Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

seinem philosophischen System p) zufolge, keine Un-
ruhe fühlen.

Ich darf meinen Lesern wohl nicht sagen, daß
ich den Tod meines biedern Vaters sehr tief gefühlt,
und ihm viele Thränen geschenkt habe. Noch jetzt
schmerzt mich sein Verlust. -- O, über mich! --

Mein Bruder berichtete mir diese Trauerpost,
und schien in seinem Briefe vielen Antheil an meinem
Schicksal zu nehmen. Er fügte hinzu, er wolle für
mich sorgen; denn mein Vater habe noch etwas An-
sehnliches hinterlassen. Er hoffe sein Nachfolger zu
werden, und dann wollte er mich los machen, und

p) Es giebt wohl schwerlich eine Philosophie, vielweniger
eine Religion, welche die Seele mehr aufheitern kann,
als der Pantheismus. Das ist so meine Meinung.
Zenos Philosophie konnte Helden hervorbringen, die
sich mitten im Unglück noch glücklich fühlten: aber wel-
che Männer sollte Spinosas Lehre bilden, wenn sie
gemeinnütziger gemacht würde, und wenn das Volk
der Pfaffen und der Afterphi[ - 1 Zeichen fehlt]osophen diese trefliche Lehre
nicht mit dem Unnamen Atheisterei gebrandmarkt
-- und obendrein verdreht hätte? Man sehe nur, wie
Brucker, der große Brucker! und selbst der tolerante
Bayle die Lehre des Spinosa verhunzt haben!
Von andern Wichten, die aus diesen Werken abschrie-
ben, ohne die Quellen selbst zu Rathe zu ziehen, mag
ich nichts sagen. Spinosas Lehre zeigt Realitäten
für die Zukunft: die andern -- nur Ideen. Man lese:
Gott! -- Einige Gespräche von Herder. Go-
tha 1787.

ſeinem philoſophiſchen Syſtem p) zufolge, keine Un-
ruhe fuͤhlen.

Ich darf meinen Leſern wohl nicht ſagen, daß
ich den Tod meines biedern Vaters ſehr tief gefuͤhlt,
und ihm viele Thraͤnen geſchenkt habe. Noch jetzt
ſchmerzt mich ſein Verluſt. — O, uͤber mich! —

Mein Bruder berichtete mir dieſe Trauerpoſt,
und ſchien in ſeinem Briefe vielen Antheil an meinem
Schickſal zu nehmen. Er fuͤgte hinzu, er wolle fuͤr
mich ſorgen; denn mein Vater habe noch etwas An-
ſehnliches hinterlaſſen. Er hoffe ſein Nachfolger zu
werden, und dann wollte er mich los machen, und

