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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796.

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Sie können -- fuhr mein Vetter fort, den ich
nicht unterbrach, weil alles, was er vortrug, sich
hören ließ, -- mir sagen: Die Rheinländer hat-
ten kein Recht, ihre pa[ - 1 Zeichen fehlt]ta publica aufzuheben, oder
das Band zu lösen, wodurch sie an ihren Herren
und dem Reiche gebunden waren: und hierin sollen
Sie Recht haben, wenn Sie eine dauerhafte, unge-
zwungene und freywillige Hebung oder Lösung die-
ses Bandes, ohne hinlängliche Ursache und gegen-
seitige Einwilligung, meynen; aber nicht, wenn
das Gegentheil auch nur des ersten Punktes, we-
nigstens auf ein ad interim, statt hat. Und, lieber
Vetter, wie konnte man fodern, daß wehrlose Un-
terthanen das hätten hindern oder unwirksam ma-
chen sollen, was ihre wehrhaften Herren selbst nicht
konnten, oder wenigstens nicht thaten? Was ver-
diente der Hirt, der erst Wölfe herbeylockte, oder
sorglos sie herankommen ließe, dann davon liefe,
und nachher es den Schafen verargen wollte, daß
sie eine gute Seite mit den Wölfen gemacht und da-
durch sich gerettet hätten, und nicht sich den Wölfen
so und so lange widersezt hätten, bis sie von ihnen
alle zerrissen oder zerstreut gewesen wären? Wer
Anhänglichkeit und Gehorsam von Unterthanen fo-
dern will, muß sie vor der Lage hüten, worin ih-
nen beydes unmöglich wird; und straft er hernach
dennoch, so verfährt er nach dem Harpiensystem,

Sie koͤnnen — fuhr mein Vetter fort, den ich
nicht unterbrach, weil alles, was er vortrug, ſich
hoͤren ließ, — mir ſagen: Die Rheinlaͤnder hat-
ten kein Recht, ihre pa[ – 1 Zeichen fehlt]ta publica aufzuheben, oder
das Band zu loͤſen, wodurch ſie an ihren Herren
und dem Reiche gebunden waren: und hierin ſollen
Sie Recht haben, wenn Sie eine dauerhafte, unge-
zwungene und freywillige Hebung oder Loͤſung die-
ſes Bandes, ohne hinlaͤngliche Urſache und gegen-
ſeitige Einwilligung, meynen; aber nicht, wenn
das Gegentheil auch nur des erſten Punktes, we-
nigſtens auf ein ad interim, ſtatt hat. Und, lieber
Vetter, wie konnte man fodern, daß wehrloſe Un-
terthanen das haͤtten hindern oder unwirkſam ma-
chen ſollen, was ihre wehrhaften Herren ſelbſt nicht
konnten, oder wenigſtens nicht thaten? Was ver-
diente der Hirt, der erſt Woͤlfe herbeylockte, oder
ſorglos ſie herankommen ließe, dann davon liefe,
und nachher es den Schafen verargen wollte, daß
ſie eine gute Seite mit den Woͤlfen gemacht und da-
durch ſich gerettet haͤtten, und nicht ſich den Woͤlfen
ſo und ſo lange widerſezt haͤtten, bis ſie von ihnen
alle zerriſſen oder zerſtreut geweſen waͤren? Wer
Anhaͤnglichkeit und Gehorſam von Unterthanen fo-
dern will, muß ſie vor der Lage huͤten, worin ih-
nen beydes unmoͤglich wird; und ſtraft er hernach
dennoch, ſo verfaͤhrt er nach dem Harpienſyſtem,

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[355/0367] Sie koͤnnen — fuhr mein Vetter fort, den ich nicht unterbrach, weil alles, was er vortrug, ſich hoͤren ließ, — mir ſagen: Die Rheinlaͤnder hat- ten kein Recht, ihre pa_ta publica aufzuheben, oder das Band zu loͤſen, wodurch ſie an ihren Herren und dem Reiche gebunden waren: und hierin ſollen Sie Recht haben, wenn Sie eine dauerhafte, unge- zwungene und freywillige Hebung oder Loͤſung die- ſes Bandes, ohne hinlaͤngliche Urſache und gegen- ſeitige Einwilligung, meynen; aber nicht, wenn das Gegentheil auch nur des erſten Punktes, we- nigſtens auf ein ad interim, ſtatt hat. Und, lieber Vetter, wie konnte man fodern, daß wehrloſe Un- terthanen das haͤtten hindern oder unwirkſam ma- chen ſollen, was ihre wehrhaften Herren ſelbſt nicht konnten, oder wenigſtens nicht thaten? Was ver- diente der Hirt, der erſt Woͤlfe herbeylockte, oder ſorglos ſie herankommen ließe, dann davon liefe, und nachher es den Schafen verargen wollte, daß ſie eine gute Seite mit den Woͤlfen gemacht und da- durch ſich gerettet haͤtten, und nicht ſich den Woͤlfen ſo und ſo lange widerſezt haͤtten, bis ſie von ihnen alle zerriſſen oder zerſtreut geweſen waͤren? Wer Anhaͤnglichkeit und Gehorſam von Unterthanen fo- dern will, muß ſie vor der Lage huͤten, worin ih- nen beydes unmoͤglich wird; und ſtraft er hernach dennoch, ſo verfaͤhrt er nach dem Harpienſyſtem,

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/367>, abgerufen am 21.11.2024.