Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

Ich besuchte die Talgfabrike, die Tranbulle,
den zotlichen Jud[ - 1 Zeichen fehlt] y), Legers- und Heils-Saal
und einige andre. Aller Orten wars dasselbe. Es
halten sich gemeiniglich sechs, acht bis zwölf Nym-
phen in einer Wirthschaft auf, meist Mädchen von
ganz geringem Stande, welche ehemals von adlichen
und unadlichen Wollüstlingen verführt oder benutzt
wurden, und hernach, der Arbeit entwöhnt, keinen
andern Weg, sich zu nähren wußten, als den der
feilen Wollust. Einige davon fühlen das Unwür-
dige ihrer Handthierung, und wünschen sich eine
bessere Lebensart. So fand ich in der Talgfabrike
ein Mädchen, Namens Jettchen, von Schwed,
welche mir feine Gesichtszüge zu haben schien, und
mit der ich mich daher abgab. Sie erzählte mir ih-

y) Es ist aller Orten Mode, daß man den Bordellen
schimpfliche Namen giebt. Das soll noch von einigem
guten moralischen Gefühl des Publikums zeugen. Und
wer das bedenkt, der wird bei den Namen, blutiger
Finger
, rothes Läppchen, schwarze Schür-
ze, allemal hübsche Reflexionen machen können. Es
soll hingegen eine große Verdorbenheit der Sitten an-
zeigen, wenn man dergleichen obscure Sachen mit
feinen Namen belegt, wenn man z. B. eine Hure ein
Freudenmädchen nennt: warum nicht schlechtweg ge-
sagt Hure, Hurenhaus? Wer diese Wörter nicht hören
kann, verrätht, daß er ein systematischer Wollüstling
ist. Doch solche Benennungen sollen den Kindermord
befördern helfen. -

Ich beſuchte die Talgfabrike, die Tranbulle,
den zotlichen Jud[ – 1 Zeichen fehlt] y), Legers- und Heils-Saal
und einige andre. Aller Orten wars daſſelbe. Es
halten ſich gemeiniglich ſechs, acht bis zwoͤlf Nym-
phen in einer Wirthſchaft auf, meiſt Maͤdchen von
ganz geringem Stande, welche ehemals von adlichen
und unadlichen Wolluͤſtlingen verfuͤhrt oder benutzt
wurden, und hernach, der Arbeit entwoͤhnt, keinen
andern Weg, ſich zu naͤhren wußten, als den der
feilen Wolluſt. Einige davon fuͤhlen das Unwuͤr-
dige ihrer Handthierung, und wuͤnſchen ſich eine
beſſere Lebensart. So fand ich in der Talgfabrike
ein Maͤdchen, Namens Jettchen, von Schwed,
welche mir feine Geſichtszuͤge zu haben ſchien, und
mit der ich mich daher abgab. Sie erzaͤhlte mir ih-