p) Es giebt wohl ſchwerlich eine Philoſophie, vielweniger
eine Religion, welche die Seele mehr aufheitern kann,
als der Pantheismus. Das iſt ſo meine Meinung.
Zenos Philoſophie konnte Helden hervorbringen, die
ſich mitten im Ungluͤck noch gluͤcklich fuͤhlten: aber wel-
che Maͤnner ſollte Spinoſas Lehre bilden, wenn ſie
gemeinnuͤtziger gemacht wuͤrde, und wenn das Volk
der Pfaffen und der Afterphi[ – 1 Zeichen fehlt]oſophen dieſe trefliche Lehre
nicht mit dem Unnamen Atheiſterei gebrandmarkt
— und obendrein verdreht haͤtte? Man ſehe nur, wie
Brucker, der große Brucker! und ſelbſt der tolerante
Bayle die Lehre des Spinoſa verhunzt haben!
Von andern Wichten, die aus dieſen Werken abſchrie-
ben, ohne die Quellen ſelbſt zu Rathe zu ziehen, mag
ich nichts ſagen. Spinoſas Lehre zeigt Realitaͤten
fuͤr die Zukunft: die andern — nur Ideen. Man leſe:
Gott! — Einige Geſpraͤche von Herder. Go-
tha 1787.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0394" n="390[392]"/>
&#x017F;einem philo&#x017F;ophi&#x017F;chen Sy&#x017F;tem <note place="foot" n="p)">Es giebt wohl &#x017F;chwerlich eine Philo&#x017F;ophie, vielweniger<lb/>
eine Religion, welche die Seele mehr aufheitern kann,<lb/>
als der Pantheismus. Das i&#x017F;t &#x017F;o meine Meinung.<lb/><hi rendition="#g">Zenos</hi> Philo&#x017F;ophie konnte Helden hervorbringen, die<lb/>
&#x017F;ich mitten im Unglu&#x0364;ck noch glu&#x0364;cklich fu&#x0364;hlten: aber wel-<lb/>
che Ma&#x0364;nner &#x017F;ollte <hi rendition="#g">Spino&#x017F;as</hi> Lehre bilden, wenn &#x017F;ie<lb/>
gemeinnu&#x0364;tziger gemacht wu&#x0364;rde, und wenn das Volk<lb/>
der Pfaffen und der Afterphi<gap unit="chars" quantity="1"/>o&#x017F;ophen die&#x017F;e trefliche Lehre<lb/>
nicht mit dem Unnamen <hi rendition="#g">Athei&#x017F;terei</hi> gebrandmarkt<lb/>
&#x2014; und obendrein verdreht ha&#x0364;tte? Man &#x017F;ehe nur, wie<lb/><hi rendition="#g">Brucker</hi>, der große Brucker! und &#x017F;elb&#x017F;t der tolerante<lb/><hi rendition="#g">Bayle</hi> die Lehre des <hi rendition="#g">Spino&#x017F;a</hi> verhunzt haben!<lb/>
Von andern Wichten, die aus die&#x017F;en Werken ab&#x017F;chrie-<lb/>
ben, ohne die Quellen &#x017F;elb&#x017F;t zu Rathe zu ziehen, mag<lb/>
ich nichts &#x017F;agen. <hi rendition="#g">Spino&#x017F;as</hi> Lehre zeigt Realita&#x0364;ten<lb/>
fu&#x0364;r die Zukunft: die andern &#x2014; nur Ideen. Man le&#x017F;e:<lb/><hi rendition="#g">Gott</hi>! &#x2014; <hi rendition="#g">Einige Ge&#x017F;pra&#x0364;che</hi> von <hi rendition="#g">Herder</hi>. Go-<lb/>
tha 1787.</note> zufolge, keine Un-<lb/>
ruhe fu&#x0364;hlen.</p><lb/>
        <p>Ich darf meinen Le&#x017F;ern wohl nicht &#x017F;agen, daß<lb/>
ich den Tod meines biedern Vaters &#x017F;ehr tief gefu&#x0364;hlt,<lb/>
und ihm viele Thra&#x0364;nen ge&#x017F;chenkt habe. Noch jetzt<lb/>
&#x017F;chmerzt mich &#x017F;ein Verlu&#x017F;t. &#x2014; O, u&#x0364;ber mich! &#x2014;</p><lb/>
        <p>Mein Bruder berichtete mir die&#x017F;e Trauerpo&#x017F;t,<lb/>
und &#x017F;chien in &#x017F;einem Briefe vielen Antheil an meinem<lb/>
Schick&#x017F;al zu nehmen. Er fu&#x0364;gte hinzu, er wolle fu&#x0364;r<lb/>
mich &#x017F;orgen; denn mein Vater habe noch etwas An-<lb/>
&#x017F;ehnliches hinterla&#x017F;&#x017F;en. Er hoffe &#x017F;ein Nachfolger zu<lb/>
werden, und dann wollte er mich los machen, und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[390[392]/0394] ſeinem philoſophiſchen Syſtem p) zufolge, keine Un- ruhe fuͤhlen. Ich darf meinen Leſern wohl nicht ſagen, daß ich den Tod meines biedern Vaters ſehr tief gefuͤhlt, und ihm viele Thraͤnen geſchenkt habe. Noch jetzt ſchmerzt mich ſein Verluſt. — O, uͤber mich! — Mein Bruder berichtete mir dieſe Trauerpoſt, und ſchien in ſeinem Briefe vielen Antheil an meinem Schickſal zu nehmen. Er fuͤgte hinzu, er wolle fuͤr mich ſorgen; denn mein Vater habe noch etwas An- ſehnliches hinterlaſſen. Er hoffe ſein Nachfolger zu werden, und dann wollte er mich los machen, und p) Es giebt wohl ſchwerlich eine Philoſophie, vielweniger eine Religion, welche die Seele mehr aufheitern kann, als der Pantheismus. Das iſt ſo meine Meinung. Zenos Philoſophie konnte Helden hervorbringen, die ſich mitten im Ungluͤck noch gluͤcklich fuͤhlten: aber wel- che Maͤnner ſollte Spinoſas Lehre bilden, wenn ſie gemeinnuͤtziger gemacht wuͤrde, und wenn das Volk der Pfaffen und der Afterphi_oſophen dieſe trefliche Lehre nicht mit dem Unnamen Atheiſterei gebrandmarkt — und obendrein verdreht haͤtte? Man ſehe nur, wie Brucker, der große Brucker! und ſelbſt der tolerante Bayle die Lehre des Spinoſa verhunzt haben! Von andern Wichten, die aus dieſen Werken abſchrie- ben, ohne die Quellen ſelbſt zu Rathe zu ziehen, mag ich nichts ſagen. Spinoſas Lehre zeigt Realitaͤten fuͤr die Zukunft: die andern — nur Ideen. Man leſe: Gott! — Einige Geſpraͤche von Herder. Go- tha 1787.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/394
Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 390[392]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/394>, abgerufen am 21.11.2024.