Malje, wies in Halle heist, und war froh, den Mann kennen zu lernen, welcher durch allerhand Schriften schon weit und breit bekannt war. Kind- leben hatte kein Geld: er gestand dies frei heraus; aber jeder von uns machte sich ein Vergnügen dar- aus, ihn zu bewirthen. Da kamen denn derbe Apo- strophen auf diesen und jenen zum Vorschein -- doch mit Mäßigung: denn Kindleben beklagte sich nur, und schalt und schimpfte nicht: und dergleichen macht gewaltigen Eindruck. Ich weiß nicht, ob alle Be- schwerden, die dieser unglückliche Mann vorbrachte, wahr gewesen sind -- einige waren indeß gewiß wahr: und da fiel mir jene Stelle ein aus dem Dichter --: instant morientibus ursae. Wa- rum muste der armselige Kindleben so lange hinge- halten werden, bis er beinahe Hungers starb? Er war freilich ein ausschweifender ungesitteter Mensch; aber doch immer ein Mensch. -- -- Die Sache ist ärgerlich: ich will sie daher nicht weiter berühren.
Kindleben schwebte so in der Welt herum, und hielt sich meistens im Sächsischen auf: das Saufen war sein Hauptfehler; und in der Besoffenheit be- ging er manchen Exceß. Bald verbreitete sich das Gerücht, dieser Meister der freien Künste -- wie er sich gewöhnlich nannte, sey in einem Sächsischen Dor- fe ohnweit Leipzig auf dem Mist krepirt. So un- wahrscheinlich nun auch diese Mähre war, so hatte
Malje, wies in Halle heiſt, und war froh, den Mann kennen zu lernen, welcher durch allerhand Schriften ſchon weit und breit bekannt war. Kind- leben hatte kein Geld: er geſtand dies frei heraus; aber jeder von uns machte ſich ein Vergnuͤgen dar- aus, ihn zu bewirthen. Da kamen denn derbe Apo- ſtrophen auf dieſen und jenen zum Vorſchein — doch mit Maͤßigung: denn Kindleben beklagte ſich nur, und ſchalt und ſchimpfte nicht: und dergleichen macht gewaltigen Eindruck. Ich weiß nicht, ob alle Be- ſchwerden, die dieſer ungluͤckliche Mann vorbrachte, wahr geweſen ſind — einige waren indeß gewiß wahr: und da fiel mir jene Stelle ein aus dem Dichter —: inſtant morientibus urſae. Wa- rum muſte der armſelige Kindleben ſo lange hinge- halten werden, bis er beinahe Hungers ſtarb? Er war freilich ein ausſchweifender ungeſitteter Menſch; aber doch immer ein Menſch. — — Die Sache iſt aͤrgerlich: ich will ſie daher nicht weiter beruͤhren.
Kindleben ſchwebte ſo in der Welt herum, und hielt ſich meiſtens im Saͤchſiſchen auf: das Saufen war ſein Hauptfehler; und in der Beſoffenheit be- ging er manchen Exceß. Bald verbreitete ſich das Geruͤcht, dieſer Meiſter der freien Kuͤnſte — wie er ſich gewoͤhnlich nannte, ſey in einem Saͤchſiſchen Dor- fe ohnweit Leipzig auf dem Miſt krepirt. So un- wahrſcheinlich nun auch dieſe Maͤhre war, ſo hatte
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Malje, wies in Halle heiſt, und war froh, den
Mann kennen zu lernen, welcher durch allerhand
Schriften ſchon weit und breit bekannt war. Kind-
leben hatte kein Geld: er geſtand dies frei heraus;
aber jeder von uns machte ſich ein Vergnuͤgen dar-
aus, ihn zu bewirthen. Da kamen denn derbe Apo-
ſtrophen auf dieſen und jenen zum Vorſchein — doch
mit Maͤßigung: denn Kindleben beklagte ſich nur,
und ſchalt und ſchimpfte nicht: und dergleichen macht
gewaltigen Eindruck. Ich weiß nicht, ob alle Be-
ſchwerden, die dieſer ungluͤckliche Mann vorbrachte,
wahr geweſen ſind — einige waren indeß gewiß
wahr: und da fiel mir jene Stelle ein aus dem
Dichter —: inſtant morientibus urſae. Wa-
rum muſte der armſelige Kindleben ſo lange hinge-
halten werden, bis er beinahe Hungers ſtarb? Er
war freilich ein ausſchweifender ungeſitteter Menſch;
aber doch immer ein Menſch. — — Die Sache iſt
aͤrgerlich: ich will ſie daher nicht weiter beruͤhren.
Kindleben ſchwebte ſo in der Welt herum, und
hielt ſich meiſtens im Saͤchſiſchen auf: das Saufen
war ſein Hauptfehler; und in der Beſoffenheit be-
ging er manchen Exceß. Bald verbreitete ſich das
Geruͤcht, dieſer Meiſter der freien Kuͤnſte — wie er
ſich gewoͤhnlich nannte, ſey in einem Saͤchſiſchen Dor-
fe ohnweit Leipzig auf dem Miſt krepirt. So un-
wahrſcheinlich nun auch dieſe Maͤhre war, ſo hatte
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/145>, abgerufen am 21.11.2024.
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