ßen die Leutchen jedesmal einfließen, wenn ein Fremder, auch nur ein sehr geringer z. B. ein Kerl, wie ich, ihre Gelage besuchte. Sie hatten es recht gern, wenn man sich nach ihrer Familie, und nach ihren sonstigen Verhältnissen erkundigte: dann er- gossen sie sich mit thrasonischer Beredsamkeit über ihre und ihrer Vorfahren Heldenthaten: vergaßen denn auch die nicht, welche aus ihrem Stamme ehedem Bischöfe, Prälaten und Aebte gewesen wa- ren. Ich habe oft lachen müssen, wenn mir emigrirte Kaufleute erzählten, wie ihr Geschlecht ehedem sehr noble*) gewesen, hernach aber durch den großen Aufwand derer von ihnen, welche im Militärstande gedient hätten, zur Armuth herabgesunken, und die Familie dadurch endlich genöthigt worden sey, sich der Kaufmannschaft zu widmen, nur um Mittel zu fin- den, dem Hause seinen alten Glanz (son premier lu- stre) wieder herzustellen. So stolz waren selbst ver- loffene Krämer aus Frankreich! Was mag wohl ein Kerl werth seyn, der hauptsächlich arbeitet, um erst reich zu werden, und dann -- als Edelmann wieder paradieren zu können! -- Aber, leider, be- deutete adelich und geehrt in Frankreich sonst
*) Das Wort noble bedeutet jetzt in der republikanischen Spra- che so viel als liederlich, verächtlich u. s. w. Von dieser merk- würdigen Veränderung der Wortbedeutungen in Frankreich rede ich an einem andern Orte weitläufiger.
ßen die Leutchen jedesmal einfließen, wenn ein Fremder, auch nur ein ſehr geringer z. B. ein Kerl, wie ich, ihre Gelage beſuchte. Sie hatten es recht gern, wenn man ſich nach ihrer Familie, und nach ihren ſonſtigen Verhaͤltniſſen erkundigte: dann er- goſſen ſie ſich mit thraſoniſcher Beredſamkeit uͤber ihre und ihrer Vorfahren Heldenthaten: vergaßen denn auch die nicht, welche aus ihrem Stamme ehedem Biſchoͤfe, Praͤlaten und Aebte geweſen wa- ren. Ich habe oft lachen muͤſſen, wenn mir emigrirte Kaufleute erzaͤhlten, wie ihr Geſchlecht ehedem ſehr noble*) geweſen, hernach aber durch den großen Aufwand derer von ihnen, welche im Militaͤrſtande gedient haͤtten, zur Armuth herabgeſunken, und die Familie dadurch endlich genoͤthigt worden ſey, ſich der Kaufmannſchaft zu widmen, nur um Mittel zu fin- den, dem Hauſe ſeinen alten Glanz (ſon prémier lu- ſtre) wieder herzuſtellen. So ſtolz waren ſelbſt ver- loffene Kraͤmer aus Frankreich! Was mag wohl ein Kerl werth ſeyn, der hauptſaͤchlich arbeitet, um erſt reich zu werden, und dann — als Edelmann wieder paradieren zu koͤnnen! — Aber, leider, be- deutete adelich und geehrt in Frankreich ſonſt
*) Das Wort noble bedeutet jetzt in der republikaniſchen Spra- che ſo viel als liederlich, veraͤchtlich u. ſ. w. Von dieſer merk- wuͤrdigen Veraͤnderung der Wortbedeutungen in Frankreich rede ich an einem andern Orte weitlaͤufiger.
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ßen die Leutchen jedesmal einfließen, wenn ein
Fremder, auch nur ein ſehr geringer z. B. ein Kerl,
wie ich, ihre Gelage beſuchte. Sie hatten es recht
gern, wenn man ſich nach ihrer Familie, und nach
ihren ſonſtigen Verhaͤltniſſen erkundigte: dann er-
goſſen ſie ſich mit thraſoniſcher Beredſamkeit uͤber
ihre und ihrer Vorfahren Heldenthaten: vergaßen
denn auch die nicht, welche aus ihrem Stamme
ehedem Biſchoͤfe, Praͤlaten und Aebte geweſen wa-
ren. Ich habe oft lachen muͤſſen, wenn mir emigrirte
Kaufleute erzaͤhlten, wie ihr Geſchlecht ehedem ſehr
noble *) geweſen, hernach aber durch den großen
Aufwand derer von ihnen, welche im Militaͤrſtande
gedient haͤtten, zur Armuth herabgeſunken, und die
Familie dadurch endlich genoͤthigt worden ſey, ſich der
Kaufmannſchaft zu widmen, nur um Mittel zu fin-
den, dem Hauſe ſeinen alten Glanz (ſon prémier lu-
ſtre) wieder herzuſtellen. So ſtolz waren ſelbſt ver-
loffene Kraͤmer aus Frankreich! Was mag wohl
ein Kerl werth ſeyn, der hauptſaͤchlich arbeitet, um
erſt reich zu werden, und dann — als Edelmann
wieder paradieren zu koͤnnen! — Aber, leider, be-
deutete adelich und geehrt in Frankreich ſonſt
*) Das Wort noble bedeutet jetzt in der republikaniſchen Spra-
che ſo viel als liederlich, veraͤchtlich u. ſ. w. Von dieſer merk-
wuͤrdigen Veraͤnderung der Wortbedeutungen in Frankreich
rede ich an einem andern Orte weitlaͤufiger.
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/69>, abgerufen am 04.12.2024.
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