Ich hatte es der Unterstützung meiner Mitge- faugnen zu danken, daß ich auf Ehrenbreitstein kein Opfer des Hungers und der Nacktheit gewor- den bin: es war kein geringes Stück von Grau- samkeit, daß man meinem Geschwister aufs schärf- ste untersagte, mich mit Geld zu unterstützen.... Soviel aber die Pflicht der Selbsterhaltung mir zu gebieten scheint, andere scheinbar erlaubte Versuche zu diesem Zwecke zu machen, als da ist -- suppli- cando wegen einer Zulage einzukommen, so sehr würde das wider die nämliche Selbsterhaltung strei- ten: denn ein durch Herabwürdigung erhaltenes Leben ist lange nicht von dem Werth, als der Tod, der der Entehrung trozt.
Nicht ich kann und darf den Wahn bestärken, als wenn es Menschen gezieme, um Gnade zu kriechen, und Menschenwürde zum Fußschemel der Willkühr zu entheiligen da, wo Rechte und Ge- setze entscheiden sollten. Das Betragen der Tau- sende und Millionen, die anders handeln, kann für mich kein geltendes Beyspiel seyn, da ich -- dem Himmel sey's gedankt! -- aus jenen Ver- hältnissen ausgetreten bin, und nun nach den Grundsätzen der Menschenwürde handeln muß....
Petersberg, den 27ten Jun, 1794.
Metternich, Französ. Geißel.
Ich hatte es der Unterſtuͤtzung meiner Mitge- faugnen zu danken, daß ich auf Ehrenbreitſtein kein Opfer des Hungers und der Nacktheit gewor- den bin: es war kein geringes Stuͤck von Grau- ſamkeit, daß man meinem Geſchwiſter aufs ſchaͤrf- ſte unterſagte, mich mit Geld zu unterſtuͤtzen.... Soviel aber die Pflicht der Selbſterhaltung mir zu gebieten ſcheint, andere ſcheinbar erlaubte Verſuche zu dieſem Zwecke zu machen, als da iſt — ſuppli- cando wegen einer Zulage einzukommen, ſo ſehr wuͤrde das wider die naͤmliche Selbſterhaltung ſtrei- ten: denn ein durch Herabwuͤrdigung erhaltenes Leben iſt lange nicht von dem Werth, als der Tod, der der Entehrung trozt.
Nicht ich kann und darf den Wahn beſtaͤrken, als wenn es Menſchen gezieme, um Gnade zu kriechen, und Menſchenwuͤrde zum Fußſchemel der Willkuͤhr zu entheiligen da, wo Rechte und Ge- ſetze entſcheiden ſollten. Das Betragen der Tau- ſende und Millionen, die anders handeln, kann fuͤr mich kein geltendes Beyſpiel ſeyn, da ich — dem Himmel ſey's gedankt! — aus jenen Ver- haͤltniſſen ausgetreten bin, und nun nach den Grundſaͤtzen der Menſchenwuͤrde handeln muß....
Petersberg, den 27ten Jun, 1794.
Metternich, Franzoͤſ. Geißel.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0428"n="416"/><p>Ich hatte es der Unterſtuͤtzung meiner Mitge-<lb/>
faugnen zu danken, daß ich auf Ehrenbreitſtein<lb/>
kein Opfer des Hungers und der Nacktheit gewor-<lb/>
den bin: es war kein geringes Stuͤck von Grau-<lb/>ſamkeit, daß man meinem Geſchwiſter aufs ſchaͤrf-<lb/>ſte unterſagte, mich mit Geld zu unterſtuͤtzen....<lb/>
Soviel aber die Pflicht der Selbſterhaltung mir zu<lb/>
gebieten ſcheint, andere ſcheinbar erlaubte Verſuche<lb/>
zu dieſem Zwecke zu machen, als da iſt —<hirendition="#aq">ſuppli-<lb/>
cando</hi> wegen einer Zulage einzukommen, ſo ſehr<lb/>
wuͤrde das wider die naͤmliche Selbſterhaltung ſtrei-<lb/>
ten: denn ein durch Herabwuͤrdigung erhaltenes<lb/>
Leben iſt lange nicht von dem Werth, als der Tod,<lb/>
der der Entehrung trozt.</p><lb/><p>Nicht ich kann und darf den Wahn beſtaͤrken,<lb/>
als wenn es Menſchen gezieme, um Gnade zu<lb/>
kriechen, und Menſchenwuͤrde zum Fußſchemel der<lb/>
Willkuͤhr zu entheiligen da, wo Rechte und Ge-<lb/>ſetze entſcheiden ſollten. Das Betragen der Tau-<lb/>ſende und Millionen, die anders handeln, kann<lb/>
fuͤr mich kein geltendes Beyſpiel ſeyn, da ich —<lb/>
dem Himmel ſey's gedankt! — aus jenen Ver-<lb/>
haͤltniſſen ausgetreten bin, und <choice><sic>uun</sic><corr>nun</corr></choice> nach den<lb/>
Grundſaͤtzen der Menſchenwuͤrde handeln muß....</p><lb/><p>Petersberg, den 27ten Jun, 1794.</p><lb/><p><hirendition="#et"><hirendition="#g">Metternich</hi>, Franzoͤſ. Geißel.</hi></p></div><lb/></div></body></text></TEI>
[416/0428]
Ich hatte es der Unterſtuͤtzung meiner Mitge-
faugnen zu danken, daß ich auf Ehrenbreitſtein
kein Opfer des Hungers und der Nacktheit gewor-
den bin: es war kein geringes Stuͤck von Grau-
ſamkeit, daß man meinem Geſchwiſter aufs ſchaͤrf-
ſte unterſagte, mich mit Geld zu unterſtuͤtzen....
Soviel aber die Pflicht der Selbſterhaltung mir zu
gebieten ſcheint, andere ſcheinbar erlaubte Verſuche
zu dieſem Zwecke zu machen, als da iſt — ſuppli-
cando wegen einer Zulage einzukommen, ſo ſehr
wuͤrde das wider die naͤmliche Selbſterhaltung ſtrei-
ten: denn ein durch Herabwuͤrdigung erhaltenes
Leben iſt lange nicht von dem Werth, als der Tod,
der der Entehrung trozt.
Nicht ich kann und darf den Wahn beſtaͤrken,
als wenn es Menſchen gezieme, um Gnade zu
kriechen, und Menſchenwuͤrde zum Fußſchemel der
Willkuͤhr zu entheiligen da, wo Rechte und Ge-
ſetze entſcheiden ſollten. Das Betragen der Tau-
ſende und Millionen, die anders handeln, kann
fuͤr mich kein geltendes Beyſpiel ſeyn, da ich —
dem Himmel ſey's gedankt! — aus jenen Ver-
haͤltniſſen ausgetreten bin, und nun nach den
Grundſaͤtzen der Menſchenwuͤrde handeln muß....
Petersberg, den 27ten Jun, 1794.
Metternich, Franzoͤſ. Geißel.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/428>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.