Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

tenansetzung aller so genannten Religionslehren, al-
lein das für wahr halte, was er mit seiner Vernunft
in Uebereinstimmung bringen könnte. Herr Sem-
ler hatte wider dieses nichts einzuwenden; doch
meinte er, der Deismus, wie er vorläge und in
Schriften vorgetragen würde, sey mehr schädlich als
nützlich wegen des polemischen Tons, womit die
Verfechter desselben zu Werke gingen r). Spötterei
in Religionssachen wäre überall nichts: und die fän-
de man doch beinahe bei allen Deisten s).

Doch ich würde meine Leser ermüden, wenn
ich mehrere Aeusserungen dieses Mannes anbringen
wollte: für mich waren sie immer lehrreich und be-
stärkten mich in dem Gedanken, den ich schon lange
zur Grundlage meiner Religion gemacht hatte, näm-
lich, es giebt überhaupt keine göttliche unmittelbare
Offenbarung: die gewöhnlichen beruhen auf Mißver-
ständniß oder höchstens auf fanatischen Grillen; es
giebt daher auch keine Geheimnisse, keinen Gottes-
dienst nach höhern Vorschriften und keine überna-

r) Wie Unempfänglichkeit für ruhige Vernunftbelehrung
beinahe bei allen Theologen. Verschmuzte Lumpen
erfordern Lauge, um rein zu werden: und Furcht vor
beschämt oder belacht zu werden, wirkt oft mehr, als
alle Logik.
s) Wie wenn der Semlerische Ton wider die Deisten
nicht auch einen Anstrich von Polemik gehabt hätte!

tenanſetzung aller ſo genannten Religionslehren, al-
lein das fuͤr wahr halte, was er mit ſeiner Vernunft
in Uebereinſtimmung bringen koͤnnte. Herr Sem-
ler hatte wider dieſes nichts einzuwenden; doch
meinte er, der Deismus, wie er vorlaͤge und in
Schriften vorgetragen wuͤrde, ſey mehr ſchaͤdlich als
nuͤtzlich wegen des polemiſchen Tons, womit die
Verfechter deſſelben zu Werke gingen r). Spoͤtterei
in Religionsſachen waͤre uͤberall nichts: und die faͤn-
de man doch beinahe bei allen Deiſten s).

Doch ich wuͤrde meine Leſer ermuͤden, wenn
ich mehrere Aeuſſerungen dieſes Mannes anbringen
wollte: fuͤr mich waren ſie immer lehrreich und be-
ſtaͤrkten mich in dem Gedanken, den ich ſchon lange
zur Grundlage meiner Religion gemacht hatte, naͤm-
lich, es giebt uͤberhaupt keine goͤttliche unmittelbare
Offenbarung: die gewoͤhnlichen beruhen auf Mißver-
ſtaͤndniß oder hoͤchſtens auf fanatiſchen Grillen; es
giebt daher auch keine Geheimniſſe, keinen Gottes-
dienſt nach hoͤhern Vorſchriften und keine uͤberna-