y) Es iſt aller Orten Mode, daß man den Bordellen
ſchimpfliche Namen giebt. Das ſoll noch von einigem
guten moraliſchen Gefuͤhl des Publikums zeugen. Und
wer das bedenkt, der wird bei den Namen, blutiger
Finger
, rothes Laͤppchen, ſchwarze Schuͤr-
ze, allemal huͤbſche Reflexionen machen koͤnnen. Es
ſoll hingegen eine große Verdorbenheit der Sitten an-
zeigen, wenn man dergleichen obſcure Sachen mit
feinen Namen belegt, wenn man z. B. eine Hure ein
Freudenmaͤdchen nennt: warum nicht ſchlechtweg ge-
ſagt Hure, Hurenhaus? Wer dieſe Woͤrter nicht hoͤren
kann, verraͤtht, daß er ein ſyſtematiſcher Wolluͤſtling
iſt. Doch ſolche Benennungen ſollen den Kindermord
befoͤrdern helfen. –
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0422" n="418[420]"/>
        <p>Ich be&#x017F;uchte die Talgfabrike, die Tranbulle,<lb/>
den zotlichen Jud<gap unit="chars" quantity="1"/> <note place="foot" n="y)">Es i&#x017F;t aller Orten Mode, daß man den Bordellen<lb/>
&#x017F;chimpfliche Namen giebt. Das &#x017F;oll noch von einigem<lb/>
guten morali&#x017F;chen Gefu&#x0364;hl des Publikums zeugen. Und<lb/>
wer das bedenkt, der wird bei den Namen, <hi rendition="#g">blutiger<lb/>
Finger</hi>, <hi rendition="#g">rothes La&#x0364;ppchen</hi>, <hi rendition="#g">&#x017F;chwarze Schu&#x0364;r</hi>-<lb/><hi rendition="#g">ze</hi>, allemal hu&#x0364;b&#x017F;che Reflexionen machen ko&#x0364;nnen. Es<lb/>
&#x017F;oll hingegen eine große Verdorbenheit der Sitten an-<lb/>
zeigen, wenn man dergleichen ob&#x017F;cure Sachen mit<lb/>
feinen Namen belegt, wenn man z. B. eine Hure ein<lb/>
Freudenma&#x0364;dchen nennt: warum nicht &#x017F;chlechtweg ge-<lb/>
&#x017F;agt Hure, Hurenhaus? Wer die&#x017F;e Wo&#x0364;rter nicht ho&#x0364;ren<lb/>
kann, verra&#x0364;tht, daß er ein &#x017F;y&#x017F;temati&#x017F;cher Wollu&#x0364;&#x017F;tling<lb/>
i&#x017F;t. Doch &#x017F;olche Benennungen &#x017F;ollen den Kindermord<lb/>
befo&#x0364;rdern helfen. &#x2013;</note>, Legers- und Heils-Saal<lb/>
und einige andre. Aller Orten wars da&#x017F;&#x017F;elbe. Es<lb/>
halten &#x017F;ich gemeiniglich &#x017F;echs, acht bis zwo&#x0364;lf Nym-<lb/>
phen in einer Wirth&#x017F;chaft auf, mei&#x017F;t Ma&#x0364;dchen von<lb/>
ganz geringem Stande, welche ehemals von adlichen<lb/>
und unadlichen Wollu&#x0364;&#x017F;tlingen verfu&#x0364;hrt oder benutzt<lb/>
wurden, und hernach, der Arbeit entwo&#x0364;hnt, keinen<lb/>
andern Weg, &#x017F;ich zu na&#x0364;hren wußten, als den der<lb/>
feilen Wollu&#x017F;t. Einige davon fu&#x0364;hlen das Unwu&#x0364;r-<lb/>
dige ihrer Handthierung, und wu&#x0364;n&#x017F;chen &#x017F;ich eine<lb/>
be&#x017F;&#x017F;ere Lebensart. So fand ich in der Talgfabrike<lb/>
ein Ma&#x0364;dchen, Namens <hi rendition="#g">Jettchen</hi>, von Schwed,<lb/>
welche mir feine Ge&#x017F;ichtszu&#x0364;ge zu haben &#x017F;chien, und<lb/>
mit der ich mich daher abgab. Sie erza&#x0364;hlte mir ih-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[418[420]/0422] Ich beſuchte die Talgfabrike, die Tranbulle, den zotlichen Jud_ y), Legers- und Heils-Saal und einige andre. Aller Orten wars daſſelbe. Es halten ſich gemeiniglich ſechs, acht bis zwoͤlf Nym- phen in einer Wirthſchaft auf, meiſt Maͤdchen von ganz geringem Stande, welche ehemals von adlichen und unadlichen Wolluͤſtlingen verfuͤhrt oder benutzt wurden, und hernach, der Arbeit entwoͤhnt, keinen andern Weg, ſich zu naͤhren wußten, als den der feilen Wolluſt. Einige davon fuͤhlen das Unwuͤr- dige ihrer Handthierung, und wuͤnſchen ſich eine beſſere Lebensart. So fand ich in der Talgfabrike ein Maͤdchen, Namens Jettchen, von Schwed, welche mir feine Geſichtszuͤge zu haben ſchien, und mit der ich mich daher abgab. Sie erzaͤhlte mir ih- y) Es iſt aller Orten Mode, daß man den Bordellen ſchimpfliche Namen giebt. Das ſoll noch von einigem guten moraliſchen Gefuͤhl des Publikums zeugen. Und wer das bedenkt, der wird bei den Namen, blutiger Finger, rothes Laͤppchen, ſchwarze Schuͤr- ze, allemal huͤbſche Reflexionen machen koͤnnen. Es ſoll hingegen eine große Verdorbenheit der Sitten an- zeigen, wenn man dergleichen obſcure Sachen mit feinen Namen belegt, wenn man z. B. eine Hure ein Freudenmaͤdchen nennt: warum nicht ſchlechtweg ge- ſagt Hure, Hurenhaus? Wer dieſe Woͤrter nicht hoͤren kann, verraͤtht, daß er ein ſyſtematiſcher Wolluͤſtling iſt. Doch ſolche Benennungen ſollen den Kindermord befoͤrdern helfen. –

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/422
Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 418[420]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/422>, abgerufen am 21.11.2024.