Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

schlau; Er hingegen zeigte sich immer gerade, kühn
und ohne Schminke. Sein Stolz beleidigte man-
che Eitelkeit, und seine Superiorität drückte schwer
auf alles, was ihn umgab. Auch ohne Verbre-
chen mußte er die Leidenschaften gegen sich empö-
ren, denn er schonte niemand, und demüthigte
mit Blick und Charakter jeden, der kleiner war
als er, und doch oft größer und besser scheinen
wollte. Was sich nicht gegen seine Verdienste und
gegen seinen Stolz verschwor, das zitterte vor dem
Stachel seiner Satyre, und wapnete sich oft selbst
mit Verbrechen, um den mächtigen Feind zu stür-
zen. Große Leidenschaften zeugen große Fehler
und Tugenden, und es gehört mehr, als bloßer
Scharfsinn dazu, über Männer von ungewöhnli-
chem Gepräge zu entscheiden.

Man hat Schneidern Fehler und gar Laster
schuldgegeben, wozu er nicht einmal Anlage hatte;
und ob er gleich immer strafbar bleiben wird: so
ist doch sein Todes-Urtheil aus lauter Lügen
zusammengesezt. Schneiders Verfolgung, Ver-
läumdung und Hinrichtung hatten ihren meisten
Grund in seiner Freymüthigkeit gegen die Pfaffen,
den Märe Dietrich und deren hofierenden, ver-
rätherischen Anhang. Das Gesetz vom 28ten Jul
1791 gegen die ungeschwornen Geistlichen wurde
im Niederrheinischen Departement entweder gar

ſchlau; Er hingegen zeigte ſich immer gerade, kuͤhn
und ohne Schminke. Sein Stolz beleidigte man-
che Eitelkeit, und ſeine Superioritaͤt druͤckte ſchwer
auf alles, was ihn umgab. Auch ohne Verbre-
chen mußte er die Leidenſchaften gegen ſich empoͤ-
ren, denn er ſchonte niemand, und demuͤthigte
mit Blick und Charakter jeden, der kleiner war
als er, und doch oft groͤßer und beſſer ſcheinen
wollte. Was ſich nicht gegen ſeine Verdienſte und
gegen ſeinen Stolz verſchwor, das zitterte vor dem
Stachel ſeiner Satyre, und wapnete ſich oft ſelbſt
mit Verbrechen, um den maͤchtigen Feind zu ſtuͤr-
zen. Große Leidenſchaften zeugen große Fehler
und Tugenden, und es gehoͤrt mehr, als bloßer
Scharfſinn dazu, uͤber Maͤnner von ungewoͤhnli-
chem Gepraͤge zu entſcheiden.

Man hat Schneidern Fehler und gar Laſter
ſchuldgegeben, wozu er nicht einmal Anlage hatte;
und ob er gleich immer ſtrafbar bleiben wird: ſo
iſt doch ſein Todes-Urtheil aus lauter Luͤgen
zuſammengeſezt. Schneiders Verfolgung, Ver-
laͤumdung und Hinrichtung hatten ihren meiſten
Grund in ſeiner Freymuͤthigkeit gegen die Pfaffen,
den Maͤre Dietrich und deren hofierenden, ver-
raͤtheriſchen Anhang. Das Geſetz vom 28ten Jul
1791 gegen die ungeſchwornen Geiſtlichen wurde
im Niederrheiniſchen Departement entweder gar