r) Wie Unempfaͤnglichkeit fuͤr ruhige Vernunftbelehrung
beinahe bei allen Theologen. Verſchmuzte Lumpen
erfordern Lauge, um rein zu werden: und Furcht vor
beſchaͤmt oder belacht zu werden, wirkt oft mehr, als
alle Logik.
s) Wie wenn der Semleriſche Ton wider die Deiſten
nicht auch einen Anſtrich von Polemik gehabt haͤtte!
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0104" n="102"/>
tenan&#x017F;etzung aller &#x017F;o genannten Religionslehren, al-<lb/>
lein das fu&#x0364;r wahr halte, was er mit &#x017F;einer Vernunft<lb/>
in Ueberein&#x017F;timmung bringen ko&#x0364;nnte. Herr <hi rendition="#g">Sem</hi>-<lb/><hi rendition="#g">ler</hi> hatte wider die&#x017F;es nichts einzuwenden; doch<lb/>
meinte er, der Deismus, wie er vorla&#x0364;ge und in<lb/>
Schriften vorgetragen wu&#x0364;rde, &#x017F;ey mehr &#x017F;cha&#x0364;dlich als<lb/>
nu&#x0364;tzlich wegen des polemi&#x017F;chen Tons, womit die<lb/>
Verfechter de&#x017F;&#x017F;elben zu Werke gingen <note place="foot" n="r)">Wie Unempfa&#x0364;nglichkeit fu&#x0364;r ruhige Vernunftbelehrung<lb/>
beinahe bei allen Theologen. Ver&#x017F;chmuzte Lumpen<lb/>
erfordern Lauge, um rein zu werden: und Furcht vor<lb/>
be&#x017F;cha&#x0364;mt oder belacht zu werden, wirkt oft mehr, als<lb/>
alle Logik.</note>. Spo&#x0364;tterei<lb/>
in Religions&#x017F;achen wa&#x0364;re u&#x0364;berall nichts: und die fa&#x0364;n-<lb/>
de man doch beinahe bei allen Dei&#x017F;ten <note place="foot" n="s)">Wie wenn der Semleri&#x017F;che Ton wider die Dei&#x017F;ten<lb/>
nicht auch einen An&#x017F;trich von Polemik gehabt ha&#x0364;tte!</note>.</p><lb/>
        <p>Doch ich wu&#x0364;rde meine Le&#x017F;er ermu&#x0364;den, wenn<lb/>
ich mehrere Aeu&#x017F;&#x017F;erungen die&#x017F;es Mannes anbringen<lb/>
wollte: fu&#x0364;r mich waren &#x017F;ie immer lehrreich und be-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;rkten mich in dem Gedanken, den ich &#x017F;chon lange<lb/>
zur Grundlage meiner Religion gemacht hatte, na&#x0364;m-<lb/>
lich, es giebt u&#x0364;berhaupt keine go&#x0364;ttliche unmittelbare<lb/>
Offenbarung: die gewo&#x0364;hnlichen beruhen auf Mißver-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;ndniß oder ho&#x0364;ch&#x017F;tens auf fanati&#x017F;chen Grillen; es<lb/>
giebt daher auch keine Geheimni&#x017F;&#x017F;e, keinen Gottes-<lb/>
dien&#x017F;t nach ho&#x0364;hern Vor&#x017F;chriften und keine u&#x0364;berna-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[102/0104] tenanſetzung aller ſo genannten Religionslehren, al- lein das fuͤr wahr halte, was er mit ſeiner Vernunft in Uebereinſtimmung bringen koͤnnte. Herr Sem- ler hatte wider dieſes nichts einzuwenden; doch meinte er, der Deismus, wie er vorlaͤge und in Schriften vorgetragen wuͤrde, ſey mehr ſchaͤdlich als nuͤtzlich wegen des polemiſchen Tons, womit die Verfechter deſſelben zu Werke gingen r). Spoͤtterei in Religionsſachen waͤre uͤberall nichts: und die faͤn- de man doch beinahe bei allen Deiſten s). Doch ich wuͤrde meine Leſer ermuͤden, wenn ich mehrere Aeuſſerungen dieſes Mannes anbringen wollte: fuͤr mich waren ſie immer lehrreich und be- ſtaͤrkten mich in dem Gedanken, den ich ſchon lange zur Grundlage meiner Religion gemacht hatte, naͤm- lich, es giebt uͤberhaupt keine goͤttliche unmittelbare Offenbarung: die gewoͤhnlichen beruhen auf Mißver- ſtaͤndniß oder hoͤchſtens auf fanatiſchen Grillen; es giebt daher auch keine Geheimniſſe, keinen Gottes- dienſt nach hoͤhern Vorſchriften und keine uͤberna- r) Wie Unempfaͤnglichkeit fuͤr ruhige Vernunftbelehrung beinahe bei allen Theologen. Verſchmuzte Lumpen erfordern Lauge, um rein zu werden: und Furcht vor beſchaͤmt oder belacht zu werden, wirkt oft mehr, als alle Logik. s) Wie wenn der Semleriſche Ton wider die Deiſten nicht auch einen Anſtrich von Polemik gehabt haͤtte!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/104
Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/104>, abgerufen am 24.11.2024.