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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796.

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Ich habe einmal einen ganz närrischen Grund-
satz, nach welchem ich überall und in allen Stücken
zu Werke gehe. Ich glaube nämlich, daß jeder
Mensch, dem die Natur Augen, Ohren und Nase
gegeben hat, darum mit seinen Augen auch sehen,
mit seinen Ohren auch hören, und mit seiner Nase
auch riechen müsse, und daß er fremder Sinne nicht
nöthig habe, wenn seine eignen noch in brauchbarem
Stande sind. Gern rede ich mit Männern von
Erfahrung und Kenntnissen, aber das ist auch alles:
ich lasse mir von Keinem etwas aufbinden oder auf-
dringen. Ich weiß, daß die größten Feldherren
von Agamemnon an bis auf den Herzog von
Braunschweig
und den Prinzen von Co-
burg gewaltige Schnitzer begangen haben im Krie-
ge, Schnitzer, worüber sich jezt der geringste Kor-
poral wundert. Daher habe ich folgenden Grund-
satz niemals als unumstößlich annehmen können:
Was dieser oder jener große General that, das
war recht gethan:

Denn sonst müßte ich ja auch die Belagerung von
Maynz für ein Meisterstück halten; und das war
sie doch wohl nicht!

Was die Herren Philosophen betrift, die allein
weise sind, wie sie meynen: so bin ich überzeugt,
daß Marcus Tullius recht hat, wenn er
spricht: es sey nichts so abgeschmackt, das nicht

Ich habe einmal einen ganz naͤrriſchen Grund-
ſatz, nach welchem ich uͤberall und in allen Stuͤcken
zu Werke gehe. Ich glaube naͤmlich, daß jeder
Menſch, dem die Natur Augen, Ohren und Naſe
gegeben hat, darum mit ſeinen Augen auch ſehen,
mit ſeinen Ohren auch hoͤren, und mit ſeiner Naſe
auch riechen muͤſſe, und daß er fremder Sinne nicht
noͤthig habe, wenn ſeine eignen noch in brauchbarem
Stande ſind. Gern rede ich mit Maͤnnern von
Erfahrung und Kenntniſſen, aber das iſt auch alles:
ich laſſe mir von Keinem etwas aufbinden oder auf-
dringen. Ich weiß, daß die groͤßten Feldherren
von Agamemnon an bis auf den Herzog von
Braunſchweig
und den Prinzen von Co-
burg gewaltige Schnitzer begangen haben im Krie-
ge, Schnitzer, woruͤber ſich jezt der geringſte Kor-
poral wundert. Daher habe ich folgenden Grund-
ſatz niemals als unumſtoͤßlich annehmen koͤnnen:
Was dieſer oder jener große General that, das
war recht gethan:

Denn ſonſt muͤßte ich ja auch die Belagerung von
Maynz fuͤr ein Meiſterſtuͤck halten; und das war
ſie doch wohl nicht!

Was die Herren Philoſophen betrift, die allein
weiſe ſind, wie ſie meynen: ſo bin ich uͤberzeugt,
daß Marcus Tullius recht hat, wenn er
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[360/0372] Ich habe einmal einen ganz naͤrriſchen Grund- ſatz, nach welchem ich uͤberall und in allen Stuͤcken zu Werke gehe. Ich glaube naͤmlich, daß jeder Menſch, dem die Natur Augen, Ohren und Naſe gegeben hat, darum mit ſeinen Augen auch ſehen, mit ſeinen Ohren auch hoͤren, und mit ſeiner Naſe auch riechen muͤſſe, und daß er fremder Sinne nicht noͤthig habe, wenn ſeine eignen noch in brauchbarem Stande ſind. Gern rede ich mit Maͤnnern von Erfahrung und Kenntniſſen, aber das iſt auch alles: ich laſſe mir von Keinem etwas aufbinden oder auf- dringen. Ich weiß, daß die groͤßten Feldherren von Agamemnon an bis auf den Herzog von Braunſchweig und den Prinzen von Co- burg gewaltige Schnitzer begangen haben im Krie- ge, Schnitzer, woruͤber ſich jezt der geringſte Kor- poral wundert. Daher habe ich folgenden Grund- ſatz niemals als unumſtoͤßlich annehmen koͤnnen: Was dieſer oder jener große General that, das war recht gethan: Denn ſonſt muͤßte ich ja auch die Belagerung von Maynz fuͤr ein Meiſterſtuͤck halten; und das war ſie doch wohl nicht! Was die Herren Philoſophen betrift, die allein weiſe ſind, wie ſie meynen: ſo bin ich uͤberzeugt, daß Marcus Tullius recht hat, wenn er ſpricht: es ſey nichts ſo abgeſchmackt, das nicht

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/372>, abgerufen am 22.11.2024.