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0208" n="204"/>
&#x017F;chlau; Er hingegen zeigte &#x017F;ich immer gerade, ku&#x0364;hn<lb/>
und ohne Schminke. Sein Stolz beleidigte man-<lb/>
che Eitelkeit, und &#x017F;eine Superiorita&#x0364;t dru&#x0364;ckte &#x017F;chwer<lb/>
auf alles, was ihn umgab. Auch ohne Verbre-<lb/>
chen mußte er die Leiden&#x017F;chaften gegen &#x017F;ich empo&#x0364;-<lb/>
ren, denn er &#x017F;chonte niemand, und demu&#x0364;thigte<lb/>
mit Blick und Charakter jeden, der kleiner war<lb/>
als er, und doch oft gro&#x0364;ßer und be&#x017F;&#x017F;er &#x017F;cheinen<lb/>
wollte. Was &#x017F;ich nicht gegen &#x017F;eine Verdien&#x017F;te und<lb/>
gegen &#x017F;einen Stolz ver&#x017F;chwor, das zitterte vor dem<lb/>
Stachel &#x017F;einer Satyre, und wapnete &#x017F;ich oft &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
mit Verbrechen, um den ma&#x0364;chtigen Feind zu &#x017F;tu&#x0364;r-<lb/>
zen. Große Leiden&#x017F;chaften zeugen große Fehler<lb/>
und Tugenden, und es geho&#x0364;rt mehr, als bloßer<lb/>
Scharf&#x017F;inn dazu, u&#x0364;ber Ma&#x0364;nner von ungewo&#x0364;hnli-<lb/>
chem Gepra&#x0364;ge zu ent&#x017F;cheiden.</p><lb/>
        <p>Man hat <hi rendition="#g">Schneidern</hi> Fehler und gar La&#x017F;ter<lb/>
&#x017F;chuldgegeben, wozu er nicht einmal Anlage hatte;<lb/>
und ob er gleich immer &#x017F;trafbar bleiben wird: &#x017F;o<lb/>
i&#x017F;t doch &#x017F;ein Todes-Urtheil aus <hi rendition="#g">lauter Lu&#x0364;gen</hi><lb/>
zu&#x017F;ammenge&#x017F;ezt. <hi rendition="#g">Schneiders</hi> Verfolgung, Ver-<lb/>
la&#x0364;umdung und Hinrichtung hatten ihren mei&#x017F;ten<lb/>
Grund in &#x017F;einer Freymu&#x0364;thigkeit gegen die <hi rendition="#g">Pfaffen</hi>,<lb/>
den Ma&#x0364;re <hi rendition="#g">Dietrich</hi> und deren hofierenden, ver-<lb/>
ra&#x0364;theri&#x017F;chen Anhang. Das Ge&#x017F;etz vom 28ten Jul<lb/>
1791 gegen die unge&#x017F;chwornen Gei&#x017F;tlichen wurde<lb/>
im Niederrheini&#x017F;chen Departement entweder gar<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[204/0208] ſchlau; Er hingegen zeigte ſich immer gerade, kuͤhn und ohne Schminke. Sein Stolz beleidigte man- che Eitelkeit, und ſeine Superioritaͤt druͤckte ſchwer auf alles, was ihn umgab. Auch ohne Verbre- chen mußte er die Leidenſchaften gegen ſich empoͤ- ren, denn er ſchonte niemand, und demuͤthigte mit Blick und Charakter jeden, der kleiner war als er, und doch oft groͤßer und beſſer ſcheinen wollte. Was ſich nicht gegen ſeine Verdienſte und gegen ſeinen Stolz verſchwor, das zitterte vor dem Stachel ſeiner Satyre, und wapnete ſich oft ſelbſt mit Verbrechen, um den maͤchtigen Feind zu ſtuͤr- zen. Große Leidenſchaften zeugen große Fehler und Tugenden, und es gehoͤrt mehr, als bloßer Scharfſinn dazu, uͤber Maͤnner von ungewoͤhnli- chem Gepraͤge zu entſcheiden. Man hat Schneidern Fehler und gar Laſter ſchuldgegeben, wozu er nicht einmal Anlage hatte; und ob er gleich immer ſtrafbar bleiben wird: ſo iſt doch ſein Todes-Urtheil aus lauter Luͤgen zuſammengeſezt. Schneiders Verfolgung, Ver- laͤumdung und Hinrichtung hatten ihren meiſten Grund in ſeiner Freymuͤthigkeit gegen die Pfaffen, den Maͤre Dietrich und deren hofierenden, ver- raͤtheriſchen Anhang. Das Geſetz vom 28ten Jul 1791 gegen die ungeſchwornen Geiſtlichen wurde im Niederrheiniſchen Departement entweder gar

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/208
Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/208>, abgerufen am 18.05.2024.