müsse, wenn man von dem Betragen der Franzo- sen in der Pfalz und anderwärts ein richtiges Ur- theil fällen will. Und doch ist an diesem richtigen Urtheil für jezt, wie für die Zukunft, überall sehr viel gelegen, sowohl in Rücksicht auf den National- dünkel, als in Rücksicht auf die Moralität nach dieser oder jener Regierungsform.
Bey Longuion war die Passage weit abscheu- licher noch, als alle abscheuliche Passagen, welche wir bisher gehabt hatten. Der Koth ging bis an die Knie, und hin und wieder mußte man durch Wiesen gehen, welche wie ein See unter Wasser standen. Todte Pferde und todte Menschen lagen in Menge unten an einem Berge, über welchen der Marsch gieng: denn da hatte man die ganz Todten und die halb Todten von den Wagen herabgewor- fen, um diese zu erleichtern. Es wurden hier abermals viele Wagen verbrannt, weil man sie durch den Morast nicht bringen konnte.
Gegen Nacht kamen wir endlich müde und hungrig bey Longwy an. Ich hatte hier so meine eignen Betrachtungen, welche ich meinen Kame- den mittheilte. Heute, sagte ich, ist der 19te Oktober: am 23ten September haben wir Longwy in Besitz genommen, und hofften damals so leicht, wie Longwy, ganz Frankreich zu erobern: und schon jezt müssen wir Longwy zurückgeben, und
muͤſſe, wenn man von dem Betragen der Franzo- ſen in der Pfalz und anderwaͤrts ein richtiges Ur- theil faͤllen will. Und doch iſt an dieſem richtigen Urtheil fuͤr jezt, wie fuͤr die Zukunft, uͤberall ſehr viel gelegen, ſowohl in Ruͤckſicht auf den National- duͤnkel, als in Ruͤckſicht auf die Moralitaͤt nach dieſer oder jener Regierungsform.
Bey Longuion war die Paſſage weit abſcheu- licher noch, als alle abſcheuliche Paſſagen, welche wir bisher gehabt hatten. Der Koth ging bis an die Knie, und hin und wieder mußte man durch Wieſen gehen, welche wie ein See unter Waſſer ſtanden. Todte Pferde und todte Menſchen lagen in Menge unten an einem Berge, uͤber welchen der Marſch gieng: denn da hatte man die ganz Todten und die halb Todten von den Wagen herabgewor- fen, um dieſe zu erleichtern. Es wurden hier abermals viele Wagen verbrannt, weil man ſie durch den Moraſt nicht bringen konnte.
Gegen Nacht kamen wir endlich muͤde und hungrig bey Longwy an. Ich hatte hier ſo meine eignen Betrachtungen, welche ich meinen Kame- den mittheilte. Heute, ſagte ich, iſt der 19te Oktober: am 23ten September haben wir Longwy in Beſitz genommen, und hofften damals ſo leicht, wie Longwy, ganz Frankreich zu erobern: und ſchon jezt muͤſſen wir Longwy zuruͤckgeben, und
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0228"n="216"/>
muͤſſe, wenn man von dem Betragen der Franzo-<lb/>ſen in der Pfalz und anderwaͤrts ein richtiges Ur-<lb/>
theil faͤllen will. Und doch iſt an dieſem richtigen<lb/>
Urtheil fuͤr jezt, wie fuͤr die Zukunft, uͤberall ſehr<lb/>
viel gelegen, ſowohl in Ruͤckſicht auf den National-<lb/>
duͤnkel, als in Ruͤckſicht auf die Moralitaͤt nach<lb/>
dieſer oder jener Regierungsform.</p><lb/><p>Bey Longuion war die Paſſage weit abſcheu-<lb/>
licher noch, als alle abſcheuliche Paſſagen, welche<lb/>
wir bisher gehabt hatten. Der Koth ging bis an<lb/>
die Knie, und hin und wieder mußte man durch<lb/>
Wieſen gehen, welche wie ein See unter Waſſer<lb/>ſtanden. Todte Pferde und todte Menſchen lagen<lb/>
in Menge unten an einem Berge, uͤber welchen der<lb/>
Marſch gieng: denn da hatte man die ganz Todten<lb/>
und die halb Todten von den Wagen herabgewor-<lb/>
fen, um dieſe zu erleichtern. Es wurden hier<lb/>
abermals viele Wagen verbrannt, weil man ſie<lb/>
durch den Moraſt nicht bringen konnte.</p><lb/><p>Gegen Nacht kamen wir endlich muͤde und<lb/>
hungrig bey Longwy an. Ich hatte hier ſo meine<lb/>
eignen Betrachtungen, welche ich meinen Kame-<lb/>
den mittheilte. Heute, ſagte ich, iſt der 19te<lb/>
Oktober: am 23ten September haben wir Longwy<lb/>
in Beſitz genommen, und hofften damals ſo leicht,<lb/>
wie Longwy, ganz Frankreich zu erobern: und<lb/>ſchon jezt muͤſſen wir Longwy zuruͤckgeben, und<lb/></p></div></body></text></TEI>
[216/0228]
muͤſſe, wenn man von dem Betragen der Franzo-
ſen in der Pfalz und anderwaͤrts ein richtiges Ur-
theil faͤllen will. Und doch iſt an dieſem richtigen
Urtheil fuͤr jezt, wie fuͤr die Zukunft, uͤberall ſehr
viel gelegen, ſowohl in Ruͤckſicht auf den National-
duͤnkel, als in Ruͤckſicht auf die Moralitaͤt nach
dieſer oder jener Regierungsform.
Bey Longuion war die Paſſage weit abſcheu-
licher noch, als alle abſcheuliche Paſſagen, welche
wir bisher gehabt hatten. Der Koth ging bis an
die Knie, und hin und wieder mußte man durch
Wieſen gehen, welche wie ein See unter Waſſer
ſtanden. Todte Pferde und todte Menſchen lagen
in Menge unten an einem Berge, uͤber welchen der
Marſch gieng: denn da hatte man die ganz Todten
und die halb Todten von den Wagen herabgewor-
fen, um dieſe zu erleichtern. Es wurden hier
abermals viele Wagen verbrannt, weil man ſie
durch den Moraſt nicht bringen konnte.
Gegen Nacht kamen wir endlich muͤde und
hungrig bey Longwy an. Ich hatte hier ſo meine
eignen Betrachtungen, welche ich meinen Kame-
den mittheilte. Heute, ſagte ich, iſt der 19te
Oktober: am 23ten September haben wir Longwy
in Beſitz genommen, und hofften damals ſo leicht,
wie Longwy, ganz Frankreich zu erobern: und
ſchon jezt muͤſſen wir Longwy zuruͤckgeben, und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/228>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.