Plan der Exprinzen und ihres Anhangs mehr zu- schreibt, als unsere Ehre und eine gesunde und ehr- liche Politik es je hätten erlauben können -- oder er müßte recht auffallend haben zeigen wollen: daß der Glaube im Politischen eben so wenig selig ma- che, als im Theologischen, und daß eben diejenigen, die man im Herrscherdünkel für die ersten Stützen des Staates hält, oft gerade die lezten sind, und, wenn sie ihn gleich am meisten untergraben, doch am wenigsten recht kennen. --
"Hätten, sagt ein geübter Seher unsrer Zei- ten *), die Fürsten, Minister und Räthe, welche die neuern Begebenheiten Europas herbeigezogen haben, weniger ihren Einsichten getrauet, weniger ihren Leidenschaften und Vorurtheilen Gehör gege- ben, und dagegen mehr die Geschichte, mehr die Menschen, und insonderheit mehr die Werke des unsterblichen Friedrichs studiert: so würden sie nicht sagen dürfen: sie hätten nicht voraussehen können, was in der Folge geschehen ist. Daß sie es vor- aussehen konnten, ist unläugbar, da es voraus- gesehen ist. Vorwürfe deshalb helfen freilich nichts mehr, da geschehene Dinge sich nicht ändern lassen; aber die Fehler zu bemerken, ist sehr heilsam, um Regenten zu überzeugen, welchen Irrthümern sie
*)Genius der Zeit, 1795. Jun, S. 25[ - 1 Zeichen fehlt], [ - 1 Zeichen fehlt]
Plan der Exprinzen und ihres Anhangs mehr zu- ſchreibt, als unſere Ehre und eine geſunde und ehr- liche Politik es je haͤtten erlauben koͤnnen — oder er muͤßte recht auffallend haben zeigen wollen: daß der Glaube im Politiſchen eben ſo wenig ſelig ma- che, als im Theologiſchen, und daß eben diejenigen, die man im Herrſcherduͤnkel fuͤr die erſten Stuͤtzen des Staates haͤlt, oft gerade die lezten ſind, und, wenn ſie ihn gleich am meiſten untergraben, doch am wenigſten recht kennen. —
„Haͤtten, ſagt ein geuͤbter Seher unſrer Zei- ten *), die Fuͤrſten, Miniſter und Raͤthe, welche die neuern Begebenheiten Europas herbeigezogen haben, weniger ihren Einſichten getrauet, weniger ihren Leidenſchaften und Vorurtheilen Gehoͤr gege- ben, und dagegen mehr die Geſchichte, mehr die Menſchen, und inſonderheit mehr die Werke des unſterblichen Friedrichs ſtudiert: ſo wuͤrden ſie nicht ſagen duͤrfen: ſie haͤtten nicht vorausſehen koͤnnen, was in der Folge geſchehen iſt. Daß ſie es vor- ausſehen konnten, iſt unlaͤugbar, da es voraus- geſehen iſt. Vorwuͤrfe deshalb helfen freilich nichts mehr, da geſchehene Dinge ſich nicht aͤndern laſſen; aber die Fehler zu bemerken, iſt ſehr heilſam, um Regenten zu uͤberzeugen, welchen Irrthuͤmern ſie
*)Genius der Zeit, 1795. Jun, S. 25[ – 1 Zeichen fehlt], [ – 1 Zeichen fehlt]
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0174"n="162"/>
Plan der Exprinzen und ihres Anhangs mehr zu-<lb/>ſchreibt, als unſere Ehre und eine geſunde und ehr-<lb/>
liche Politik es je haͤtten erlauben koͤnnen — oder<lb/>
er muͤßte recht auffallend haben zeigen wollen: daß<lb/>
der Glaube im Politiſchen eben ſo wenig ſelig ma-<lb/>
che, als im Theologiſchen, und daß eben diejenigen,<lb/>
die man im Herrſcherduͤnkel fuͤr die erſten Stuͤtzen<lb/>
des Staates haͤlt, oft gerade die lezten ſind, und,<lb/>
wenn ſie ihn gleich am meiſten untergraben, doch<lb/>
am wenigſten recht kennen. —</p><lb/><p>„Haͤtten, ſagt ein geuͤbter Seher unſrer Zei-<lb/>
ten <noteplace="foot"n="*)"><hirendition="#g">Genius der Zeit</hi>, 1795. Jun, S. 25<gapunit="chars"quantity="1"/>, <gapunit="chars"quantity="1"/></note>, die Fuͤrſten, Miniſter und Raͤthe, welche<lb/>
die neuern Begebenheiten Europas herbeigezogen<lb/>
haben, weniger ihren Einſichten getrauet, weniger<lb/>
ihren Leidenſchaften und Vorurtheilen Gehoͤr gege-<lb/>
ben, und dagegen mehr die Geſchichte, mehr die<lb/>
Menſchen, und inſonderheit mehr die Werke des<lb/>
unſterblichen Friedrichs ſtudiert: ſo wuͤrden ſie nicht<lb/>ſagen duͤrfen: ſie haͤtten nicht vorausſehen koͤnnen,<lb/>
was in der Folge geſchehen iſt. Daß ſie es vor-<lb/>
ausſehen konnten, iſt unlaͤugbar, da es voraus-<lb/>
geſehen iſt. Vorwuͤrfe deshalb helfen freilich nichts<lb/>
mehr, da geſchehene Dinge ſich nicht aͤndern laſſen;<lb/>
aber die Fehler zu bemerken, iſt ſehr heilſam, um<lb/>
Regenten zu uͤberzeugen, welchen Irrthuͤmern ſie<lb/></p></div></body></text></TEI>
[162/0174]
Plan der Exprinzen und ihres Anhangs mehr zu-
ſchreibt, als unſere Ehre und eine geſunde und ehr-
liche Politik es je haͤtten erlauben koͤnnen — oder
er muͤßte recht auffallend haben zeigen wollen: daß
der Glaube im Politiſchen eben ſo wenig ſelig ma-
che, als im Theologiſchen, und daß eben diejenigen,
die man im Herrſcherduͤnkel fuͤr die erſten Stuͤtzen
des Staates haͤlt, oft gerade die lezten ſind, und,
wenn ſie ihn gleich am meiſten untergraben, doch
am wenigſten recht kennen. —
„Haͤtten, ſagt ein geuͤbter Seher unſrer Zei-
ten *), die Fuͤrſten, Miniſter und Raͤthe, welche
die neuern Begebenheiten Europas herbeigezogen
haben, weniger ihren Einſichten getrauet, weniger
ihren Leidenſchaften und Vorurtheilen Gehoͤr gege-
ben, und dagegen mehr die Geſchichte, mehr die
Menſchen, und inſonderheit mehr die Werke des
unſterblichen Friedrichs ſtudiert: ſo wuͤrden ſie nicht
ſagen duͤrfen: ſie haͤtten nicht vorausſehen koͤnnen,
was in der Folge geſchehen iſt. Daß ſie es vor-
ausſehen konnten, iſt unlaͤugbar, da es voraus-
geſehen iſt. Vorwuͤrfe deshalb helfen freilich nichts
mehr, da geſchehene Dinge ſich nicht aͤndern laſſen;
aber die Fehler zu bemerken, iſt ſehr heilſam, um
Regenten zu uͤberzeugen, welchen Irrthuͤmern ſie
*) Genius der Zeit, 1795. Jun, S. 25_, _
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/174>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.