dies fand ich impertinent und als ich dem Kerl einen Filz gab, hieß es: das sey so Mode: man müsse bei ihm erst commersiren; sonst sey man noch Fuchs. -- Die Studenten, lauter Reichsländer, die zu der Zeit ihren Zug dahin hatten, sezten sich nun hin, stimmten das: "Lustig sind wir, lieben Brüder!" an und luden meinen Begleiter, den Herrn Schellenberg und mich zum Mitcommer- siren ein; aber wir hatten keine Lu[ - 2 Zeichen fehlen] Brüderschaft- Trinken konnte ich indessen nicht vermeiden. Ich muß sagen, daß dieser Commersch nach den Regeln des Jenaer Comments sehr elend war: es wurden gar Gnoten-Lieder gesungen. An Saufen aber, Schuldigbleiben und endlich nicht bezahlen, liessen die Herren Reichsländer es nicht ermangeln. Kurz, der Commersch und der Ton dieser Leute gefiel mir nicht. Die andern Landmannschaften, die Schlettau, Passendorf, Riedeburg, oder die Koffeehäuser in Halle besuchten, gefielen mir besser. Besonders ge- fielen mir die Märker. Diesen kann ich mit Wahr- heit nachrühmen, daß sie größtentheils Leute von sehr guten Grundsätzen sind. Die Ursache davon ist auch leicht einzusehen. Sie gehen meistens, ohne in ihrer frühesten Jugend, wie die Berliner Kinder selbst, durch Luxus und den Residenzien-Ton ver- hunzt zu seyn, nach Berlin auf Schulen, wo durch- aus ein guter Ton herrscht, wo Orbilismus und
dies fand ich impertinent und als ich dem Kerl einen Filz gab, hieß es: das ſey ſo Mode: man muͤſſe bei ihm erſt commerſiren; ſonſt ſey man noch Fuchs. — Die Studenten, lauter Reichslaͤnder, die zu der Zeit ihren Zug dahin hatten, ſezten ſich nun hin, ſtimmten das: „Luſtig ſind wir, lieben Bruͤder!“ an und luden meinen Begleiter, den Herrn Schellenberg und mich zum Mitcommer- ſiren ein; aber wir hatten keine Lu[ – 2 Zeichen fehlen] Bruͤderſchaft- Trinken konnte ich indeſſen nicht vermeiden. Ich muß ſagen, daß dieſer Commerſch nach den Regeln des Jenaer Comments ſehr elend war: es wurden gar Gnoten-Lieder geſungen. An Saufen aber, Schuldigbleiben und endlich nicht bezahlen, lieſſen die Herren Reichslaͤnder es nicht ermangeln. Kurz, der Commerſch und der Ton dieſer Leute gefiel mir nicht. Die andern Landmannſchaften, die Schlettau, Paſſendorf, Riedeburg, oder die Koffeehaͤuſer in Halle beſuchten, gefielen mir beſſer. Beſonders ge- fielen mir die Maͤrker. Dieſen kann ich mit Wahr- heit nachruͤhmen, daß ſie groͤßtentheils Leute von ſehr guten Grundſaͤtzen ſind. Die Urſache davon iſt auch leicht einzuſehen. Sie gehen meiſtens, ohne in ihrer fruͤheſten Jugend, wie die Berliner Kinder ſelbſt, durch Luxus und den Reſidenzien-Ton ver- hunzt zu ſeyn, nach Berlin auf Schulen, wo durch- aus ein guter Ton herrſcht, wo Orbilismus und
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0108"n="106"/>
dies fand ich impertinent und als ich dem Kerl einen<lb/>
Filz gab, hieß es: das ſey ſo Mode: man muͤſſe<lb/>
