Er, der grosse Fritze? Diese Aufforderung war mir gerade recht. Voll Enthusiasmus rühmte ich unter andern seine -- -- -- Toleranz und Gewis- wissensfreiheit, die er allen und jeden seiner Unter- thanen gestattet habe, und wodurch er eigentlich den rechten Grund zu der jetzigen Größe der Preussischen Monarchie gelegt hätte. -- Das gefiel den Bürgern, und sie nöthigten mich, mitten unter ihnen Platz zu nehmen, welches ich auch that, da es lauter artige sehr gescheute Männer waren. Sie hatten alle eini- ge gute Bücher gelesen, waren alle aufgeklärt, -- -- -- -- und wünschten, daß gewisse Anstalten zur Aufrechthaltung der sogenannten reinen Lehre nicht möchten getroffen seyn. Unser Gespräch dehnte sich aus, und als ich vergnügt von ihnen schied, mußte ich versprechen, den folgenden Tag wieder zu kommen. Ich habe hernach diesen Bürgerklub noch sehr oft besucht, und allemal mit Vergnügen. Oft hat es mich gewundert, wie frei der Berliner über alles, was vorgeht, urtheilt, und wie richtig alle- mal sein Urtheil zutrift. Hierdurch unterscheidet er er sich merklich von andern Preussischen Unterthanen. Ueberhaupt sind die Räsonnements der Preussen weit lieberaler als die der Sachsen, der Hessen, oder gar der Pfälzer. In manchen Ländern darf man sich kaum ins Ohr sagen, was man im Preussischen öf- fentlich zu predigen wagt. Unter den Preussen selbst
Er, der groſſe Fritze? Dieſe Aufforderung war mir gerade recht. Voll Enthuſiasmus ruͤhmte ich unter andern ſeine — — — Toleranz und Gewiſ- wiſſensfreiheit, die er allen und jeden ſeiner Unter- thanen geſtattet habe, und wodurch er eigentlich den rechten Grund zu der jetzigen Groͤße der Preuſſiſchen Monarchie gelegt haͤtte. — Das gefiel den Buͤrgern, und ſie noͤthigten mich, mitten unter ihnen Platz zu nehmen, welches ich auch that, da es lauter artige ſehr geſcheute Maͤnner waren. Sie hatten alle eini- ge gute Buͤcher geleſen, waren alle aufgeklaͤrt, — — — — und wuͤnſchten, daß gewiſſe Anſtalten zur Aufrechthaltung der ſogenannten reinen Lehre nicht moͤchten getroffen ſeyn. Unſer Geſpraͤch dehnte ſich aus, und als ich vergnuͤgt von ihnen ſchied, mußte ich verſprechen, den folgenden Tag wieder zu kommen. Ich habe hernach dieſen Buͤrgerklub noch ſehr oft beſucht, und allemal mit Vergnuͤgen. Oft hat es mich gewundert, wie frei der Berliner uͤber alles, was vorgeht, urtheilt, und wie richtig alle- mal ſein Urtheil zutrift. Hierdurch unterſcheidet er er ſich merklich von andern Preuſſiſchen Unterthanen. Ueberhaupt ſind die Raͤſonnements der Preuſſen weit lieberaler als die der Sachſen, der Heſſen, oder gar der Pfaͤlzer. In manchen Laͤndern darf man ſich kaum ins Ohr ſagen, was man im Preuſſiſchen oͤf- fentlich zu predigen wagt. Unter den Preuſſen ſelbſt
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[408[410]/0412]
Er, der groſſe Fritze? Dieſe Aufforderung war
mir gerade recht. Voll Enthuſiasmus ruͤhmte ich
unter andern ſeine — — — Toleranz und Gewiſ-
wiſſensfreiheit, die er allen und jeden ſeiner Unter-
thanen geſtattet habe, und wodurch er eigentlich den
rechten Grund zu der jetzigen Groͤße der Preuſſiſchen
Monarchie gelegt haͤtte. — Das gefiel den Buͤrgern,
und ſie noͤthigten mich, mitten unter ihnen Platz zu
nehmen, welches ich auch that, da es lauter artige
ſehr geſcheute Maͤnner waren. Sie hatten alle eini-
ge gute Buͤcher geleſen, waren alle aufgeklaͤrt, —
— — — und wuͤnſchten, daß gewiſſe Anſtalten
zur Aufrechthaltung der ſogenannten reinen Lehre
nicht moͤchten getroffen ſeyn. Unſer Geſpraͤch dehnte
ſich aus, und als ich vergnuͤgt von ihnen ſchied,
mußte ich verſprechen, den folgenden Tag wieder zu
kommen. Ich habe hernach dieſen Buͤrgerklub noch
ſehr oft beſucht, und allemal mit Vergnuͤgen. Oft
hat es mich gewundert, wie frei der Berliner uͤber
alles, was vorgeht, urtheilt, und wie richtig alle-
mal ſein Urtheil zutrift. Hierdurch unterſcheidet er
er ſich merklich von andern Preuſſiſchen Unterthanen.
Ueberhaupt ſind die Raͤſonnements der Preuſſen weit
lieberaler als die der Sachſen, der Heſſen, oder gar
der Pfaͤlzer. In manchen Laͤndern darf man ſich
kaum ins Ohr ſagen, was man im Preuſſiſchen oͤf-
fentlich zu predigen wagt. Unter den Preuſſen ſelbſt
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 408[410]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/412>, abgerufen am 21.11.2024.
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