dieses nicht, so soll man ja lieber alles anwenden, um sie zu bereden, daß sie von einander ablassen. Ich fand dieses eben nicht widersinnig.
Wer ein Mädchen verführt, ich meyne ein ehrliches Mädchen, dessen sonstiger Ruf unbeschol- ten ist, und das nicht in die Klasse der feilen Dir- nen, u. dgl. gehört, so muß er sie, wenn es sonst geschehen kann, heurathen, oder er sezt sich dem Verdachte, ein schlechter Bürger zu seyn, auf im- mer aus. Und dieser Verdacht -- so civilisirt man nämlich jezt in Frankreich schon ist -- wirkt dort weit stärker, als bey uns die kirchliche Vor- stellung von Himmel und Hölle. Die Folgen vom erstern, fühlt man in Frankreich handgreiflich; aber die Folgen vom leztern? -- Ja, wer weis, sagt schon der Bauer.
Wenn nun jemand ein Mädchen hat, das er gern heurathen mögte, so beg[i]ebt er sich mit dem- selben, nebst einigen Zeugen von beyden Seiten, auf die Municipalität seines Distrikts, wo allemal ein Bureau des mariages angestellt ist. Jedem ist erlaubt, bey solchen Vorfällen gegenwärtig zu seyn, und ich habe mehr als einmal dieser Cere- monie beygewohnt.
Was wollt Ihr? fragt der Präsident.
Bräutigam: Ich und diese Bürgerin wol- len einander heurathen.
dieſes nicht, ſo ſoll man ja lieber alles anwenden, um ſie zu bereden, daß ſie von einander ablaſſen. Ich fand dieſes eben nicht widerſinnig.
Wer ein Maͤdchen verfuͤhrt, ich meyne ein ehrliches Maͤdchen, deſſen ſonſtiger Ruf unbeſchol- ten iſt, und das nicht in die Klaſſe der feilen Dir- nen, u. dgl. gehoͤrt, ſo muß er ſie, wenn es ſonſt geſchehen kann, heurathen, oder er ſezt ſich dem Verdachte, ein ſchlechter Buͤrger zu ſeyn, auf im- mer aus. Und dieſer Verdacht — ſo civiliſirt man naͤmlich jezt in Frankreich ſchon iſt — wirkt dort weit ſtaͤrker, als bey uns die kirchliche Vor- ſtellung von Himmel und Hoͤlle. Die Folgen vom erſtern, fuͤhlt man in Frankreich handgreiflich; aber die Folgen vom leztern? — Ja, wer weis, ſagt ſchon der Bauer.
Wenn nun jemand ein Maͤdchen hat, das er gern heurathen moͤgte, ſo beg[i]ebt er ſich mit dem- ſelben, nebſt einigen Zeugen von beyden Seiten, auf die Municipalitaͤt ſeines Diſtrikts, wo allemal ein Bureau des mariages angeſtellt iſt. Jedem iſt erlaubt, bey ſolchen Vorfaͤllen gegenwaͤrtig zu ſeyn, und ich habe mehr als einmal dieſer Cere- monie beygewohnt.
Was wollt Ihr? fragt der Praͤſident.
Braͤutigam: Ich und dieſe Buͤrgerin wol- len einander heurathen.
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dieſes nicht, ſo ſoll man ja lieber alles anwenden,
um ſie zu bereden, daß ſie von einander ablaſſen.
Ich fand dieſes eben nicht widerſinnig.
Wer ein Maͤdchen verfuͤhrt, ich meyne ein
ehrliches Maͤdchen, deſſen ſonſtiger Ruf unbeſchol-
ten iſt, und das nicht in die Klaſſe der feilen Dir-
nen, u. dgl. gehoͤrt, ſo muß er ſie, wenn es ſonſt
geſchehen kann, heurathen, oder er ſezt ſich dem
Verdachte, ein ſchlechter Buͤrger zu ſeyn, auf im-
mer aus. Und dieſer Verdacht — ſo civiliſirt
man naͤmlich jezt in Frankreich ſchon iſt — wirkt
dort weit ſtaͤrker, als bey uns die kirchliche Vor-
ſtellung von Himmel und Hoͤlle. Die Folgen vom
erſtern, fuͤhlt man in Frankreich handgreiflich;
aber die Folgen vom leztern? — Ja, wer weis,
ſagt ſchon der Bauer.
Wenn nun jemand ein Maͤdchen hat, das er
gern heurathen moͤgte, ſo begiebt er ſich mit dem-
ſelben, nebſt einigen Zeugen von beyden Seiten,
auf die Municipalitaͤt ſeines Diſtrikts, wo allemal
ein Bureau des mariages angeſtellt iſt. Jedem iſt
erlaubt, bey ſolchen Vorfaͤllen gegenwaͤrtig zu
ſeyn, und ich habe mehr als einmal dieſer Cere-
monie beygewohnt.
Was wollt Ihr? fragt der Praͤſident.
Braͤutigam: Ich und dieſe Buͤrgerin wol-
len einander heurathen.
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/140>, abgerufen am 21.11.2024.
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