Meine Lebensart war um diese Zeit sehr or- dentlich. Ich hörte zwei Kollegia bei Herrn Sem- ler, und die Physik bei Karsten. Herrn Knapps Psalmen besuchte ich auch einige Monathe. Herr Semler ermahnte mich, brav alte Schriftsteller zu lesen, und borgte mir den Homer von Barnesius, der griechischen Scholien wegen; sodann auch, um mir Geschmack an der Lectüre der Väter beizubrin- gen, die Opera Basilii Magni, wovon ich verschie- denes mit Vergnügen gelesen habe.
Indessen hatte mir Herr Freilingshausen die ordinaire Präparanz auf dem Werke -- so nann- ten die Studenten das Waisenhaus -- gegeben, und Herr Pastor Nebe forderte jezt, daß ich seinen sogenannten Katechetischen Vorlesungen über den al- ten Schmöcher des ehemaligen Prof. Joh. Jacob Rambachs, beiwohnen sollte. Gleich in der ersten Stunde hatte ich aber an diesen Vorlesungen so satt, daß ich sehr ungern weiter hinging. Das abge- schmackte Kompendium: "Wohlunterrichteter Ka- techet," und noch mehr, die angestellten Uebungen
kann und dann lange Ferien macht. Diese Stücke sind für den Herrn Professor und die Herren Studenten gleich bequem und die besten Lockvögel. Hieraus er- giebt sich aber leider, daß ein feuriger und Vollstän- digkeit liebender Mann in Halle nicht auf großen Bei- fall rechnen darf.
Meine Lebensart war um dieſe Zeit ſehr or- dentlich. Ich hoͤrte zwei Kollegia bei Herrn Sem- ler, und die Phyſik bei Karſten. Herrn Knapps Pſalmen beſuchte ich auch einige Monathe. Herr Semler ermahnte mich, brav alte Schriftſteller zu leſen, und borgte mir den Homer von Barneſius, der griechiſchen Scholien wegen; ſodann auch, um mir Geſchmack an der Lectuͤre der Vaͤter beizubrin- gen, die Opera Baſilii Magni, wovon ich verſchie- denes mit Vergnuͤgen geleſen habe.
Indeſſen hatte mir Herr Freilingshauſen die ordinaire Praͤparanz auf dem Werke — ſo nann- ten die Studenten das Waiſenhaus — gegeben, und Herr Paſtor Nebe forderte jezt, daß ich ſeinen ſogenannten Katechetiſchen Vorleſungen uͤber den al- ten Schmoͤcher des ehemaligen Prof. Joh. Jacob Rambachs, beiwohnen ſollte. Gleich in der erſten Stunde hatte ich aber an dieſen Vorleſungen ſo ſatt, daß ich ſehr ungern weiter hinging. Das abge- ſchmackte Kompendium: „Wohlunterrichteter Ka- techet,“ und noch mehr, die angeſtellten Uebungen
kann und dann lange Ferien macht. Dieſe Stuͤcke ſind fuͤr den Herrn Profeſſor und die Herren Studenten gleich bequem und die beſten Lockvoͤgel. Hieraus er- giebt ſich aber leider, daß ein feuriger und Vollſtaͤn- digkeit liebender Mann in Halle nicht auf großen Bei- fall rechnen darf.
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Meine Lebensart war um dieſe Zeit ſehr or-
dentlich. Ich hoͤrte zwei Kollegia bei Herrn Sem-
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Pſalmen beſuchte ich auch einige Monathe. Herr
Semler ermahnte mich, brav alte Schriftſteller zu
leſen, und borgte mir den Homer von Barneſius,
der griechiſchen Scholien wegen; ſodann auch, um
mir Geſchmack an der Lectuͤre der Vaͤter beizubrin-
gen, die Opera Baſilii Magni, wovon ich verſchie-
denes mit Vergnuͤgen geleſen habe.
Indeſſen hatte mir Herr Freilingshauſen
die ordinaire Praͤparanz auf dem Werke — ſo nann-
ten die Studenten das Waiſenhaus — gegeben,
und Herr Paſtor Nebe forderte jezt, daß ich ſeinen
ſogenannten Katechetiſchen Vorleſungen uͤber den al-
ten Schmoͤcher des ehemaligen Prof. Joh. Jacob
Rambachs, beiwohnen ſollte. Gleich in der erſten
Stunde hatte ich aber an dieſen Vorleſungen ſo ſatt,
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ſchmackte Kompendium: „Wohlunterrichteter Ka-
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p) kann und dann lange Ferien macht. Dieſe Stuͤcke ſind
fuͤr den Herrn Profeſſor und die Herren Studenten
gleich bequem und die beſten Lockvoͤgel. Hieraus er-
giebt ſich aber leider, daß ein feuriger und Vollſtaͤn-
digkeit liebender Mann in Halle nicht auf großen Bei-
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/95>, abgerufen am 24.11.2024.
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