Man gab dem Dinge sogar allerhand unedle Bey- namen; und noch jezt in Halle mokiren sich sogar die Soldatenweiber darüber. So hörte ich noch neulich eine zu ihrem Kinde auf dem Arme sagen, als gerade ein Bemedaillirter ihr vorüber ging: "Sieh Frizchen, auch ein Kamerad mit einem Pfennig zur Semmel!"
In Frankreich gab man ehedem das Zeichen des langen Dienstes, und das war mit gewissen Vortheilen verknüpft. Ein solcher Ancien militaire -- denn so hießen die mit dem Zeichen beehrten Sol- daten -- durfte mit dem Stock nicht mehr geschla- gen werden, so sehr dieses damals auch noch bey den Franzosen grassirte. Aber bey den Preußen sah ich Einige, troz ihrem silbernen Medaillon, dennoch tüchtig durchprügeln: sogar Unteroffiziere mit dem goldnen Pfennig erhielten nach Umständen ihre derben Fuchtel. Der Orden pour le merite und das Medaillon sind demnach keinesweges Be- weis, daß der, welcher sie trägt, wirklich Ver- dienst besitze: sie zeigen blos an, daß er, wer weiß wodurch, die Gunst seiner Vorgesezten gehabt ha- be. Auch will Mancher von diesen durch den Schimmer seiner Untergebnen selbst gern mitschim- mern.
Lange hatte unser Bataillon auf der linken Rheinseite gestanden; und rückte den 17ten Jun
Man gab dem Dinge ſogar allerhand unedle Bey- namen; und noch jezt in Halle mokiren ſich ſogar die Soldatenweiber daruͤber. So hoͤrte ich noch neulich eine zu ihrem Kinde auf dem Arme ſagen, als gerade ein Bemedaillirter ihr voruͤber ging: „Sieh Frizchen, auch ein Kamerad mit einem Pfennig zur Semmel!“
In Frankreich gab man ehedem das Zeichen des langen Dienſtes, und das war mit gewiſſen Vortheilen verknuͤpft. Ein ſolcher Ancien militaire — denn ſo hießen die mit dem Zeichen beehrten Sol- daten — durfte mit dem Stock nicht mehr geſchla- gen werden, ſo ſehr dieſes damals auch noch bey den Franzoſen graſſirte. Aber bey den Preußen ſah ich Einige, troz ihrem ſilbernen Medaillon, dennoch tuͤchtig durchpruͤgeln: ſogar Unteroffiziere mit dem goldnen Pfennig erhielten nach Umſtaͤnden ihre derben Fuchtel. Der Orden pour le mérite und das Medaillon ſind demnach keinesweges Be- weis, daß der, welcher ſie traͤgt, wirklich Ver- dienſt beſitze: ſie zeigen blos an, daß er, wer weiß wodurch, die Gunſt ſeiner Vorgeſezten gehabt ha- be. Auch will Mancher von dieſen durch den Schimmer ſeiner Untergebnen ſelbſt gern mitſchim- mern.
Lange hatte unſer Bataillon auf der linken Rheinſeite geſtanden; und ruͤckte den 17ten Jun
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Man gab dem Dinge ſogar allerhand unedle Bey-
namen; und noch jezt in Halle mokiren ſich ſogar
die Soldatenweiber daruͤber. So hoͤrte ich noch
neulich eine zu ihrem Kinde auf dem Arme ſagen,
als gerade ein Bemedaillirter ihr voruͤber ging:
„Sieh Frizchen, auch ein Kamerad mit einem
Pfennig zur Semmel!“
In Frankreich gab man ehedem das Zeichen
des langen Dienſtes, und das war mit gewiſſen
Vortheilen verknuͤpft. Ein ſolcher Ancien militaire
— denn ſo hießen die mit dem Zeichen beehrten Sol-
daten — durfte mit dem Stock nicht mehr geſchla-
gen werden, ſo ſehr dieſes damals auch noch bey
den Franzoſen graſſirte. Aber bey den Preußen
ſah ich Einige, troz ihrem ſilbernen Medaillon,
dennoch tuͤchtig durchpruͤgeln: ſogar Unteroffiziere
mit dem goldnen Pfennig erhielten nach Umſtaͤnden
ihre derben Fuchtel. Der Orden pour le mérite
und das Medaillon ſind demnach keinesweges Be-
weis, daß der, welcher ſie traͤgt, wirklich Ver-
dienſt beſitze: ſie zeigen blos an, daß er, wer weiß
wodurch, die Gunſt ſeiner Vorgeſezten gehabt ha-
be. Auch will Mancher von dieſen durch den
Schimmer ſeiner Untergebnen ſelbſt gern mitſchim-
mern.
Lange hatte unſer Bataillon auf der linken
Rheinſeite geſtanden; und ruͤckte den 17ten Jun
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/388>, abgerufen am 22.11.2024.
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