nanntes Curriculum Vitä aufgesetzt, und Herr Sch*** hatte es wohl an funfzehn Stellen verbes- sert, weil es nicht ächt ciceronianisch abgefaßt wäre. Dies ärgerte mich, und ich beschloß, dem Kritiker einen Possen zu spielen. Ich stellte mich also, als hielt ich ihn für einen Mann, der den Geist des Cicero neun und neunzigfach inne hätte, und un- terwarf Einiges seiner Kritik. Das freute dem Ci- [ - 2 Zeichen fehlen]roner so sehr, daß er mich mit lateinisirender Sal- baderei fürchterlich quälte, und mir da ein langes und breites von der ciceronischen Wortstellung herschwazte, wovon er ein Buch schreiben wollte. Ich übersetzte endlich ein Stück aus Cicero's Bu- che von der Natur p) der Götter, schrieb Cicero's Latein darneben, und gab mein Geschreibsel dem Herrn Sch***, um seine Censur zu vernehmen. Herr Sch*** korrigirte den Text des Cicero an mehr als dreißig Stellen, und gab mir ihn so wie- der. Ich versuchte es, meine Constructionen in Gegenwart mehrerer Studenten als ciceronisch zu vertheidigen; aber vergebens: Sch*** wollte und mußte recht haben. Endlich holte ich meinen Cicero aus der Tasche, und zeigte ihm, daß er den Mei- ster selbst, seinen angebeteten Cicero, korrigirt hatte. Gelächter auf meiner und der Studenten, und große
nanntes Curriculum Vitaͤ aufgeſetzt, und Herr Sch*** hatte es wohl an funfzehn Stellen verbeſ- ſert, weil es nicht aͤcht ciceronianiſch abgefaßt waͤre. Dies aͤrgerte mich, und ich beſchloß, dem Kritiker einen Poſſen zu ſpielen. Ich ſtellte mich alſo, als hielt ich ihn fuͤr einen Mann, der den Geiſt des Cicero neun und neunzigfach inne haͤtte, und un- terwarf Einiges ſeiner Kritik. Das freute dem Ci- [ – 2 Zeichen fehlen]roner ſo ſehr, daß er mich mit lateiniſirender Sal- baderei fuͤrchterlich quaͤlte, und mir da ein langes und breites von der ciceroniſchen Wortſtellung herſchwazte, wovon er ein Buch ſchreiben wollte. Ich uͤberſetzte endlich ein Stuͤck aus Cicero's Bu- che von der Natur p) der Goͤtter, ſchrieb Cicero's Latein darneben, und gab mein Geſchreibſel dem Herrn Sch***, um ſeine Cenſur zu vernehmen. Herr Sch*** korrigirte den Text des Cicero an mehr als dreißig Stellen, und gab mir ihn ſo wie- der. Ich verſuchte es, meine Conſtructionen in Gegenwart mehrerer Studenten als ciceroniſch zu vertheidigen; aber vergebens: Sch*** wollte und mußte recht haben. Endlich holte ich meinen Cicero aus der Taſche, und zeigte ihm, daß er den Mei- ſter ſelbſt, ſeinen angebeteten Cicero, korrigirt hatte. Gelaͤchter auf meiner und der Studenten, und große
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nanntes Curriculum Vitaͤ aufgeſetzt, und Herr
Sch*** hatte es wohl an funfzehn Stellen verbeſ-
ſert, weil es nicht aͤcht ciceronianiſch abgefaßt waͤre.
Dies aͤrgerte mich, und ich beſchloß, dem Kritiker
einen Poſſen zu ſpielen. Ich ſtellte mich alſo, als
hielt ich ihn fuͤr einen Mann, der den Geiſt des
Cicero neun und neunzigfach inne haͤtte, und un-
terwarf Einiges ſeiner Kritik. Das freute dem Ci-
__roner ſo ſehr, daß er mich mit lateiniſirender Sal-
baderei fuͤrchterlich quaͤlte, und mir da ein langes
und breites von der ciceroniſchen Wortſtellung
herſchwazte, wovon er ein Buch ſchreiben wollte.
Ich uͤberſetzte endlich ein Stuͤck aus Cicero's Bu-
che von der Natur p) der Goͤtter, ſchrieb Cicero's
Latein darneben, und gab mein Geſchreibſel dem
Herrn Sch***, um ſeine Cenſur zu vernehmen.
Herr Sch*** korrigirte den Text des Cicero an
mehr als dreißig Stellen, und gab mir ihn ſo wie-
der. Ich verſuchte es, meine Conſtructionen in
Gegenwart mehrerer Studenten als ciceroniſch zu
vertheidigen; aber vergebens: Sch*** wollte und
mußte recht haben. Endlich holte ich meinen Cicero
aus der Taſche, und zeigte ihm, daß er den Mei-
ſter ſelbſt, ſeinen angebeteten Cicero, korrigirt hatte.
Gelaͤchter auf meiner und der Studenten, und große
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/176>, abgerufen am 21.11.2024.
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