Kenner erhalten haben.</note> mein guter Freund, zur Rede: wie<lb/></p></div></body></text></TEI>
[306/0320]
ſichten, und Gelehrſamkeit, Sie muͤſſen alſo ſchon
finden, daß der Verfaſſer, einer der groͤßten Philo-
ſophen unſrer Zeit, die Sache in das ſchoͤnſte Licht
geſezt, und eine Menge von Wahrheiten aufgeſtellt
hat, deren Beherzigung viel gutes ſtiften kann.
Nun hatte ich den Herrn Rath an der Ambi-
tion angegriffen: er wurde ſehr ſanft, und war zu-
frieden, daß ich ihn verſicherte, ich ſey kein Freigeiſt,
und ihm verſprach, nie wieder in Wirthshaͤuſern von
der Religion zu ſprechen. Ich war froh, daß ich ſo
weg kam; auch mein Vater freute ſich uͤber den Aus-
gang der Sache: denn er befuͤrchtete ſchon, man
moͤchte mir das Predigen verbieten.
Sonntags drauf muſte ich in Flonheim fuͤr den
Pfarrer Stuber auftreten. Da nahm ich Gelegen-
heit die Gottheit Chriſti zu beweiſen, das heiſt, ich
ſchrieb alle Beweiſe aus Schuberts Kompendium
ab, brachte ſie in Form einer Predigt, und warnte
am Ende meine Zuhoͤrer vor dem im finſtern ſchlei-
chenden Gift der Freigeiſter. So wollten es die
Umſtaͤnde! —
Nach der Kirche ſtellte mich der Kantor, Herr
Herrmann c) mein guter Freund, zur Rede: wie
c) Dieſer Herrmann iſt ein recht guter Muſiker, oder viel-
mehr der einzige Kantor in der ganzen Gegend, welcher
Muſik verſteht. Er hat einige Klavierſonaten drucken
laſſen, welche den Beifall der Kenner erhalten haben.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/320>, abgerufen am 23.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.