so sorgen die Wirthe dafür, daß sie immer viel an ihnen zu fordern haben. Der Wirth schaft der Un- glücklichen Kleider, Wäsche und Putz, beköstigt sie und giebt ihr Quartier: alles rechnet er übermäßig theuer an, so daß ein Mädchen nimmermehr bezah- len kann. Ihren Verdienst theilt er obendrein mit ihr, und läßt ihr nur eine Kleinigkeit, welche das zu Leckereien verwöhnte Mädchen in lauter Kuchen und Zuckerwerk vernascht. So müssen denn die Kreaturen bleiben, bis entweder der Wirth selbst sie fortjagt, oder bis sie entwischen, oder irgend ein Liebhaber sie auslößt. Zu wünschen wäre es immer, daß die Berlinische Policei hier angemeßne Gegen- anstalten träfe, um einer Unglücklichen das Laster nicht wider Willen zur Zwangspflicht werden zu lassen.
Im Durchschnitt sind die Mädchen unverschäm- te Nickel, die gar nichts von Anstand und Delikatesse wissen. Schaamlose Worte begleiten alle ihre Reden, und durch schändliche Gebehrden wiegeln sie die thie- rische Lüsternheit nur noch frivoler auf. Dabei kön- nen sie saufen, sogar Brantewein, wie die Pack- knechte. Kömmt jemand in so ein Haus, so greift ihn gleich die erste beste an, nennt ihn lieber Junge, dutzet ihn, und fodert sogleich, daß er ihr Wein, Chokelade, Kaffe, Brantewein und Kuchen geben lasse: Und das alles ist in diesen Häusern noch ein-
ſo ſorgen die Wirthe dafuͤr, daß ſie immer viel an ihnen zu fordern haben. Der Wirth ſchaft der Un- gluͤcklichen Kleider, Waͤſche und Putz, bekoͤſtigt ſie und giebt ihr Quartier: alles rechnet er uͤbermaͤßig theuer an, ſo daß ein Maͤdchen nimmermehr bezah- len kann. Ihren Verdienſt theilt er obendrein mit ihr, und laͤßt ihr nur eine Kleinigkeit, welche das zu Leckereien verwoͤhnte Maͤdchen in lauter Kuchen und Zuckerwerk vernaſcht. So muͤſſen denn die Kreaturen bleiben, bis entweder der Wirth ſelbſt ſie fortjagt, oder bis ſie entwiſchen, oder irgend ein Liebhaber ſie ausloͤßt. Zu wuͤnſchen waͤre es immer, daß die Berliniſche Policei hier angemeßne Gegen- anſtalten traͤfe, um einer Ungluͤcklichen das Laſter nicht wider Willen zur Zwangspflicht werden zu laſſen.
Im Durchſchnitt ſind die Maͤdchen unverſchaͤm- te Nickel, die gar nichts von Anſtand und Delikateſſe wiſſen. Schaamloſe Worte begleiten alle ihre Reden, und durch ſchaͤndliche Gebehrden wiegeln ſie die thie- riſche Luͤſternheit nur noch frivoler auf. Dabei koͤn- nen ſie ſaufen, ſogar Brantewein, wie die Pack- knechte. Koͤmmt jemand in ſo ein Haus, ſo greift ihn gleich die erſte beſte an, nennt ihn lieber Junge, dutzet ihn, und fodert ſogleich, daß er ihr Wein, Chokelade, Kaffe, Brantewein und Kuchen geben laſſe: Und das alles iſt in dieſen Haͤuſern noch ein-
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[421[423]/0425]
ſo ſorgen die Wirthe dafuͤr, daß ſie immer viel an
ihnen zu fordern haben. Der Wirth ſchaft der Un-
gluͤcklichen Kleider, Waͤſche und Putz, bekoͤſtigt ſie
und giebt ihr Quartier: alles rechnet er uͤbermaͤßig
theuer an, ſo daß ein Maͤdchen nimmermehr bezah-
len kann. Ihren Verdienſt theilt er obendrein mit
ihr, und laͤßt ihr nur eine Kleinigkeit, welche das
zu Leckereien verwoͤhnte Maͤdchen in lauter Kuchen
und Zuckerwerk vernaſcht. So muͤſſen denn die
Kreaturen bleiben, bis entweder der Wirth ſelbſt ſie
fortjagt, oder bis ſie entwiſchen, oder irgend ein
Liebhaber ſie ausloͤßt. Zu wuͤnſchen waͤre es immer,
daß die Berliniſche Policei hier angemeßne Gegen-
anſtalten traͤfe, um einer Ungluͤcklichen das Laſter
nicht wider Willen zur Zwangspflicht werden zu
laſſen.
Im Durchſchnitt ſind die Maͤdchen unverſchaͤm-
te Nickel, die gar nichts von Anſtand und Delikateſſe
wiſſen. Schaamloſe Worte begleiten alle ihre Reden,
und durch ſchaͤndliche Gebehrden wiegeln ſie die thie-
riſche Luͤſternheit nur noch frivoler auf. Dabei koͤn-
nen ſie ſaufen, ſogar Brantewein, wie die Pack-
knechte. Koͤmmt jemand in ſo ein Haus, ſo greift
ihn gleich die erſte beſte an, nennt ihn lieber Junge,
dutzet ihn, und fodert ſogleich, daß er ihr Wein,
Chokelade, Kaffe, Brantewein und Kuchen geben
laſſe: Und das alles iſt in dieſen Haͤuſern noch ein-
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 421[423]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/425>, abgerufen am 21.11.2024.
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