Es ist allemal meine Gewohnheit, wenn ich durch ein Land komme, mich nicht sowohl um dessen Produkte, und die Kleidungen der Einwohner zu bekümmern, als vielmehr nach der Art der Regie- rung zu fragen, und dann über den Wohl- oder Wehstand eines Landes mein Urtheil zu fällen.
Die Produkte stehen in allen geographischen Notizen, aber von den Regierungen schweigen die Herren Geographen sehr weislich; doch wissen wir die Namen, und die Geburtstage, u. dgl. von allen Höchst-Dero -- aus hundert und neun und neunzig Taschenkalendern und großen, dick- leibigten genealogischen Handbüchern.
Ich hatte mir schon seit dem vorigen Jahre ei- nen Hauptsatz so aus der Erfahrung gebildet, nach welchem ich so zu sagen a priori d. i. ohne weiter ins Einzelne zu gehen, von der Beschaffenheit der Landes-Regierungen urtheilte. Mein Obersatz war dieser: Wenn in einem Lande das französische System leicht Eingang findet, so taugt die Regie-
Dritter Theil. Ff
Sechs und dreyßigſtes Kapitel.
Bisthum Speier. D. Bahrdt.
Es iſt allemal meine Gewohnheit, wenn ich durch ein Land komme, mich nicht ſowohl um deſſen Produkte, und die Kleidungen der Einwohner zu bekuͤmmern, als vielmehr nach der Art der Regie- rung zu fragen, und dann uͤber den Wohl- oder Wehſtand eines Landes mein Urtheil zu faͤllen.
Die Produkte ſtehen in allen geographiſchen Notizen, aber von den Regierungen ſchweigen die Herren Geographen ſehr weislich; doch wiſſen wir die Namen, und die Geburtstage, u. dgl. von allen Hoͤchſt-Dero — aus hundert und neun und neunzig Taſchenkalendern und großen, dick- leibigten genealogiſchen Handbuͤchern.
Ich hatte mir ſchon ſeit dem vorigen Jahre ei- nen Hauptſatz ſo aus der Erfahrung gebildet, nach welchem ich ſo zu ſagen a priori d. i. ohne weiter ins Einzelne zu gehen, von der Beſchaffenheit der Landes-Regierungen urtheilte. Mein Oberſatz war dieſer: Wenn in einem Lande das franzoͤſiſche Syſtem leicht Eingang findet, ſo taugt die Regie-
Dritter Theil. Ff
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Sechs und dreyßigſtes Kapitel.
Bisthum Speier. D. Bahrdt.
Es iſt allemal meine Gewohnheit, wenn ich durch
ein Land komme, mich nicht ſowohl um deſſen
Produkte, und die Kleidungen der Einwohner zu
bekuͤmmern, als vielmehr nach der Art der Regie-
rung zu fragen, und dann uͤber den Wohl- oder
Wehſtand eines Landes mein Urtheil zu faͤllen.
Die Produkte ſtehen in allen geographiſchen
Notizen, aber von den Regierungen ſchweigen die
Herren Geographen ſehr weislich; doch wiſſen wir
die Namen, und die Geburtstage, u. dgl. von
allen Hoͤchſt-Dero — aus hundert und neun
und neunzig Taſchenkalendern und großen, dick-
leibigten genealogiſchen Handbuͤchern.
Ich hatte mir ſchon ſeit dem vorigen Jahre ei-
nen Hauptſatz ſo aus der Erfahrung gebildet, nach
welchem ich ſo zu ſagen a priori d. i. ohne weiter
ins Einzelne zu gehen, von der Beſchaffenheit der
Landes-Regierungen urtheilte. Mein Oberſatz
war dieſer: Wenn in einem Lande das franzoͤſiſche
Syſtem leicht Eingang findet, ſo taugt die Regie-
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 449. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/461>, abgerufen am 25.11.2024.
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