damals schon in Absicht des verstorbenen Doctors so ge- dacht hätte, wie ich hernach dachte, so würde ich doch den Pfälzer Bonzen, Derwischen und Fraubasen die Freude nicht gemacht haben, über ihn zu räsonniren. Die Pfälzer kennen keinen Ketzer weiter, als den D. Bahrdt: der hat unter ihnen gehauset; die andern aber, z. B. Semler, sind ihnen blos dem Namen nach bekannt: ihre Schriften haben sie nicht gelesen.
Alles, was ich sah und hörte, machte den Ent- schluß immer mehr bei mir fester, nach Halle zurück zu gehen, ja, oft wünschte ich mich schon wirklich wieder da. Die Gesellschaften auf dem Keller bei der Jungfer Fleischern zu Halle, so abgeschmackt diese sonst seyn mögen, schienen mir doch lange so abgeschmackt nicht, als die Versammlungen der Pfälzer Herren und Damen. Mein Glück in der Pfalz war einmal verscherzt, und ich war der Mann nicht, der es hätte wieder herstellen können. Sollte ich nun durch meine Gegenwart den Kummer meiner Eltern ver- mehren, und sie mir noch abgeneigter machen? Ich sprach deswegen sehr ernstlich mit meinem Vater, und er hatte nichts dagegen, so sehr auch meine Mutter sich zu widersetzen schien. Denn daß sie es nicht ernstlich mit mir meinte, und mich lieber weit von sich weg wünschte, hab' ich nachher erfahren. Sie war meinem Bruder einmal gewogen, und dieser wollte nicht, daß ich in der Nähe bleiben sollte.
damals ſchon in Abſicht des verſtorbenen Doctors ſo ge- dacht haͤtte, wie ich hernach dachte, ſo wuͤrde ich doch den Pfaͤlzer Bonzen, Derwiſchen und Fraubaſen die Freude nicht gemacht haben, uͤber ihn zu raͤſonniren. Die Pfaͤlzer kennen keinen Ketzer weiter, als den D. Bahrdt: der hat unter ihnen gehauſet; die andern aber, z. B. Semler, ſind ihnen blos dem Namen nach bekannt: ihre Schriften haben ſie nicht geleſen.
Alles, was ich ſah und hoͤrte, machte den Ent- ſchluß immer mehr bei mir feſter, nach Halle zuruͤck zu gehen, ja, oft wuͤnſchte ich mich ſchon wirklich wieder da. Die Geſellſchaften auf dem Keller bei der Jungfer Fleiſchern zu Halle, ſo abgeſchmackt dieſe ſonſt ſeyn moͤgen, ſchienen mir doch lange ſo abgeſchmackt nicht, als die Verſammlungen der Pfaͤlzer Herren und Damen. Mein Gluͤck in der Pfalz war einmal verſcherzt, und ich war der Mann nicht, der es haͤtte wieder herſtellen koͤnnen. Sollte ich nun durch meine Gegenwart den Kummer meiner Eltern ver- mehren, und ſie mir noch abgeneigter machen? Ich ſprach deswegen ſehr ernſtlich mit meinem Vater, und er hatte nichts dagegen, ſo ſehr auch meine Mutter ſich zu widerſetzen ſchien. Denn daß ſie es nicht ernſtlich mit mir meinte, und mich lieber weit von ſich weg wuͤnſchte, hab' ich nachher erfahren. Sie war meinem Bruder einmal gewogen, und dieſer wollte nicht, daß ich in der Naͤhe bleiben ſollte.
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[346[356]/0358]
damals ſchon in Abſicht des verſtorbenen Doctors ſo ge-
dacht haͤtte, wie ich hernach dachte, ſo wuͤrde ich doch
den Pfaͤlzer Bonzen, Derwiſchen und Fraubaſen die
Freude nicht gemacht haben, uͤber ihn zu raͤſonniren.
Die Pfaͤlzer kennen keinen Ketzer weiter, als den D.
Bahrdt: der hat unter ihnen gehauſet; die andern
aber, z. B. Semler, ſind ihnen blos dem Namen
nach bekannt: ihre Schriften haben ſie nicht geleſen.
Alles, was ich ſah und hoͤrte, machte den Ent-
ſchluß immer mehr bei mir feſter, nach Halle zuruͤck zu
gehen, ja, oft wuͤnſchte ich mich ſchon wirklich wieder
da. Die Geſellſchaften auf dem Keller bei der Jungfer
Fleiſchern zu Halle, ſo abgeſchmackt dieſe ſonſt ſeyn
moͤgen, ſchienen mir doch lange ſo abgeſchmackt
nicht, als die Verſammlungen der Pfaͤlzer Herren
und Damen. Mein Gluͤck in der Pfalz war einmal
verſcherzt, und ich war der Mann nicht, der es
haͤtte wieder herſtellen koͤnnen. Sollte ich nun durch
meine Gegenwart den Kummer meiner Eltern ver-
mehren, und ſie mir noch abgeneigter machen? Ich
ſprach deswegen ſehr ernſtlich mit meinem Vater,
und er hatte nichts dagegen, ſo ſehr auch meine
Mutter ſich zu widerſetzen ſchien. Denn daß ſie es
nicht ernſtlich mit mir meinte, und mich lieber weit
von ſich weg wuͤnſchte, hab' ich nachher erfahren. Sie
war meinem Bruder einmal gewogen, und dieſer
wollte nicht, daß ich in der Naͤhe bleiben ſollte.
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 346[356]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/358>, abgerufen am 21.11.2024.
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