Den Tag vor der Disputation machte mein Bruder über meinen Umgang mit seiner Hausjung- fer einige spöttische Anmerkungen, welche mich auf- brachten, so daß es zu Bitterkeiten kam: das Ge- zänk endigte sich damit, daß er mir erklärte, er wür- de nicht opponiren. Meine Antwort hierauf war protzig; und er ging fort, schmollend. -- Früh, da der Tanz vor sich gehen sollte, schickte er mir ein Billet, worin er mir meldete, daß er allerdings op- poniren würde, entweder ordentlich, wenn ich nichts dawider hätte, oder ausserordentlich, wenn ich ihm unter den ordentlichen Opponenten keine Stelle ge- statten wollte. Ich sollte mich nur auf ganz neue Argumente gefaßt halten: denn er habe sich vorge- nommen, mich zu hecheln (carminare). Ich schrieb ihm wieder, er solle immer den dritten Platz einneh- men: seine Argumente würde ich auch schon beant- worten: davor sey mir nicht bange u. dgl.
Als wir auf die Wage kamen, war diese so voll Studenten, daß wir kaum durchkonnten: denn fast die ganze Universität kannte mich, und jeder wollte gern hören, wie ich meine Sachen machen würde. Herr D.Semler fing die Oppositionen an, und brachte einige Schlüsse vor, welche von seiner Ge- lehrsamkeit allerdings zeugten. Er machte es aber, weil ihm nicht recht wohl war, gar nicht lange. Ich hatte bei diesem Umstand die schönste Gelegenheit, öf-
Den Tag vor der Diſputation machte mein Bruder uͤber meinen Umgang mit ſeiner Hausjung- fer einige ſpoͤttiſche Anmerkungen, welche mich auf- brachten, ſo daß es zu Bitterkeiten kam: das Ge- zaͤnk endigte ſich damit, daß er mir erklaͤrte, er wuͤr- de nicht opponiren. Meine Antwort hierauf war protzig; und er ging fort, ſchmollend. — Fruͤh, da der Tanz vor ſich gehen ſollte, ſchickte er mir ein Billet, worin er mir meldete, daß er allerdings op- poniren wuͤrde, entweder ordentlich, wenn ich nichts dawider haͤtte, oder auſſerordentlich, wenn ich ihm unter den ordentlichen Opponenten keine Stelle ge- ſtatten wollte. Ich ſollte mich nur auf ganz neue Argumente gefaßt halten: denn er habe ſich vorge- nommen, mich zu hecheln (carminare). Ich ſchrieb ihm wieder, er ſolle immer den dritten Platz einneh- men: ſeine Argumente wuͤrde ich auch ſchon beant- worten: davor ſey mir nicht bange u. dgl.
Als wir auf die Wage kamen, war dieſe ſo voll Studenten, daß wir kaum durchkonnten: denn faſt die ganze Univerſitaͤt kannte mich, und jeder wollte gern hoͤren, wie ich meine Sachen machen wuͤrde. Herr D.Semler fing die Oppoſitionen an, und brachte einige Schluͤſſe vor, welche von ſeiner Ge- lehrſamkeit allerdings zeugten. Er machte es aber, weil ihm nicht recht wohl war, gar nicht lange. Ich hatte bei dieſem Umſtand die ſchoͤnſte Gelegenheit, oͤf-
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Den Tag vor der Diſputation machte mein
Bruder uͤber meinen Umgang mit ſeiner Hausjung-
fer einige ſpoͤttiſche Anmerkungen, welche mich auf-
brachten, ſo daß es zu Bitterkeiten kam: das Ge-
zaͤnk endigte ſich damit, daß er mir erklaͤrte, er wuͤr-
de nicht opponiren. Meine Antwort hierauf war
protzig; und er ging fort, ſchmollend. — Fruͤh, da
der Tanz vor ſich gehen ſollte, ſchickte er mir ein
Billet, worin er mir meldete, daß er allerdings op-
poniren wuͤrde, entweder ordentlich, wenn ich nichts
dawider haͤtte, oder auſſerordentlich, wenn ich ihm
unter den ordentlichen Opponenten keine Stelle ge-
ſtatten wollte. Ich ſollte mich nur auf ganz neue
Argumente gefaßt halten: denn er habe ſich vorge-
nommen, mich zu hecheln (carminare). Ich ſchrieb
ihm wieder, er ſolle immer den dritten Platz einneh-
men: ſeine Argumente wuͤrde ich auch ſchon beant-
worten: davor ſey mir nicht bange u. dgl.
Als wir auf die Wage kamen, war dieſe ſo voll
Studenten, daß wir kaum durchkonnten: denn faſt
die ganze Univerſitaͤt kannte mich, und jeder wollte
gern hoͤren, wie ich meine Sachen machen wuͤrde.
Herr D. Semler fing die Oppoſitionen an, und
brachte einige Schluͤſſe vor, welche von ſeiner Ge-
lehrſamkeit allerdings zeugten. Er machte es aber,
weil ihm nicht recht wohl war, gar nicht lange. Ich
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/170>, abgerufen am 21.11.2024.
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