nig weder geboten noch erlaubt. Aber -- practica est multiplex!
Um das Gespräch meines Wirths, des Herrn Frenzels im blauen Hecht, der unaufhörlich über die Dummheit seines Jungens loszog, nicht länger anzuhören, ging ich nach Giebichenstein, sahe mich da auf dem Felsen um und betrachtete die Trüm- mer des alten Schlosses, worauf in den ältern Zei- ten so mancher Reichsfürst, Graf und Ritter, ge- fänglich gesessen hat. Ich brachte den Tag so mit Herumlaufen zu, und machte noch keine Bekannt- schaft.
Neuntes Kapitel.
Meine ersten Verrichtungen in Halle.
Am andern Tag begab ich mich zu Herrn D.Sem- ler. Ich hatte mir schon längst eine große Idee von diesem wichtigen Mann gemacht; und diese Idee wurde immer größer, je genauer ich ihn kennen lernte: und ich kann mich wohl rühmen, den Mann genau gekannt zu haben. Er empfing mich nach seiner Art, das heist, beim ersten Anblick kalt und befremdet; kaum aber hatte er meinen Namen ge-
nig weder geboten noch erlaubt. Aber — practica eſt multiplex!
Um das Geſpraͤch meines Wirths, des Herrn Frenzels im blauen Hecht, der unaufhoͤrlich uͤber die Dummheit ſeines Jungens loszog, nicht laͤnger anzuhoͤren, ging ich nach Giebichenſtein, ſahe mich da auf dem Felſen um und betrachtete die Truͤm- mer des alten Schloſſes, worauf in den aͤltern Zei- ten ſo mancher Reichsfuͤrſt, Graf und Ritter, ge- faͤnglich geſeſſen hat. Ich brachte den Tag ſo mit Herumlaufen zu, und machte noch keine Bekannt- ſchaft.
Neuntes Kapitel.
Meine erſten Verrichtungen in Halle.
Am andern Tag begab ich mich zu Herrn D.Sem- ler. Ich hatte mir ſchon laͤngſt eine große Idee von dieſem wichtigen Mann gemacht; und dieſe Idee wurde immer groͤßer, je genauer ich ihn kennen lernte: und ich kann mich wohl ruͤhmen, den Mann genau gekannt zu haben. Er empfing mich nach ſeiner Art, das heiſt, beim erſten Anblick kalt und befremdet; kaum aber hatte er meinen Namen ge-
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nig weder geboten noch erlaubt. Aber — practica
eſt multiplex!
Um das Geſpraͤch meines Wirths, des Herrn
Frenzels im blauen Hecht, der unaufhoͤrlich uͤber
die Dummheit ſeines Jungens loszog, nicht laͤnger
anzuhoͤren, ging ich nach Giebichenſtein, ſahe mich
da auf dem Felſen um und betrachtete die Truͤm-
mer des alten Schloſſes, worauf in den aͤltern Zei-
ten ſo mancher Reichsfuͤrſt, Graf und Ritter, ge-
faͤnglich geſeſſen hat. Ich brachte den Tag ſo mit
Herumlaufen zu, und machte noch keine Bekannt-
ſchaft.
Neuntes Kapitel.
Meine erſten Verrichtungen in Halle.
Am andern Tag begab ich mich zu Herrn D. Sem-
ler. Ich hatte mir ſchon laͤngſt eine große Idee
von dieſem wichtigen Mann gemacht; und dieſe Idee
wurde immer groͤßer, je genauer ich ihn kennen
lernte: und ich kann mich wohl ruͤhmen, den Mann
genau gekannt zu haben. Er empfing mich nach
ſeiner Art, das heiſt, beim erſten Anblick kalt und
befremdet; kaum aber hatte er meinen Namen ge-
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/90>, abgerufen am 21.11.2024.
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