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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792.

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wir wachen -- als für Finsterniß! "Allein das Un-
"natürliche ist uns" -- wie Herr Pofessor Mül-
ler, der Schweitzer, bemerkt z) -- "in sehr vie-
"len Dingen gewöhnlich geworden; und deswegen
"scheint uns das Natürliche unnatürlich. Man ist
"nun ziemlich darin einig, daß Orthodoxie einzig
"bei den Heterodoxen zu finden sey. "-- Gebetbü-
"cher --" fährt er fort -- "die voller Unsinn, Ab-
"geschmacktheit, Unmoralitäten und zuweilen wohl
"gar Lästerungen sind: Predigten, die an diesen Ei-
"genschaften die Gebetbücher noch übertreffen: an-
"dere Erbauungsbücher von gleichem Schlage: die
"Bibel selbst ist solchen simpeln und ungelehrten
"Menschen mehr zum Schaden, als zum Nutzen:
"Für einen Punkt, den sie recht verstehen, sind
"hundert, die sie misverstehen."

"Wie konnte man doch ein Buch zum allge-
"meinen Gesetzbuch machen, in welchem jedes
"Wort eine scharfe kritische Prüfung, diese eine ge-
"läuterte Philosophie, und beides die ausgebreiteste
"Gelehrsamkeit erfodert, die wieder der schärfsten
"Kritik bedarf! Wenn ich dieses auseinander setze,
"so thürmt sich die Unvernunft einer solchen Ein-
"richtung zu einem Alpengebürge auf: alle meine
"Sinnen stehen stille."


z) Die Dorfschule. Berlin 1786. S. 3. u. ff.

wir wachen — als fuͤr Finſterniß! „Allein das Un-
„natuͤrliche iſt uns“ — wie Herr Pofeſſor Muͤl-
ler, der Schweitzer, bemerkt z) — „in ſehr vie-
„len Dingen gewoͤhnlich geworden; und deswegen
„ſcheint uns das Natuͤrliche unnatuͤrlich. Man iſt
„nun ziemlich darin einig, daß Orthodoxie einzig
„bei den Heterodoxen zu finden ſey. „— Gebetbuͤ-
„cher —“ faͤhrt er fort — „die voller Unſinn, Ab-
„geſchmacktheit, Unmoralitaͤten und zuweilen wohl
„gar Laͤſterungen ſind: Predigten, die an dieſen Ei-
„genſchaften die Gebetbuͤcher noch uͤbertreffen: an-
„dere Erbauungsbuͤcher von gleichem Schlage: die
„Bibel ſelbſt iſt ſolchen ſimpeln und ungelehrten
„Menſchen mehr zum Schaden, als zum Nutzen:
„Fuͤr einen Punkt, den ſie recht verſtehen, ſind
„hundert, die ſie misverſtehen.“

„Wie konnte man doch ein Buch zum allge-
meinen Geſetzbuch machen, in welchem jedes
„Wort eine ſcharfe kritiſche Pruͤfung, dieſe eine ge-
„laͤuterte Philoſophie, und beides die ausgebreiteſte
„Gelehrſamkeit erfodert, die wieder der ſchaͤrfſten
„Kritik bedarf! Wenn ich dieſes auseinander ſetze,
„ſo thuͤrmt ſich die Unvernunft einer ſolchen Ein-
„richtung zu einem Alpengebuͤrge auf: alle meine
„Sinnen ſtehen ſtille.“


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[428[430]/0432] wir wachen — als fuͤr Finſterniß! „Allein das Un- „natuͤrliche iſt uns“ — wie Herr Pofeſſor Muͤl- ler, der Schweitzer, bemerkt z) — „in ſehr vie- „len Dingen gewoͤhnlich geworden; und deswegen „ſcheint uns das Natuͤrliche unnatuͤrlich. Man iſt „nun ziemlich darin einig, daß Orthodoxie einzig „bei den Heterodoxen zu finden ſey. „— Gebetbuͤ- „cher —“ faͤhrt er fort — „die voller Unſinn, Ab- „geſchmacktheit, Unmoralitaͤten und zuweilen wohl „gar Laͤſterungen ſind: Predigten, die an dieſen Ei- „genſchaften die Gebetbuͤcher noch uͤbertreffen: an- „dere Erbauungsbuͤcher von gleichem Schlage: die „Bibel ſelbſt iſt ſolchen ſimpeln und ungelehrten „Menſchen mehr zum Schaden, als zum Nutzen: „Fuͤr einen Punkt, den ſie recht verſtehen, ſind „hundert, die ſie misverſtehen.“ „Wie konnte man doch ein Buch zum allge- „meinen Geſetzbuch machen, in welchem jedes „Wort eine ſcharfe kritiſche Pruͤfung, dieſe eine ge- „laͤuterte Philoſophie, und beides die ausgebreiteſte „Gelehrſamkeit erfodert, die wieder der ſchaͤrfſten „Kritik bedarf! Wenn ich dieſes auseinander ſetze, „ſo thuͤrmt ſich die Unvernunft einer ſolchen Ein- „richtung zu einem Alpengebuͤrge auf: alle meine „Sinnen ſtehen ſtille.“ z) Die Dorfſchule. Berlin 1786. S. 3. u. ff.

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 428[430]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/432>, abgerufen am 21.11.2024.