bei ihm erſt commerſiren; ſonſt ſey man noch<lb/>
Fuchs. — Die Studenten, lauter Reichslaͤnder,<lb/>
die zu der Zeit ihren Zug dahin hatten, ſezten ſich<lb/>
nun hin, ſtimmten das: „Luſtig ſind wir, lieben<lb/>
Bruͤder!“ an und luden meinen Begleiter, den<lb/>
Herrn <hirendition="#g">Schellenberg</hi> und mich zum Mitcommer-<lb/>ſiren ein; aber wir hatten keine Lu<gapunit="chars"quantity="2"/> Bruͤderſchaft-<lb/>
Trinken konnte ich indeſſen nicht vermeiden. Ich<lb/>
muß ſagen, daß dieſer Commerſch nach den Regeln<lb/>
des Jenaer Comments ſehr elend war: es wurden<lb/>
gar Gnoten-Lieder geſungen. An Saufen aber,<lb/>
Schuldigbleiben und endlich nicht bezahlen, lieſſen<lb/>
die Herren Reichslaͤnder es nicht ermangeln. Kurz,<lb/>
der Commerſch und der Ton dieſer Leute gefiel mir<lb/>
nicht. Die andern Landmannſchaften, die Schlettau,<lb/>
Paſſendorf, Riedeburg, oder die Koffeehaͤuſer in<lb/>
Halle beſuchten, gefielen mir beſſer. Beſonders ge-<lb/>
fielen mir die Maͤrker. Dieſen kann ich mit Wahr-<lb/>
heit nachruͤhmen, daß ſie groͤßtentheils Leute von<lb/>ſehr guten Grundſaͤtzen ſind. Die Urſache davon<lb/>
iſt auch leicht einzuſehen. Sie gehen meiſtens, ohne<lb/>
in ihrer fruͤheſten Jugend, wie die Berliner Kinder<lb/>ſelbſt, durch Luxus und den Reſidenzien-Ton ver-<lb/>
hunzt zu ſeyn, nach Berlin auf Schulen, wo durch-<lb/>
aus ein guter Ton herrſcht, wo Orbilismus und<lb/></p></div></body></text></TEI>
[106/0108]
dies fand ich impertinent und als ich dem Kerl einen
Filz gab, hieß es: das ſey ſo Mode: man muͤſſe
bei ihm erſt commerſiren; ſonſt ſey man noch
Fuchs. — Die Studenten, lauter Reichslaͤnder,
die zu der Zeit ihren Zug dahin hatten, ſezten ſich
nun hin, ſtimmten das: „Luſtig ſind wir, lieben
Bruͤder!“ an und luden meinen Begleiter, den
Herrn Schellenberg und mich zum Mitcommer-
ſiren ein; aber wir hatten keine Lu__ Bruͤderſchaft-
Trinken konnte ich indeſſen nicht vermeiden. Ich
muß ſagen, daß dieſer Commerſch nach den Regeln
des Jenaer Comments ſehr elend war: es wurden
gar Gnoten-Lieder geſungen. An Saufen aber,
Schuldigbleiben und endlich nicht bezahlen, lieſſen
die Herren Reichslaͤnder es nicht ermangeln. Kurz,
der Commerſch und der Ton dieſer Leute gefiel mir
nicht. Die andern Landmannſchaften, die Schlettau,
Paſſendorf, Riedeburg, oder die Koffeehaͤuſer in
Halle beſuchten, gefielen mir beſſer. Beſonders ge-
fielen mir die Maͤrker. Dieſen kann ich mit Wahr-
heit nachruͤhmen, daß ſie groͤßtentheils Leute von
ſehr guten Grundſaͤtzen ſind. Die Urſache davon
iſt auch leicht einzuſehen. Sie gehen meiſtens, ohne
in ihrer fruͤheſten Jugend, wie die Berliner Kinder
ſelbſt, durch Luxus und den Reſidenzien-Ton ver-
hunzt zu ſeyn, nach Berlin auf Schulen, wo durch-
aus ein guter Ton herrſcht, wo Orbilismus und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/108>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.