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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792.

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wie vor zweihundert Jahren. Unsere Wirthstoch-
ter war ein artiges Ding; aber die verfluchten
neun und neunzig Zöpfe auf dem Kopf verstellten
sie ganz. Ich sprach davon mit der Mutter und
rieth ihr, ihrer Tochter einen andern Kopfputz
anzuschaffen. Ach, behüte Gott! antwortete die
Alte, ich sollte meine Tochter zur Hure machen? --
Man denke an die Logik der Strasburger Phi-
lister!

Der Student, welcher als Schanzer bei einem
Philister von der Art steht, muß sich aufs niedrigste
behandeln lassen. Er muß seinen Prinzipal, den
Herrn Fleischer, Schuster, Schornsteinfeger u. s. w.
allemal auf einen hohen Fuß behandeln. Daß er ei-
nen solchen Kloz nie anders anreden dürfe als: "Um
Vergebung, mein Herr, wenn es Ihnen gefällig
wäre, mir die restirenden zwei Sols auszuzah-
len!" -- das, sage ich, versteht sich von selbst,
wenn man die Herren Philister solcher Städte über-
haupt nur ein wenig näher kennt. Daß aber der
Strasburger Philister seinen Schanzer par Er
traktirt, ihm ganz unten am Tische seinen Plaz an-
weißt, und sein philistrisches Uebergewicht bei jeder
Gelegenheit fühlbar macht, das ist abscheulich und
nicht bei allen Philistern anderer Oerter so. Wehe
aber allemal dem Studenten, der der Gnade der
Philister leben soll!


wie vor zweihundert Jahren. Unſere Wirthstoch-
ter war ein artiges Ding; aber die verfluchten
neun und neunzig Zoͤpfe auf dem Kopf verſtellten
ſie ganz. Ich ſprach davon mit der Mutter und
rieth ihr, ihrer Tochter einen andern Kopfputz
anzuſchaffen. Ach, behuͤte Gott! antwortete die
Alte, ich ſollte meine Tochter zur Hure machen? —
Man denke an die Logik der Strasburger Phi-
liſter!

Der Student, welcher als Schanzer bei einem
Philiſter von der Art ſteht, muß ſich aufs niedrigſte
behandeln laſſen. Er muß ſeinen Prinzipal, den
Herrn Fleiſcher, Schuſter, Schornſteinfeger u. ſ. w.
allemal auf einen hohen Fuß behandeln. Daß er ei-
nen ſolchen Kloz nie anders anreden duͤrfe als: „Um
Vergebung, mein Herr, wenn es Ihnen gefaͤllig
waͤre, mir die reſtirenden zwei Sols auszuzah-
len!“ — das, ſage ich, verſteht ſich von ſelbſt,
wenn man die Herren Philiſter ſolcher Staͤdte uͤber-
haupt nur ein wenig naͤher kennt. Daß aber der
Strasburger Philiſter ſeinen Schanzer par Er
traktirt, ihm ganz unten am Tiſche ſeinen Plaz an-
weißt, und ſein philiſtriſches Uebergewicht bei jeder
Gelegenheit fuͤhlbar macht, das iſt abſcheulich und
nicht bei allen Philiſtern anderer Oerter ſo. Wehe
aber allemal dem Studenten, der der Gnade der
Philiſter leben ſoll!


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[38/0040] wie vor zweihundert Jahren. Unſere Wirthstoch- ter war ein artiges Ding; aber die verfluchten neun und neunzig Zoͤpfe auf dem Kopf verſtellten ſie ganz. Ich ſprach davon mit der Mutter und rieth ihr, ihrer Tochter einen andern Kopfputz anzuſchaffen. Ach, behuͤte Gott! antwortete die Alte, ich ſollte meine Tochter zur Hure machen? — Man denke an die Logik der Strasburger Phi- liſter! Der Student, welcher als Schanzer bei einem Philiſter von der Art ſteht, muß ſich aufs niedrigſte behandeln laſſen. Er muß ſeinen Prinzipal, den Herrn Fleiſcher, Schuſter, Schornſteinfeger u. ſ. w. allemal auf einen hohen Fuß behandeln. Daß er ei- nen ſolchen Kloz nie anders anreden duͤrfe als: „Um Vergebung, mein Herr, wenn es Ihnen gefaͤllig waͤre, mir die reſtirenden zwei Sols auszuzah- len!“ — das, ſage ich, verſteht ſich von ſelbſt, wenn man die Herren Philiſter ſolcher Staͤdte uͤber- haupt nur ein wenig naͤher kennt. Daß aber der Strasburger Philiſter ſeinen Schanzer par Er traktirt, ihm ganz unten am Tiſche ſeinen Plaz an- weißt, und ſein philiſtriſches Uebergewicht bei jeder Gelegenheit fuͤhlbar macht, das iſt abſcheulich und nicht bei allen Philiſtern anderer Oerter ſo. Wehe aber allemal dem Studenten, der der Gnade der Philiſter leben ſoll!

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/40>, abgerufen am 21.11.2024.